Quantcast
Channel: HIFISTATEMENT | netmagazine - Suche
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2396

Lyravox Karlsson

$
0
0

Der Lyravox Karlsson ist ein kompakter Aktivlautsprecher, der um den High-End-Thron kämpft. Im Zentrum steht der aufwendigste je von Accuton produzierte Tiefmitteltöner, um den Karlsson von Lyravox herumentwickelt wurde. Auf diesen Treiber zu setzen, war eine sehr lohnende Entscheidung, wie sich im Folgenden zeigen wird.

Vor dem Test haben sich die beiden Lyravox-Gründer Dr. Götz von Laffert und Jens Wietschorke mit mir zu einem Treffen in ihrer Manufaktur in Hamburg verabredet. So habe ich die Gelegenheit, die Marke Lyravox schon vor dem Test kennenzulernen, und erste technische Fragen können geklärt werden. Auch das Musikhören darf natürlich nicht zu kurz kommen, denn dies ist am Ende des Tages das Einzige, was für Jens und Götz zählt. Schon an der Tür der Manufaktur wird die Detailverliebtheit der beiden deutlich. Sie haben ihren Klingelknopf der handelsüblichen Mehrparteien-Klingelanlage durch eine gefräste Spezialanfertigung ersetzt, die ihre Initialen, das Firmenlogo, trägt. Das gesamte Gebäude versprüht einen altehrwürdigen Industriecharme. So auch die Räumlichkeiten von Lyravox, in denen ich herzlich mit einem Espresso und der gebührenden pandemiebedingten Vorsicht begrüßt werde. Nach einer kleinen Führung durch die Manufaktur und erstem Fachsimpeln finden wir uns im Hörraum ein. Trotz des Standorts zwischen Norder- und Süderelbe, hat man vom Hörraum aus einen Ausblick auf die Wahrzeichen Hamburgs: Elbphilharmonie, Michel und Fernsehturm, zwar eher klein, aber immerhin. So sehen das auch Götz und Jens. Sie sind sehr glücklich über ihren Standort auf der Elbinsel Wilhelmsburg – hier herrscht noch echte hamburgische Gelassenheit und die berühmte Veddeler Fischgaststätte ist auch nicht zu weit entfernt. Götz führt mir den Standlautsprecher Karlotta vor und Jens erläutert ein paar seiner Gedanken zum Thema Lautsprecherbau. So erfahre ich, dass die breite Front mit scharfer Kante in Verbindung mit Keramiktreibern mitnichten eine reine Designentscheidung, sondern auch eine Entscheidung technischer Natur ist. Die charakteristische Form der Lyravox-Lautsprecher nebst scharfer Kante wird genutzt, um das Abstrahlverhalten und den spezifischen Frequenzverlauf der verwendeten Treiber zu formen. Da außerdem nahezu jeder Lyravox Lautsprecher beim Kunden eingemessen wird, blickt Jens auf eine ungewöhnlich hohe Anzahl verschiedenster gehörter und gemessener Wohnzimmer und HiFi-Räume zurück. Die dabei gesammelten Erkenntnisse fließen unmittelbar in die Entwicklung neuer Lautsprecher ein. Denn was nutzt einem ein Lautsprecher, der unter Laborbedingungen entwickelt wurde, aber in einem normalen Raum nicht wie gewünscht funktioniert? Eine Schlüsselrolle spielt für Lyravox die aktive Technik. Unerwünschte Faktoren, beispielsweise eines Verstärkers mit unschicklichem Dämpfungsfaktor an einem passiven Lautsprecher, können durch die aktive, unmittelbare Ansteuerung eines jeden Treibers durch seine eigene Class-D-Endstufe umgangen werden. Auch die unvermeidbaren Verluste einer passiven Frequenzweiche fallen weg. Mittels DSP können verschiedene Weichendesigns ungewöhnlich präzise ausgelegt und deutlich schneller getestet werden. Statt sich mit zeitintensiver Bauteilauswahl für die optimale passive Weiche zu beschäftigen, kann man sich anderen Dingen zuwenden. Und genau das machen Jens und Götz dann auch für die nächsten Stunden – sich mit anderen Dingen beschäftigen. Die kleine Manufaktur will schließlich am Laufen gehalten werden. So kann ich bis in den Abend nach Herzenslust meine Musiksammlung auf den zwei Karlottas hören, bevor wir einen Termin für die Lieferung und Einrichtung der kleinen Karlssons in meinem Hörraum ausmachen und ich den Heimweg antrete.

