Nach dem Test zu Beginn des Jahres stand für mich fest, was mein aktueller Traum-Kopfhörer ist: Der Dan Clark Audio Stealth ist nicht nur der bestklingende Magnetostat, den ich je gehört habe, sondern dank seiner geschlossenen Bauform auch noch universell einsetzbar. Jetzt kommt eine offene Variante.
Bisher habe ich unter anderem beim Audeze LCD-X(C) die Erfahrung gemacht, dass geschlossene Kopfhörer nicht ganz das klangliche Niveau ihres offenen Gegenstücks erreichen. Kein Wunder, dass ich nachhaltig beeindruckt war, als mir dann ein geschlossenes Modell begegnete, das alles bisher Gehörte in den Schatten stellte. Da gibt es schlicht keine Notwendigkeit mehr, in einen offenen Kopfhörer mit bestem Klang und einen weiteren geschlossenen beispielsweise für eigene Aufnahmen in recht lauter Umgebung zu investieren. Spontan habe ich erwogen, meine beiden Audezes zu veräußern und einen Stealth zu erwerben – wozu ich mich dann aber doch nicht durchringen konnte.
Dan Clark gelang es, den Stealth so ausgewogen, offen und luftig klingen zu lassen, indem er ihn mit dem neu entwickelten und inzwischen zum Patent angemeldeten Acoustic-Metamaterial-Tuning-System – oder kurz AMTS – ausstattete. Das befindet sich zwischen der Membran und dem Ohr und vereint Wellenleiter, Diffusionskontrolle, Viertelwellen- und Helmholtz-Resonatoren in einer kompakten Struktur: Die Resonatoren fungieren sowohl als Präzisions- als auch als Breitbandfilter, die den Frequenzgang glätten und formen, indem sie die Amplitude der Frequenzgangspitzen und -senken vom Mitteltonbereich bis zu den höchsten Frequenzen verringern. Die Diffusionselemente sollen die Ausbildung stehender Wellen verhindern. Das AMTS sorgt also vorrangig dafür, dass mittlere bis hohe Frequenzen linear, präzise und detailliert wiedergegeben werden. Natürlich kommt das AMT-System auch beim neuen Expanse, der offenen Variante des Stealth, zur Anwendung. Das gilt genauso für den von Dan Clark für den Stealth entwickelten magnetostatischen Treiber, der eine um 20 Prozent größere Fläche besitzt als derjenige, der im Ether2 zum Einsatz kommt. Beim Stealth/Expanse-Treiber wird die Membran mit einem neuen System befestigt, das für eine gleichmäßigere Spannung und somit für geringere Verzerrungen sorgt. Darüber hinaus soll Dan Clarks bewährte und patentierte V-Planar-Technologie den Klirrfaktor reduzieren und die Tieftonwiedergabe verbessern.
Dass in Stealth und Expanse die gleichen Treiber Strom in Schall wandeln, bedeutet aber leider auch, dass dem neuen offenen Kopfhörer der gleiche Nachteil anhaftet wie dem geschlossenen Modell: ein niedriger Wirkungsgrad. Der verhindert zum Beispiel, wie ich im Artikel über den Stealth erwähnte, dass dieser an Kopfhörerausgängen gängiger Mischpulte oder auch dem der Nagra VI nicht betrieben werden kann. Aber wer in einen extrem hochwertigen Kopfhörer investiert, dürfte auch die Ausgaben für einen kräftigen Kopfhörerverstärker nicht scheuen. Abgesehen von der beim Expanse optisch ansprechend gestalteten, offenen Gitterstruktur auf der Rückseite der Ohrmuschel unterscheiden sich die beiden Kopfhörervarianten in ihrem mechanischen Aufbau nicht. Das heißt, dass auch der relativ leichte Expanse sehr lange Zeit bequem und ermüdungsfrei zu tragen und dank der ausgeklügelten Konstruktion des Kopfbügels für den Transport sehr platzsparend zusammen klappbar ist. Ein kompaktes, schön gestaltetes Case gehört auch hier zum Lieferumgang.
