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Cayin CS-6PH

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Bereits seit mehr als 25 Jahren entwickelt Cayin Röhrenverstärker. Jetzt bringen die Chinesen mit dem CS-6PH einen brandneuen Phono-Vorverstärker auf den Markt, der neben aufwendigen Röhrenschaltungen für MM und MC und vielfältigen Einstellmöglichkeiten sogar über eine mit Glaskolben realisierte Spannungsgleichrichtung verfügt.

Ich hatte mich vor der Lieferung des Geräts noch gar nicht näher mit dessen Details beschäftigt und wusste eigentlich nur, dass es sich um eine brandneue Röhren-Phonovorstufe von Cayin handelte, nicht einmal eine Preisindikation hatte ich im Kopf. So war ich bereits beim Auspacken des Geräts positiv überrascht, als ich ein für diese Geräteklasse wuchtiges Gerät in Händen hielt, das immerhin über elf Kilogramm wog und annähernd über die Grundfläche eines DIN A3 Blattes verfügte. Das hatte ich nicht erwartet! Nach dem Entfernen des obligatorischen Schutzgitters wollte ich das Röhrenensemble in Augenschein nehmen, aber nix da. Gleich sechs mit Bajonettverschluss gesicherte Abschirmhülsen zum Schutz vor Mikrofonieeffekten verdeckten mir den Blick auf die Objekte meines Interesses. Aber wozu denn gleich sechs kleine Glaskolben? Ich hob mir die Beantwortung dieser Frage für später auf und verzichtete zunächst darauf, die kleinen Schutzhülsen sofort abzuziehen. Denn am linken Rand des Röhrenaltars saßen zwei weitere, größere Röhren ohne Abdeckung, nämlich die RCA 22DE4, zwei Gleichrichterröhren zur Spannungsgleichrichtung für die Minimierung von Restwelligkeiten, die auch heute noch günstig als New Old Stock Ware verfügbar sind.

 

Jetzt hatte ich wirklich Blut geleckt, denn eine kanalgetrennte Röhrengleichrichtung ließ schon mal auf einen hohen Aufwand in der Netzteilsektion schließen. Tatsächlich setzt Cayin hier selbst entwickelte EI-Leistungstransformatoren ein. Überhaupt war der haptische Eindruck hervorragend: Dicke Bleche, nichts wackelte, nichts klapperte, das Gehäuse war verwindungssteif, es gab keine scharfen Kanten, erstklassige Verarbeitungsqualität! Spätestens jetzt war meine Neugier zu groß geworden und ich entfernte die kleinen Bajonetthülsen von den anderen Röhren. Nun erschienen drei Röhrenpärchen, nämlich jeweils 12AT7 (ECC81), 12AX7 (ECC83) und 6922 (ECC88), allesamt kleine Doppeltrioden, die in hochwertigen Keramiksockeln steckten und nicht wie so oft zu beobachten etwa in billigen Ausführungen aus Kunststoff. Im Inneren erfolgt der Aufbau mithilfe separater, blitzsauber gefertigter Platinen für die einzelnen Sektionen und Baugruppen.


Die 6922 stammt aus neuer Fertigung von Electro Harmonix und kümmert sich um die MC-Verstärkung. Das ist bemerkenswert, denn viele Hersteller scheuen die Umsetzung einer aktiven Verstärkerstufe für die schwachen MC-Signale und setzen hier standardmäßig zum Beispiel kleine Übertrager ein, die das Signal einfach auf MM-Niveau hieven. Nicht so Cayin, die Chinesen gehen den mutigen, aufwendigen Weg, das verdient wirklich Anerkennung. Die zwei 12AX7 von JJ Electronics sind für die MM-Verstärkung beziehungsweise die RIAA-Entzerrung zuständig und die beiden 12AT7 von Electro Harmonix bilden die Ausgangsstufe. Insbesondere bei diesen drei Doppeltrioden-Pärchen eröffnet sich eine Spielwiese für Tube Roller, die womöglich über eigene New Old Stock Gläser dieser Röhrentypen verfügen und munter ausprobieren, ob sich klanglich noch etwas herauskitzeln lässt. Natürlich konnte ich es nicht sein lassen und kramte in meinem Fundus nach diversen alten Glaskolben. Schließlich stöpselte ich unter anderem alte ECC81 von Amperex, CV492 (ECC83) von Tungsram, JAN 12AX7WA von GE beziehungsweise ECC83 von Siemens und Amperex ein – alles Röhren, die ich eigentlich für meinen Almarro liegen habe. Die spätere Klangbeschreibung bezieht sich zwar ausschließlich auf das Setup mit den von Cayin ausgelieferten Röhren, aber an dieser Stelle sei mir schon einmal der Hinweis erlaubt, dass das Gerät so gut ist und über so viel Klasse verfügt, dass Klanggourmets den Einsatz guter NOS-Röhren unbedingt goutieren werden und dieses schlummernde Potenzial werden heben wollen.