Karlsson vereint gleich mehrere Premieren in sich. Zunächst ist er der kleinste Lautsprecher von Lyravox und der erste mit einem Kunststeingehäuse. Die Verwendung des Highend-Tiefmitteltöners Accuton C168-890 ist nicht nur eine Premiere für Lyravox, sondern Karlsson ist einer der ersten Lautsprecher überhaupt, in dem dieser Treiber arbeitet. Mit seiner großen Schwingspule und innenliegenden Zentrierspinne stellt der Keramiktreiber eine Neuentwicklung Accutons dar. Die gesamte Konzeption des Bassreflexgehäuses ist darauf ausgerichtet, ihm die bestmögliche Arbeitsumgebung zu biete. Zum Tiefmitteltöner gesellt sich ein C25-6-158 Keramikhochtöner, ebenfalls aus der Cell-Serie von Accuton. Beide Treiber verfügen über ein identisches akustisches Zentrum, was ihre Positionierung und Abstimmung in Hinblick auf einen gleichmäßigen Phasenverlauf deutlich erleichtern soll. Zusätzlich kommt ein Air Motion Transformer auf der Oberseite des Lautsprechers hinzu, der den Keramikhochtöner ab 5000 Hertz unterstützt. Eine ungewöhnliche Entscheidung, für einen Lautsprecher, der zwar nicht ausschließlich, aber durchaus gezielt für den Studiobetrieb entwickelt wurde. In der Erprobungsphase des Karlssons hat sich der AMT-Hochtöner jedoch im Studiobetrieb keinesfalls als störend herausgestellt, im Gegenteil: Sowohl Raumdarstellung als auch Sweetspot profitierten deutlich und nicht nur zu Hause ist eine gleichmäßige Hochtonwiedergabe abseits der akustischen Hauptachse höchst willkommen. Obendrein hat sich eine spezifische Konfiguration der Lautstärke und Phasenlage beider Hochtöner zueinander als derart überlegen herauskristallisiert, dass man sich dazu entschieden hat, sie nicht, wie ursprünglich geplant aktiv, sondern passiv zu trennen. Angetrieben wird das Duo von einer 100W-NCore-Endstufe neuster Baureihe von Hypex. Für den Tiefmitteltöner ist eine weitere, im Bridged-Mode betriebene, NCore Endstufe mit 400W zuständig. Vor beiden Endstufen befindet sich jeweils ein D/A-Wandler aus der aktuellen Velvet-Serie von AKM, denen der DSP samt aktiver Weiche zwischen Tiefmittel- und Hochtönern vorgeschaltet ist.