Expanse bedeutet übrigens: Weite, Ausdehnung, Raum. In der Broschüre zum neuen Modell führt Dan Clark aus, dass die offene Variante die Darstellung einer noch größeren Klangbühne möglich machen soll: „Expand Your Soundstage.“ Carsten Hicking, einer der Inhaber des deutschen Dan-Clark-Audio-Vertriebs audioNEXT, hatte mir die noch recht spärlichen Informationen und einen Expanse freundlicherweise schon vor der offiziellen Produktvorstellung zukommen lassen, so dass ich den nagelneuen Kopfhörer fast eine Woche einspielen lassen konnte – manchmal sogar 24 Stunden am Tag. Gespeist wurde er dabei von Chord Electronics' HUGO, der teils per USB mit einem MacBook Pro verbunden war, das die Files von Apple Music bezog, teils mit dem angedockten 2go, bei dem die Musik-Files auf einer Micro-SD-card abgelegt waren. Exakte technische Angaben lagen mir beim Verfassen des Textes nicht vor, so dass ich auf die Daten des Stealth zurückgegriffen und sie, wo nötig, geändert habe.
Da die Treiber im Expanse und dem Stealth – wie erwähnt – die gleichen sind, kann ich mir Experimente mit verschiedenen Kopfhörerverstärkern sparen und das neue offene Modell gleich mit dem SPL Phonitor x hören, der harmonierte auch ganz hervorragend mit Dan Clarks geschlossenen Top-Modell. Der SPL bezieht seine analogen Signale von der Digital-Kette im Arbeitszimmer. Um mich ein wenig einzuhören, genieße ich erst Abdullah Ibrahim & Ekayas Sotho Blue und danach Albert Mangelsdorffs Music For Jazz Orchester. Auch wenn letztere einige freie Passagen enthält, geraten die ersten anderthalb Stunden mit dem Expanse zum Genuss: Der Kopfhörer ist auch längere Zeit genau so angenehm zu tragen wie sein geschlossenes Pendant. Noch wichtiger: Es stellen sich auch keine akustischen Ermüdungserscheinungen ein. Die Musik fließt entspannt und kommt mit einer solchen Natürlichkeit rüber, dass man sich über die an ihrer Reproduktion beteiligten Geräte schlicht keine Gedanken mehr macht. Einen guten Teil zu diesem Wohlfühl-Erlebnis trägt auch die Tatsache bei, dass der Expanse eine Menge Details enthüllt und dabei emotional so ansprechend spielt, dass man selbst bei recht moderaten Lautstärken zu keinen Zeitpunkt versucht ist, den Regler des Phonitor weiter nach rechts zu drehen.
Ohne einen direkten Vergleich kann ich schon jetzt sagen, dass mich der Expanse genauso stark für sich einnimmt, wie zuvor der Stealth, den ich erst kürzlich beim Test des Cen.Grand 9i-92SA II wieder hören konnte. Mit dem hatte „Overture – Communion“ von Ruta And Daitya, dem Duo-Album von Keith Jarrett und Jack DeJohnette, jede Menge Spass gemacht. Das ist beim Expanse auch nicht anders: Die Bass Drum wirkt so realistisch, dass man glaubt, sie sehen zu können. Dazu kommen die verzerrten, mit einem Wah-Wah veredelten Sounds des Fender Rhodes: musikalisch und klanglich grandios. Ebenso faszinierend ist das Titelstück, bei dem Jack DeJohnette an den Congas und Keith Jarrett an der Flöte zu hören ist. Der Wechsel zum Stealth verändert den Klang nur marginal. Bei beiden Stücken wirken die Räume nun einen Hauch kleiner, bei „Ruta And Daitya“ scheint sich auch Höhe die Aufnahmeumgebung ein Stückchen verringert zu haben. Die Congas haben über den Stealth etwas wenig Punch, dafür gefällt mir die Bass Drum beim geschlossenen Modell minimal besser.
Da der Unterschied zwischen den beiden Dan Clarks laut Hersteller vor allen in der Raumanmutung liegen soll, höre ich den ersten Satz von Mahlers Symphony Nr. 3 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons, das ja in natürlicher Akustik aufgenommen wurde. Wenn man sich auf den – für mich bei Kopfhörern immer ein wenig schwierig zu beurteilenden – Raumeindruck konzentriert, kann man eindeutig feststellen, dass beim Expanse die Instrumente ein wenig mehr Luft umgibt. Bei Stealth ist Klangbild eine Spur kompakter. Bei Lautsprechern würde man unterscheiden, ob sich das musikalische Geschehen nur zwischen ihnen abspielt oder in Teilen auch noch neben ihnen zu orten ist: Der Expanse erzeugt eine minimal breitere – und bei sehr guten Aufnahmen auch höhere – Abbildung. Das dürfte für wahre Kopfhörer-Aficionados das entscheidende Argument für den Expanse sein.