Alle wesentlichen Bedienelemente befinden sich auf der wahlweise in Schwarz oder Silber erhältlichen Frontblende. Per Knopfdruck wird zwischen MM- und MC-Tonabnehmer ausgewählt. Der Verstärkungsfaktor liegt bei standardmäßigen 40 Dezibel für magnetische Tonabnehmer. Für unempfindlichere Tondosen mit bewegten Spulen erlaubt ein weiterer Druckschalter die Wahl zwischen praxisgerechten 57, 61 oder 65 dB. Ergänzend befindet sich auf der rechten Seite der Front ein größerer Drehschalter für die Wahl der passenden Impedanz für MC-Tonabnehmer. Hier hat man die Auswahl zwischen 47, 100, 200, 470 oder 1000 Ohm, was für alle MC-Lebenslagen passen dürfte. Ergänzend gibt es noch einen Rumpelschalter auf der Vorderseite, der zum Beispiel bei verwellten Platten ein probates Mittel darstellen kann, per Tiefpassfilter potenziell zu hohen Membranauslenkungen der Tieftöner vorzubeugen. Alle elektronischen Schalter merken sich beim Ausschalten des Geräts übrigens die letzten Einstellungen, so müssen diese bei der nächsten Hörsession nicht wieder neu vorgenommen werden. Das alles ist sehr komfortabel für Musikhörer, die auch mal schnell zwischen unterschiedlichen Tonabnehmern wechseln wollen: Ein Aufschrauben des Gehäuses zum fummeligen Umschalten und Anpassen der korrekten Werte für den verwendeten Tonabnehmer per Mäuseklavier ist hier nicht notwendig. Nur mal so nebenbei bemerkt: Dies wäre ein komfortseitig perfektes Gerät gerade für den Alltag von HiFi-Redakteuren!

Ausgangsseitig stellt der CS-6PH in Richtung Verstärker sowohl einen symmetrischen als auch einen unsymmetrischen Anschluss bereit, vom Plattenspieler kommend geht es allerdings nur unsymmetrisch per Cinch-Stecker in die Phonostufe hinein, und zwar separat für MM und MC. Ach ja, der liebe Preis: Cayin ruft für seinen CS-6PH Phono-Vorverstärker 2.500 Euro auf, was mir angesichts des technisch Gebotenen schon fast günstig erscheint. Für vergleichbaren Fertigungsaufwand und Materialeinsatz müsste man für ein Gerät aus europäischer Produktion gewiss ein doppelt so hohes Preisschild erwarten, wenn man denn damit auskäme.


Nach dem Einschalten gewährte ich dem Cayin zunächst eine volle Stunde zum Aufwärmen und Akklimatisieren, bis ich denn die ersten Platten auflegte. Normalerweise sind die Röhren ja nach circa zwanzig Minuten sowieso voll da, allerdings handelte es sich bei meinem Gerät um ein fabrikfrisches Teil, das ohnehin noch nicht eingespielt war. Das „Einbrennen“ nagelneuer Geräte ist für mich übrigens ein immer wieder spannender Effekt: Ich finde es faszinierend, wie Geräte von Stunde zu Stunde spürbar klanglich zulegen und ihren akustischen Grauschleier nach und nach ablegen. So verhielt es sich auch mit Cayins CS-6PH. Nach gut einer Woche und ungefähr dreißig Betriebsstunden konnte ich schließlich keine signifikanten Veränderungen mehr feststellen und der Charakter der Phonovorstufe offenbarte sich vollends. Ein wesentliches Merkmal war für mich das kräftige und stabile Tieftonfundament, auf dem alles aufbaute. Basstöne kamen gleichwohl wuchtig, aber auf eine fast musikalische, spielerisch anmutende Weise federnd daher, dabei eher schnell als von abgrundtiefer Schwärze geprägt. Hier möchte ich einen technischen Grund nennen und erklären, dass ich ganz klar das stabile, offenkundig astrein ausgelegte Netzteil im Verdacht habe, für diese außergewöhnliche Tieftonperformance verantwortlich zu sein. Das hat so viel Spaß gemacht, dass ich etliche kultige 12“-Scheiben der Electronic-Helden Depeche Mode aus längst vergessen geglaubten Plattenregalecken herauszog. „Precious“ (Mute Records, 2005) oder „Shake the Disease“ (Mute Records, 1985) kamen mit richtig schön fetten Bässen daher, das war schon regelrecht süchtig machend und der Lautstärkepegel häufig nahe der Schmerzgrenze… Wow!

Aber es ging natürlich auch feinsinniger und das Hochtonspektrum sowie der für den Stimmenbereich so wichtige Mittelton standen den untersten Oktaven in nichts nach. Wenn die viel zu früh verstorbene Sängerin der Cranberries, Dolores O´Riordan, „Ode to my Family“ (No Need to Argue, Island Records, 1994) oder „Linger“ (12“, Island Records, 1993) sang, war das von Herz öffnender Feinsinnigkeit geprägt. Subtilste Nuancen und Sibilanten ihrer Stimme wurde wie auf dem Präsentierteller herausgearbeitet, zwar nicht euphonisch, aber weit entfernt von harter Analytik.