Der DSP-Kern kann digital mit Abtastraten bis 192 Kilohertz bei 24 Bit koaxial via S/PDIF-, optisch per Toslink- oder über AES mit XLR-Buchse angesteuert werden. Ein analoges Signal via XLR oder Cinch kann nach interner Wandlung mit einem AKM-A/D-Wandler ebenfalls verarbeitet werden. Eine mehrfach angefragte Variante, die ausschließlich über analoge Eingänge mit nachgeschalteter A/D-Wandlung verfügt, wird ebenfalls kommen und 1000 Euro günstiger sein. Egal ob digital oder analog angesteuert, es gibt immer einen Master- und einen Slave-Lautsprecher. Ersterer sendet sowohl Steuerbefehle wie beispielsweise die für die interne digitale Lautstärkeregelung, als auch das Signal zum Slave-Lautsprecher. Nutzt man einen Vorverstärker am Analogeingang des Karlsson, ist es möglich, die interne Lautstärkeregelung zu umgehen und die Lautstärke ausschließlich über den angeschlossenen Vorverstärker zu regeln. Um eine zusätzliche Wandlung zu vermeiden, werde ich den Master-Lautsprecher für den Test direkt per AES aus meinem Mutec-Reclocker speisen, der vom Melco-Server mit Audiodaten gefüttert wird. Wie ich bereits bei meinem Besuch in der Lyravox-Manufaktur feststellen konnte, wirken sich verschiedene digitale Zuspieler durchaus unterschiedlich auf die Wiedergabe der Lautsprecher aus, weshalb die Qualität selbiger nicht unerheblich ist. Götz hat immer zwei offene Ohren für Produkte auf dem HiFi-Markt, die besonders gut mit den Lyravox Lautsprechern harmonieren könnten und wartet diesbezüglich mit dem ein oder anderen Tipp auf. Wer sich also nicht mit anderen Komponenten auseinandersetzen möchte, kann sich von Götz einfach eine passende Lösung servieren lassen. Was Experimentierfreudige natürlich nicht davon abhalten soll, selbst nach dem idealen Spielpartner für die Karlssons zu suchen.

Endlich ist es so weit: Hausbesuch von Lyravox. Normalerweise kostet die Einmessung vor Ort 1000 Euro extra, ich habe das Privileg, diesen Service für den Test kostenfrei genießen zu dürfen – leider mit dem Nachteil, die Lautsprecher auch wieder abgeben zu müssen. In meinem Hörraum machen sich die Karlssons nach dem Auspacken aus den praktischen Flightcases optisch sofort gut. Die schwarzen Abdeckungen der Treiber dominieren nebst dem Lyravox und Hamburg Schriftzug in eleganten Silberlettern die Front des Karlssons. Das ist industrieller Chic, wie er im Buche steht. Der weiße Kunststein ist weder matt, noch ultra-hochglänzend und perfekt verarbeitet. Da eine andere Wandfarbe als weiß für meinen Geschmack Spielkram ist – für optische Belebung sorgen bei mir Gemälde und die interessanten Hügellandschaften von Diffusoren –verschmelzen die Karlssons vollständig mit ihrer Umgebung. Aber auch in farbenfrohe Wohnumgebungen werden sich die Karlssons gutmütig einfügen. Die Abdeckplatte der Elektronik auf der Rückseite, die im Betrieb leider nie sichtbar sein wird, setzt einen Akzent in Kupfer. Sogar die Anschlusspins der Kaltgerätebuchsen bestehen aus Reinkupfer. Wieder wird der Detail-Perfektionismus der Hamburger deutlich. Die Fernbedienung aus Aluminium zur Laustärkeregelung, Quellen- und Presetwahl ist eher unspektakulär, aber gleichermaßen hochwertig. Die Lautsprecher wurden in der Manufaktur bereits ausreichend eingespielt, damit sich die Treiber so weit setzen konnten, dass eine langzeitstabile Einmessung möglich ist. Dies ist gängige Praxis für alle Modelle von Lyravox.

