Ein Kopfhörerverstärker von Audeze, dem kalifornischen Spezialisten für Magnetostaten, ist per se hochinteressant. Für ein Gerät zum Preis von fast 5000 Euro ohne symmetrischen Ausgang gilt das allerdings eher weniger. Schließlich gab der Name des Entwicklers den Ausschlag für die Beschäftigung mit The King.
Dabei ist der Name des Kopfhörerverstärkers zumindest ein Wortspiel, wenn nicht gar ein Wink mit dem Zaunpfahl: Die Schaltung hat nämlich Bascom H. King erdacht, ja genau der, der auch die wirklich überragenden Endstufen von PS Audio entwickelt hat, die in der Typenbezeichnung seine Initialen tragen, die BHK Signature 300 Amplifier – und die ich nach der Rückgabe an den Vertrieb in meiner Kette noch immer schmerzlich vermisse. Es war übrigens gar nicht so einfach, The King beim deutschen Vertrieb loszueisen, denn momentan sind die Verstärker recht rar, da Audeze sie bisher nicht in ausreichender Stückzahl fertigen lassen kann. Wie bei Bascom A. King nicht anders zu erwarten, ist auch seine Kreation für Audeze ein Hybrid-Design: In jeder der beiden Eingangsstufen arbeitet eine E88CC-Doppeltriode, dann folgen eine Differenzial-Treiberstufe mit P-MOSFETs und die Ausgangsstufe mit NPN-MOSFETs, die im Class-A-Betrieb sechs Watt Musikleistung an 20 Ohm zur Verfügung stellen soll. Zwischen Eingangs- und Ausgangsstufe sorgt eine Servoschaltung dafür, dass trotz des Verzichts von Kondensatoren im Signalweg so gut wie keine Gleichspannungsanteile im Ausgangssignal enthalten sind.
Die Signalplatinen sind kanalgetrennt aufgebaut und jeweils an einer Seitenwand des Gehäuses montiert. In dessen Mitte residiert ein überdimensionierter Ringkerntrafo. Dessen Wicklungen sind mit Epoxy-Harz vergossen, und er ist zur Schirmung in Metall gekapselt. Da es im Gehäuse recht eng zugeht, sind auch die Signalplatinen mit Ausnahme der Röhren und die Netzteilplatine mit pulverbeschichteten Lochblechen geschirmt. Das Netzteil besitzt getrennte Spannungsregler für den rechten und linken Kanal und stellt eine symmetrische Versorgungsspannung von 316 Volt zur Verfügung. Die einzige nicht geschirmte Platine befindet sich hinter der recht dicken Frontplatte und dient der Anzeige der Lautstärke, die natürlich vom Wirkungsgrad des angeschlossenen Kopfhörer abhängt. Das Display des King wurde auf die Effektivität von Audezes Topmodell, den LCD-4, mit 97 Dezibel pro Milliwatt kalibriert. Diesen Traumkopfhörer habe ich leider für den Test nicht mehr zur Verfügung. Aber als sich abzeichnete, dass Kopfhörer und die entsprechenden Verstärker auch langfristig ein Thema bleiben würden, habe ich im letzten Jahr als persönliche Referenz einen Audeze LCD-X erworben.
Der LCD-X hat allerdings einen um sechs Dezibel höheren Wirkungsgrad als der Vierer und fordert den King in puncto Leistung nicht wirklich. Und obwohl ich nicht unbedingt ein Leise-Hörer bin, gelang es mir gerade einmal kurzzeitig, die vierte oder fünfte grüne LED im Display zum Aufflackern zu bringen. Der höhere Wirkungsgrad des LCD-X bringt einen aber nicht nur um die beeindruckenden Lichtspiele des King, zur denen auch ein recht kurzer Peakhold, also die zusätzliche Anzeige des gerade erreichten Spitzenpegels für einen Moment, gehört, sondern lässt einen etwa an späten Abendstunden bei völliger Stille der Umgebung einen so eben wahrnehmbaren Brumm hören – allerdings nur, wenn kein Programm läuft. Schon das geringste Rauschen des Tonträgers maskiert dieses Geräusch, das beim LCD-4 mit seiner um sechs Dezibel niedrigeren Empfindlichkeit nicht mehr auszumachen sein dürfte.
Eigentümlicherweise sind die Stücke, die ich bei der Beschäftigung mit Lautsprechern und Kopfhörern nahezu automatisch aussuche, nicht völlig identisch: Bei letzteren liegt der Anteil an Rock deutlich höher – vielleicht, weil ich abends vor dem Einschlafen hin und wieder gern mal in Nostalgie schwelge und mir per Kopfhörer auch Rockigeres anhöre. Einer der ersten Songs, der über den King erklang, war jedenfalls Van Morrisons „Big Time Operator“ vom Album Too Long In Exile: Unglaublich, wie locker, entspannt, klangfarbenreich und auch extrem detailreich The King dieses wohlvertraute Stück rüberbringt. Da bleibe ich gern noch ein wenig bei Van Morrison: So griffig und irgendwie plastisch habe ich auch die Instrumente auf „Whatever Happened To PJ Proby?“ noch nie über einen Kopfhörer empfunden. Ja, ich bin mir sicher, dass ich solche Klangunterschiede bei der Wiedergabe ohne klare Vorne-Ortung vor drei, vier Jahren nicht für möglich gehalten habe. Da hat mich der Audeze schon ein gutes Stück weit sensibilisiert. Vielleicht war der Qualitätsunterschied zwischen den gewohnten Schallwandlern in guter akustischer Umgebung und den damals verwendeten Kopfhörern einfach zu groß.