Überhaupt erschien mir die CS-6PH ungemein akribisch und detailversessen zu sein. Sehr genau schälte sie feinste und auch leise, eher im Hintergrund befindliche, subtil ausschwingende Töne heraus. Das gelang wohl auch deshalb so gut, weil das Gerät völlig frei von Störgeräuschen und Artefakten agierte, was für eine blitzsaubere schaltungstechnische Auslegung spricht. Auch ohne Signal bei komplett aufgedrehtem Pegelregler war das wahrnehmbare Grundrauschen auf außerordentlich niedrigem Niveau. Hauptsächlich hörte ich mit dem MM-Tonabnehmer Pro-Ject Pick it PRO, der ja von Haus aus mit dem Debut PRO ausgeliefert wird und auch unter dem Namen Ortofon 2M Silver bekannt ist. Aber natürlich probierte ich auch eine MC-Tondose aus, und zwar das Ortofon Quintet Red, um dem MC-Zweig des Cayin auf den Zahn zu fühlen. Und auch hier zeigte sich das erfreulich niedrige Rauschniveau der Phonostufe. Für das Quintet Red war ein Verstärkungsfaktor von 57 dB völlig ausreichend, bei 61 oder 65 dB nahm das Rauschniveau minimal zu.


Das klangliche Farbniveau über das gesamte Hörspektrum ließ sich in meiner Wahrnehmung eher auf der silbrigen, denn auch der gülden-warmen Seite ansiedeln. Allerdings möchte ich nochmals klar betonen, dass diese Phonovorstufe keine kühle Analytikerin ist, sondern all die subtilen Details in den Dienst der Musik stellt. Rhythmisch sauber und spielerisch leicht geht sie zu Werke, wie sich auch bei „All I want is you“ von U2 zeigte (Rattle and Hum, Island Records, 1988). Dieses grandiose Stück aus U2s Joshua-Tree-Phase war von einer ungemein intensiven inneren Spannung geprägt und gleichzeitig erschien es mir so lässig dahinzugleiten, wie ich es selten vorher gehört habe.

STATEMENT

Die Cayin CS-6PH ist eine Komponente wie gemacht für Vinylliebhaber, die zusammen mit ihrer Plattensammlung wieder auf musikalische Entdeckungsreise gehen wollen. Diese Röhren-Phonovorstufe ist sehr komfortabel, flexibel und praxisgerecht in den Optionen zur Anpassung sowohl von MM- als auch MC-Tonabnehmern, wobei das Preisschild die klanglichen Meriten Lügen straft. Wer klanglich mehr will, müsste schon richtig tief ins Portemonnaie greifen und hebt lieber das volle Potenzial durch den Einsatz von NOS Röhren. Vinyl-Herz, was willst Du mehr?
Gehört mit
Vollverstärker Almarro A205A MkII
Plattenspieler Pro-Ject Debut PRO + Plattenpuck PRO
Tonabnehmer Pro-Ject Pick it PRO, Ortofon Quintet Red
Lautsprecher Dynamikks! Model 12
Zubehör Dynamikks! Speakerlink I, Phono NF-Kabel Pro-Ject Connect-it RCA-E
Möbel Hi-Fi Racks Ltd
Herstellerangaben
Cayin CS-6PH
Geräteart Phono-Vorverstärker
Ausgangsspannung MM: 200mV (20V max.)
MC: 200mV (20V max.)
Verstärkungsfaktor MM: 40dB
MC: 57dB/61dB/65dB
Klirrfaktor (THD) MM: 0,05% (1kHz)
MC: 0,1% (1kHz)
Fremdspannungsabstand MM: 85dB (A-Gewichtung)
MC: 70dB (A-Gewichtung)
Eingänge 2 x RCA (MM, MC)
Eingangsimpedanz MM: 47kOhm
MC: 47/100/200/470/1000Ohm
Eingangsempfindlichkeit (RMS) MM: 2,5mV (200mV, 1kHz)
MC: 0,12mV-0,25mV (200mV, 1kHz)
Eingangskapazität MM: 47pF/100pF
MC: 56pF
Ausgänge 1 x RCA, 1x XLR
Ausgangsimpedanz 800Ohm (RCA)
600Ohm (XLR, symmetrisch)
Röhrenbestückung 2x Electro-Harmonix 6922EH/ECC88
2x JJ 12AX7/ECC83S
2x Electro-Harmonix 12AT7EH/ECC81
2x RCA 22DE4
Gehäusefarbe schwarz
Frontblende Silber oder Schwarz
Abmessungen (B x T x H) 360mm x 310mm x 177mm
Gewicht 11,5kg
Maximale Leistungsaufnahme 62W
Preis 2500 Euro

Vertrieb
Cayin Audio Distribution GmbH
Anschrift An der Kreuzheck 8
61479 Glashütten-Schloßborn
Telefon +49 6174 9554412
Fax +49 6174 9554424
E-Mail info@cayin.com
Web www.cayin.de

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