Während Jens noch unterwegs ist, um die passenden Lautsprecherständer zu organisieren, haben Götz und ich Zeit, die Lautsprecher zu verkabeln und warm zu spielen. In Ermangelung eines passenden Ständers fungieren kurzerhand die Flightcases als solche. Für die Stromversorgung der Lautsprecher nutzen wir Boaacoustic-Evolution-BLACK.power-16 Kaltgerätekabel. Als AES-Verbindung zum Master-Lautsprecher und die Weitergabe des Signals von dort an seinen Slave-Spielpartner via S/PDIF kommen eigene Kabel von Lyravox zum Einsatz. Ich kann nicht widerstehen, den kleinen Karlssons erste Töne zu entlocken. Bereits in dieser eher ungünstigen, viel zu niedrigen Aufstellung zeigen die Lautsprecher ihre Qualitäten. Linearität, Räumlichkeit, Impulstreue in Referenzqualität – schon jetzt. Es ist keine große Kunst zu erahnen, dass sie, perfekt aufgestellt und eingemessen, traumhaft spielen werden. Jens trifft mit den Ständern ein. Die ideale Lautsprecherposition ist schnell gefunden. Die beiden Lyravox-Chefs kennen ihren Lautsprecher aufs genauste, und ich weiß um die Eigenheiten meines Raumes. So ist nicht allzu viel Rumprobieren von Nöten und die Karlssons landen in einer Nahfeldaufstellung mit einer Breite von etwa 1,7 Metern. Dies ist auch der Abstand beider Lautsprecher zum Hörplatz, auf welchen sie leicht eingedreht sind. Da Hoch- und Tiefmitteltöner nebeneinander angeordnet sind, kann durch verschiedene Eindrehwinkel der ideale gemeinsame Phasenverlauf der beiden Treiber gefunden werden. Der Wandabstand beträgt etwa 70 Zentimeter. Die von Jens durchgeführte Messung belegt, dass uns die Aufstellung gut gelungen ist. Es gibt kaum große Löcher im Frequenzgang und die raumbedingten, nicht zu vermeidenden Überhöhungen halten sich in Grenzen. Sie fallen tatsächlich moderater aus, als ich es von meinen eigenen Lautsprechern gewohnt bin.


Da ich das gesamte DSP-Thema selbst höchst interessant finde, lasse ich Jens nicht einfach machen, sondern sehe mir genau an, wie er die Frequenzverläufe beider Lautsprecher misst und auf den Raum anpasst. Wie gezielt er mit wenigen Klicks in den Filterparametern die jeweiligen Problemfrequenzen in den Griff bekommt, verdient den einen oder anderen anerkennenden Blick. Er selbst sagt, er sei gut in Übung, schließlich hätte er die letzten Tage einige Systeme in Vorführungen bei Kunden eingemessen. Alle Lautsprecher seien nach der Vorführung beim Kunden geblieben. Dies spricht für sich. Jens und Götz haben es aber nicht nötig, damit hausieren zu gehen. Solch ein Detail wird mal eben lässig in einem Nebensatz erwähnt. Gleichermaßen beachtlich wie Jens‘ Fertigkeit an der Filterkurve ist, wie folgsam die Lautsprecher auf die gemachten Änderungen reagieren, denn das Ergebnis ist ein überraschend glatter Frequenzverlauf ohne den Einsatz zu vieler oder gar extrem aggressiver Filter. Im Bassbereich bügelt Jens eine dominante Überhöhung nicht vollständig glatt, da meine Ohren an diese Eigenheit des Raumes gewöhnt sind. Wenn man es an dieser Stelle übertreibt, kann die Wiedergabe zunächst sehr ungewohnt klingen. Nach einem ersten kurzen Hörtest bitte ich Jens allerdings noch ein klein wenig gegenzusteuern und vom Bassberg noch etwas mehr abzutragen. Die Lautsprecher quittieren dies sofort mit der Offenbarung weiterer Details im Bass-, ja sogar im Tiefbassbereich – diese Entscheidung stellt sich im weiteren Testverlauf als goldrichtig heraus.

Nachdem alles eingemessen ist und Götz und Jens sich verabschiedet haben, beginne ich sofort mit der ersten Hörsesession – und es fällt auf, dass nichts auffällt. Die Karlssons spielen in Perfektion. Nichts, stört, nichts fehlt, ich genieße einfach nur Musik – unmittelbar, emotional und auf verdammt hohem Niveau. Dies macht die Stückeauswahl für die Klangbeschreibung unheimlich schwierig. Normalerweise kristallisieren sich im Testverlauf immer Stücke heraus, die einige Fähigkeiten der Testobjekte besonders eindrucksvoll hervorheben. Im Falle der Karlssons könnte ich aber jedes x-beliebige Stück meiner Musiksammlung nutzen oder wochenlang von Qobuz streamen, die Lautsprecher garantieren immer ein fantastisches Erlebnis.