Ob mit ein wenig mehr oder weniger Luft um die Instrumente: Das packende Zusammenspiel von Slap-Bass, Drums und einer neunköpfigen Bläser-Sektion macht eine Menge Spaß, wenn der Schallwandler dynamisch auf der Höhe und in der Lage ist, tiefe, druckvolle und saubere Bässe zu reproduzieren. Wie „Silly Putty“ von Stanley Clarks Album Journey To Love beweist, lässt der Expanse in beiden Disziplinen nichts anbrennen. Diesen Spaß gönne ich mir dann noch einmal mit dem Stealth. Doch der ist nun ein wenig weniger intensiv als mit dem offenen Dan Clark. Warum ich bei dieser nicht gerade audiophilen Studioproduktion auf einmal einen Hauch Luft und Weite vermisse, ist mir nicht so richtig erklärlich. An mangelnder Einspielzeit beim Expanse dürfte es nicht gelegen haben. Hatte ich beim ersten Vergleich einfach einen größeren Unterschied erwartet oder hat inzwischen der Gewöhnungseffekt an die leichten klanglichen Vorteile des Expanse eingesetzt und es ist wie immer schwieriger vom auch nur einen Hauch besseren zum immer noch sehr guten zurückzukehren?
Bei „Deep As Love“ vom Album Changing Places des Tord Gustavsen Trios probiere ich es deshalb andersherum. Ich beginne mit dem Stealth und wechsele dann zum Expanse. Und nun funktioniert es auch in diese Richtung: Ein wenig mehr Atmen des Raumes, seine scheinbar größere Höhe und eine noch einen Tick mehr fließende Wiedergabe sprechen hier für die offene Konstruktion.
STATEMENT
Expanse und Stealth sind wirkliche High-End-Schallwandler: In Sachen tonaler Stimmigkeit, Natürlichkeit und Tragekomfort nehmen sie eine Ausnahmestellung ein. Ein schneller Vergleich wird keine großen Unterschiede zwischen den beiden offenbaren. Wer aber sich aber einmal längere Zeit an die minimal luftigere und weiträumige Spielweise des Expanse gewöhnt hat, wird sie nicht mehr missen wollen.
Gehört mit
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Computer | MacBook Pro 16“, macOS Monterey 12.5.1 |
NAS | Melco N1Z/2EX-H60 mit externem Audiaz-Linearnetzteil, WDMyCloud |
Streamer | Auralic G2.1 mit 2TB SSD |
Up-Sampler | Chord Electronics Hugo M-Scaler mit Ferrum Hypsos |
D/A-Wandler | Chord Electronics DAVE mit Linearnetzteil |
LAN-Switch | Ansuz PowerSwitch D-TC Supreme |
Kopfhörerverstärker mit / ohne DAC | SPL Phonitor x, Chord Electronic HUGO 2, Audioquest DragonFly Cobalt, Lotoo PAW S2 |
Kopfhörer | Audize LCD-X, Sendy Audio Peacock |
Kabel | Goebel High End Lacorde Statement, Audioquest Dragon HC, Tornado (HC), Ansuz Digitalz D-TC Supreme und Mainz D2 |
Zubehör | AHP Klangmodul IV G, Audioquest Niagara 5000 und 1200, Synergistic Research Active Ground Block SE, HMS-Wandsteckdosen, Blockaudio C-Lock Lite, Artesania Audio Exoteryc, Audio Exklusiv Silentplugs, ADOT Medienkonverter (2x) mit Keces P3 und SBooster BOTW P&P Eco MKII, Singlemode-Duplex-Lichtwellenleiter, Waversa Isolator-Ext1 (2x) |
Herstellerangaben
Dan Clark Audio Stealth
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Treiber | 72 x 50mm, planarmagnetisch (Magnetostat) |
Treiber-Matching | 0,25db, gewichtet von 20-10.000Hz |
Harmonische Verzerrungen | weniger als 0,03%, 20-20.000Hz, 1kHz bei 94db |
Kopfband | Nickel-Titanium |
Gehäuse | Aluminium |
Ohrpolster | synthetisches Wildleder und Leder |
Gewicht | 415g |
Preis | 5.000 Euro |
Vertrieb
audioNEXT GmbH
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Anschrift | Isenbergstraße 20 45130 Essen |
Telefon | 0201 5073950 |
info@audionext.de | |
Web | www.audionext.de |