Zu einer einzigen Schwelgerei in Klangfarben, Details wie Griffgeräuschen und reichlich Studioeffekten machen die beiden Audezes auch Pat Methenys „Ferry Cross The Mersey“ vom Album One Quiet Night. Bei Nancy King und Glen Moores Version von „Ode To Billy Joe“ bekomme ich dann sogar eine recht überzeugende Illusion des Aufnahmeraumes präsentiert: Ich mir sicher, dass der Gastmusiker Rob Scheps mit seinem Saxophon ein Stückchen nach hinten rechts versetzt hinter der Sängerin und dem Bassisten steht. Und natürlich faszinieren die Audezes auch wieder mit einer enormen Farbigkeit. Dazu kommt hier eine ungeheure rhythmische Intensität und – dank der Absenz jeglicher Klangeffekte – ein hohes Maß an Natürlichkeit. Kommen wir zu einigen der vertrauten Testscheiben, wie beispielsweise dem ersten Teil von Keith Jarretts Köln Concert: Hier überrascht sehr positiv, dass trotz der Menge an Details der Präsenzbereich niemals auch nur einen Hauch von Härte aufweist: The King verbindet auf ideale Weise allerbeste Durchzeichnung und tonale Geschmeidigkeit. Damit garantiert er langes, ermüdungsfreies Hören. Beim enorm dichten Perkussionsgeflecht auf Arild Andersons „If You Look“ gefällt die außergewöhnlich gute Durchhörbarkeit und Feinzeichnung in Kombination mit den dynamischen Fähigkeiten. Dennoch wirkt die Wiedergabe zu keiner Zeit hektisch oder gar nervös. Ich bin mir sicher, dass ich nie zuvor so intensiv und dennoch entspannt über einen Kopfhörer Musik genossen habe.
Für alle, denen diese Aussage dann doch zu pauschal ist, habe ich den King mit dem großartigen Bryston BHA-1 verglichen. Der besitzt einen symmetrischen Ausgang und den habe ich auch verwendet. Die Verbindung zum LCD-X stellte wie beim King eines der serienmäßigen Audeze-Kabel her, beim King logischerweise ein unsymmetrisches Klinkenkabel. Und was die Musikauswahl anbelangt, höre ich auf, wie ich angefangen habe: mit Van Morrisons „Big Time Operator“. Da nützt auch die symmetrische Ansteuerung der magenetostatischen Wandler nichts. Im Vergleich mit der des King fehlt es der Wiedergabe des Bryston an Durchzeichnung, dieser griffigen Plastizität und der Luftigkeit, die trotz der fehlenden Vorne-Ortung schon stark in Richtung Räumlichkeit tendiert. Der Bryston ist eben ein halbwegs erschwingliches, komplett ausgestattetes, sehr gut klingendes Arbeitsgerät, The King eine puristische, aber dennoch luxuriöse hochpreisige Genussmaschine – bei der das Preis/Klang-Verhältnis dennoch völlig in Ordnung geht.
STATEMENT
So gut wie mit The King und dem LCD-X habe ich noch nie über einen Kopfhörer Musik gehört. Was muss da erst mit dem LCD-4 möglich sein? Auch Bascom H. Kings Kopfhörerverstärker für Audeze ist wieder ein Meisterstück. Ich wüsste nicht, was man seinem LCD-Magnetostaten – und sich selbst – besseres gönnen könnte als diesen King!
Gehört mit
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NAS | Melco HA-N1ZH60, WDMyCloud |
Streaming Bridge | Auralic Aries Femto mit SBooster BOTW P&P Eco |
D/A-Wandler | Chord DAVE |
Plattenspieler | Brinkmann LaGrange mit Röhrennetzteil |
Tonarm | Thales Simplicity, AMG 12JT Turbo |
Tonabnehmer | Lyra Olympos, Transrotor Tamino |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (sym) |
Kopfhörerverstärker | Bryston BHA-1 |
Kopfhörer | Audeze LCD-X, Titan |
Kabel | HMS Gran Finale Jubilee, Swiss Cables Reference Plus, Goebel High End Lacorde, Habst Ultra III, Audioquest Diamond und Carbon |
Zubehör | PS Audio Power P5, Sun Leiste,Audioplan Powerstar, HMS-Wandsteckdosen, Acapella Basen, Acoustic System Füße und Resonatoren, Finite Elemente Pagode Master Reference Heavy Duty und Cerabase, Harmonix Real Focus, Audio Exklusiv Silentplugs |
Herstellerangaben
Audeze The King
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Ausgangsleistung | 6W an 20 Ohm mit weniger als 0,1% Verzerrungen |
Frequenzgang | 10Hz-100KHz, -0,1dB |
Totale Harmonische Verzerrungen | weniger als 0,1%, 20Hz-20KHz, bei max. Leistung |
Fremdspannungsabstand | -120dB, A gewichtet |
Ausgangsimpedanz | 0,3 Ohm |
Eingangsimpedanz | 10 Kiloohm |
Stromversorgung | 110-120V, 50/60Hz; 220-240V, 50/60Hz; extern umschaltbar |
Leistungsaufnahme | 30W maximal |
Abmessungen (B/H/T) | 300/110/325 mm |
Gewicht | 9 kg |
Preis | 4800 Euro |
Vertrieb
audioNEXT GmbH
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Anschrift | Isenbergstraße 20 45130 Essen |
Telefon | 0201 5073950 |
info@audionext.de | |
Web | www.audionext.de |