Da der Artikel dabei etwas lang werden würde, entscheide ich mich doch für ein Stück. „Kirken, Den Er Et Gammelt Hus“ des Tord Gustavsen Trios vom Album The Other Side in 96/24, gestreamt von Qobuz, ist das erste überhaupt von mir auf den Karlssons gehörte Stück. Wie das gesamte Album zeichnet es sich durch seine klangmalerische Musikalität und Fragilität aus. Die Aufnahmequalität ist, typisch für das Label ECM, enorm hoch. Diese Aufnahme dient wunderbar dazu, die Fähigkeiten zur Raumabbildung der Karlssons zu beleuchten, schließlich ist die Raumkomponente eines der liebsten Gestaltungsmittel von Produzent Manfred Eicher. Ganz ruhig und verhalten schleicht sich Bassist Sigurd Hole von improvisatorischen Tönen in ein rhythmisches Raster, welches bereits Vorbote für den Einsatz des Schlagzeugers Jarle Vespestad ist. Erst nachdem das rhythmische Fundament steht, lässt Tord Gustavsen fein dosierte Klavierklänge ertönen. Die Reihenfolge des Auftritts entspricht auch der Positionierung der Instrumente in der imaginären Bühnentiefe. Der Kontrabass steht eher im Hintergrund, Bass- und Snare-Drum ebenfalls. Ihre Aktionsebene ist deutlich hinter den Lautsprechern zu lokalisieren. Die Becken sind weiter vorne zu vernehmen und nochmals ein gutes Stück weiter vorne folgt das Klavier. Diese Klangebene liegt gefühlt ein gutes Stück vor den Lautsprechern. Trotz des geringen Hörabstands ist sie keineswegs aufdringlich oder an den Lautsprecher gebunden, sondern transportiert die Klavierklänge frei, mit einer großen Ruhe und Selbstverständlichkeit. Wie die Karlssons dieses Album reproduzieren, löst einfach nur Begeisterung aus. Die Musik trägt mich davon, in die Eicherschen Sphären, und die Zeit scheint still zu stehen, so wie beim Betrachten eines interessanten Gemäldes. Karlssons beachtliche Fähigkeit zur räumlichen Darstellung, besonders in dieser sehr kompakten Aufstellung, ist fantastisch. So präzise, ausgewogen aber dennoch großzügig und weitläufig habe ich die Raumdarstellung in meinem Hörraum noch mit keinem anderen Lautsprecher erlebt. Besonders gut gefällt mir, dass die Raumillusion nicht zu Lasten der Abbildungsschärfe von Instrumenten geht. Beide Fähigkeiten ergänzen sich perfekt. Jedes einzelne Instrument ist klar im Raum auf voller Stereobreite positioniert und spielt dabei mit großer Ausdehnung, ohne je unnatürlich, zerfasert, diffus oder fehl am Platze zu wirken. Dass besonders der Frequenzgang in den ersten Hörminuten keinerlei Auffälligkeiten aufweist, liegt schlicht und ergreifend daran, dass er derart gleichmäßig ist. Kein Frequenzbereich wird durch einen anderen maskiert, die Karlssons spielen vollkommen verfärbungsfrei, bei weitem aber nicht charakterfrei oder emotionslos, wie es DSP-Systemen nicht selten nachgesagt wird. Im Gegenteil, die Karlssons agieren unheimlich energetisch, mitreißend und gerade wegen des ausgewogenen Frequenzgangs entlocken sie jedem Instrument eine individuelle und facettenreiche Klangschönheit. Dies liegt ohne Frage nicht nur an der Einmessung, sondern vor allem an der Konzeption sowie der hochwertigen Bestückung und Fertigung der Karlssons. Der glatteste Frequenzgang hilft überhaupt nichts, wenn Gruppenlaufzeit und Impulsantwort der Lautsprecher total daneben sind, die Treiber viel zu früh verzerren, die Endstufen an ihrem Leistungslimit arbeiten oder ähnliches. Steingehäuse, Treiberwahl und deren Einbindung und Ansteuerung mit den Digitalendstufen nebst hochwertigem Wandler machen die Karlssons überhaupt erst zu diesem leistungsfähigen Lautsprecher, dem mit der Raumanpassung die Krone aufgesetzt wird. Je länger ich im Testverlauf mit den Karlssons höre, desto deutlicher wird dies. Jedes musikalische Genre steht ihnen, in dieser Hinsicht spielen sie uneingeschränkt unselektiv, aber eben doch immer mit Charakter und Gefühl. Jedes Album, das ich höre, wird ungeachtet der Aufnahmequalität zum Erlebnis. Natürlich klingen gut produzierte Alben besonders gut, logisch, aber eben auch durchschnittliche Produktionen lassen ungeahnte Qualitäten erkennen. Für mich ist dies eine der wichtigsten und, ehrlich gesagt, beeindruckendsten Fähigkeiten der Karlssons. Ein Lautsprecher, der auch einer verhältnismäßig platt-komprimierten Pop-, Rock- oder Metal-Produktion derart viel Dynamik, Raum, Klangfarben sowie Rhythmus zu entlocken vermag, beflügelt eine perfekt gemachte Aufnahme erst recht.


Deutlich wird dies auch bei Rimsky-Kosakovs Scheherazade der Berliner Philharmoniker und Herbert von Karajan. Die digitale Ausgabe in 96 Kilohertz und 24 Bit spiele ich direkt vom Melco-Server. Die Aufnahme klingt vergleichsweise wenig aufpoliert und eher unspektakulär, mit den Karlssons aber wird klar, dass sie in Sachen Natürlichkeit anderen „Hochglanzausgaben“ durchaus überlegen ist. Die Entfaltung der Klangeigenschaften einzelner Instrumente könnte ich mir nicht treffender wünschen. Geigen klingen lebendig, markig und dürfen ihren wahren Klangcharakter, der eben nicht immer nur seidig glatt, sondern durchaus auch mal etwas rau und scharf ist, voll ausleben. Die Bässe hingegen runden das Klanggeschehen mit ganz viel Wärme und Einfühlungsvermögen nach unten ab. Die von ihnen produzierten sehr langen Schallwellen stehen förmlich im Raum und erreichen mich sogar mit ihrem Körperschallanteil. Und dies, obwohl ihre Wellenlänge eigentlich überhaupt nicht in meinen Raum passt und ich mit der Lautstärke durchaus noch Rücksicht auf meine Nachbarn nehme. Der gesamte Bassbereich wird vollkommen ansatzlos und extrem schnell abgebildet – nach wie vor eine sehr beeindruckende Fähigkeit der Karlssons. Klarinetten, Oboen und Fagotte faszinieren durch ihre Griffigkeit und den großen Fokus ihres Klangfarbenreichtums, der sie gut eingebunden im gesamten Orchesterkörper erstrahlen lässt und ihre Melodien besonders ergreifend macht. Flöten wird eine große Leichtigkeit beschert und sie schweben geradezu durch ihre Melodieläufe. Pauken und große Trommel erklingen sehr akzentuiert und entgegen den Kontrabässen trocken, Becken sind nicht nur als Klangpunkt, sondern regelrecht als Klangkörper wahrnehmbar. Blechbläser schmettern ihre Klänge geradezu in den Hörraum. Der großen Dynamik der Aufnahme werden die Karlsson absolut gerecht und ich attestiere ihnen ohne Bedenken uneingeschränkte Klassik-Tauglichkeit!

Schlussendlich gilt natürlich noch herauszufinden, wie die Karlssons mit Stimmen umgehen. Dazu höre ich eine meiner Lieblingsbands Epica und ihre mir stimmlich sehr vertraute Sängerin Simone Simons mit der Ballade „Rivers“, die aus dem aktuellen Album Omega als ungewöhnlich ruhig heraussticht. Ein Finale mit E-Gitarren und Schlagzeug lassen sich die Niederländer trotzdem nicht nehmen. In meinem Hörtest steht dieses Stück synonym für alle erdenklichen Alben verschiedenster Musikrichtungen, die einfach „ganz normal“ und gut, aber eben nicht überragend produziert wurden. Das Stück beginnt mit extrem verhallten und verfremdeten Schlagzeug- und Klavierklängen. Die tiefen Trommelschläge kommen unheimlich schnell, ansatzlos und sehr tief daher. Wieder frage ich mich, woher die Karlssons dieses Volumen nehmen. Besonders reizvoll dabei ist, dass der Tiefbassanteil am untersten Ende des Frequenzspektrums nicht im Geringsten von Raumresonanzen maskiert wird, sondern ganz deutlich hörbar ist. Größere Lautsprecher liefern zwar mehr spürbaren Druck, stehen sich damit aber oft selbst im Wege, und diese feine, hörbare Komponente des Tiefbasses geht im Donner unter. Der Karlsson geht hier mit ganz viel Fingerspitzengefühl ans Werk und lässt diesen Anteil des Frequenzspektrums unglaublich geschmeidig und harmonisch mit dem musikalischen Geschehen verschmelzen – eine Ausnahmefähigkeit und wahrscheinlich das erste Mal, dass ich einen kleinen Lautsprecher ausdrücklich wegen seiner besonderen Fähigkeiten im Bassbereich wählen würde und nicht, weil er einem größeren Lautsprecher „nur“ in nichts nachsteht. Aber ich schweife ab, schließlich wollte ich mich zur Stimmwiedergabe äußern. Sie erhält trotz der Linearität des Frequenzgangs in den unteren Mitten einen subtilen, sehr angenehmen und natürlichen Schwung Wärme. Obere Mitten- und Hochtonanteile verhalten sich im Besten Sinne unauffällig und vermitteln genau das richtige Maß an Luftigkeit und Durchsetzungsvermögen. Es wird an keiner Stelle übertrieben, damit der Lautsprecher beispielsweise besonders frisch oder spritzig klingt. Somit suche ich nach artifizieller Härte vergeblich. Außerdem beweisen die Karlssons, dass sie sich bestens auf Detailreproduktion verstehen. Denn es fällt auf, dass die Stimme nicht ganz so frei und unbeschwert im Raum steht, wie es mit anderen Aufnahmen durchaus möglich ist. Im Direktvergleich sind die Karlssons in dieser Disziplin meinen Studiomonitoren von Neumann haushoch überlegen, obwohl auch diese, nach einer Frequenzgangkorrektur meinerseits, ähnlich linear spielen und Detailreproduktion eigentlich ihr Hauptjob ist. Solch feine Unterschiede können mit den Neumännern nur unter großer Anstrengung wahrgenommen werden. Ein glatter Frequenzgang allein ist eben nach wie vor noch nicht das ganze Geheimnis. Die Charakteristika einer jeden Aufnahme sind mit den Karlssons vollumfänglich durchhörbar, ohne dass sich die Karlssons dabei in irgendeiner Art und Weise aufdrängen. Was vom Produzenten vorgesehen wurde, wird einfach wertungsfrei und mit einer unnachahmlichen Leichtigkeit wiedergegeben. Und selbst wenn, wie auch in diesem Fall, kleine Unzulänglichkeiten einer Aufnahme aufgedeckt werden, bleibt das Hörvergnügen konstant überdurchschnittlich hoch.


Karlsson ist ein herausragender Lautsprecher, sowohl für den HiFi-Liebhaber als auch den Toningenieur. In meinen Augen hat er das Rennen um den perfekten, noch kompakten Aktivlautsprecher eindeutig für sich entschieden. Dass er in meinem doch recht kleinen Raum derart gut funktioniert, mit ihm geradezu eine Symbiose eingeht, habe ich allerdings trotzdem nicht erwartet. Er beweist, dass es doch möglich ist, in einer akustisch anspruchsvollen und platztechnisch eingeschränkten Umgebung Referenzklang in allen Frequenzbereichen zu produzieren. Die Philosophie von Lyravox geht auf. Die Musik steht uneingeschränkt im Vordergrund. Ist Karlsson einmal gut positioniert und eingemessen im Hörraum platziert, muss man sich um nichts mehr Gedanken machen, sondern kann sich auf puren Musikgenuss freuen. Das Einzige, was mich wirklich stört, ist dass ich aktuell keine 16.000 Euro übrig habe. Ansonsten wäre der Karlsson, ohne dass ich ein zweites Mal nachdenken müsste, der Lautsprecher meiner Wahl für mein HiFi-Zimmer.

STATEMENT

„Schade, schon vorbei?“ ist der Gedanke, der mir am Ende eines jeden gehörten Albums durch den Kopf geht. Viel zu kurzweilig, unaufdringlich und gleichzeitig unheimlich aufregend und vital macht Karlsson das Musikerlebnis, als dass mir die Laufzeit eines Albums wirklich wie auf dem Booklet angegeben vorkommt. Räumlichkeit, Dynamik sowie Detailreproduktion sind vollkommen unabhängig vom musikalischen Genre auf Referenzniveau. Die uneingeschränkte Gleichberechtigung aller Frequenzbereiche, nicht zuletzt durch die professionelle Anpassung des Frequenzgangs auf den jeweiligen Hörraum, machen den Karlsson zu dem Aktivlautsprecher im Kompaktformat schlechthin. Um es in einem Wort zusammenzufassen: Perfektion.
Gehört mit
Computer ThinkPad 470s, Intel i5-6300U @ 2,4GHz, 12GB DDR4-RAM @ 2400MHz, Windows 10 (Roon, foobar2000)
Router & Zubehör Fritzbox 7530, Netgear ProSAFE GS108 (mit Keces P3)
Server Melco N1 AH 60/2
Reclocker Mutec MC-3+ USB
DAC Mytek Brooklyn DAC+ (mit Ferrum HYPSOS), Soncoz SGD1 (mit ifi iDefender+)
Pre-Amp Violectric Pre V630
Endstufe NAD C 275BEE, IOTAVX PA3
Lautsprecher Magnat Quantum 807, Neumann KH 120 A
DAP HiBy R6 (HiBy Music App, BubbleUPnP, Qobuz), Smartphone Motorola One Zoom, 128GB, 4GB RAM, Android 9 (BubbleUPnP, Qobuz, HiBy Musikapp)
Kopfhörerverstärker iFi Micro iDSD Black Label
Kopfhörer Sennheiser HD 800 s
In-Ears & Zubehör Vision Ears VE6 X2, Etymotic ER4SR, iFi IE-Match
Kabel Boaacoustic, Sommer, Intona, Furutech, Audioquest, Belden, Glockenklang/Eupen
Herstellerangaben
Lyravox Karlsson
Frequenzgang 23 - 42.000 Hz
Konstruktionsprinzip 2 Wege plus Ambience-Tweeter, Bassreflex (rückseitig)
Leistung 400W Tiefmittelton und 100 W Hochton pro Kanal, Hypex NCore
D/A- und A/D-Wandler AKM Velvet
Digitaleingang AES/EBU (XLR), S/PDIF (Coax und Toslink) (jeweils maximal 192 Kilohertz bei 24 Bit)
Digitalausgang AES/EBU (XLR), S/PDIF (Coax) - through
Analogeingang XLR, Cinch
Analogausgang XLR - through
Gehäuse Kunststein, interner Helmholtz-Absorber
DSP Bietet Speicherplatz für bis zu drei Einmessungen
Hochtöner Accuton Cell C25-6-158
Ambience-Hochtöner AMT L50 ab 5 Kilohertz
Tiefmitteltöner Accuton Cell C168-6-890
Innenverkabelung OCC Kupfer
Empfohlene Raumgröße 6-25 m² (bei normaler Wohnraumhöhe)
Maße (B/H/T) 35/23/31 Zentimeter
Gewicht 19 Kilogramm
Garantie 3 Jahre auf Elektronik, 5 Jahre auf Mechanik, 10 Jahre Ersatzteilgarantie
Preis Karlsson 16.000 Euro
Einmessung 1.000 Euro

Hersteller
Lyravox Gerätemanufaktur GmbH & Co. KG
Anschrift Jaffestraße 6
21109 Hamburg
Telefon +49 40 320897980
E-Mail info@lyravox.de
Web lyravox.com

Viewing all articles
Browse latest Browse all 2396