Der neue EVO 100 Tube Phono Preamplifier von PrimaLuna gehört zur Premium-Baureihe „Evolution“ des Herstellers und wartet mit einer Reihe interessanter technischer Merkmale wie Röhrengleichrichtung oder Softstart-Funktion auf. Das kann für den aufgerufenen Preis keinen Vinyl-Fan mit einem Faible für Röhrentechnik kalt lassen.
Wer beim Namen PrimaLuna an ein kleines italienisches Örtchen in der Lombardei denkt, liegt völlig richtig, allerdings schreibt es sich ohne Binnenmajuskel. Mit großem „L“ handelt es sich um den niederländischen Hersteller von Röhren-HiFi-Geräten mit dem Mond-Logo: prima luna bedeutet im Italienischen erster Mond oder Vollmond. Die Firma wurde 2003 von Herman van den Dungen gegründet mit der Philosophie, erschwingliche, aber dennoch hochwertige Produkte anzubieten. Er holte dazu Marcel Croese von Goldmund sowie Dominique Chenet von Jadis in sein Team, unterstützt von Röhren-Guru Kevin Deal. Nicht die schlechtesten personellen Voraussetzungen also für dieses Unterfangen.
Auf seiner Webseite untermauert PrimaLuna seinen Ansatz, der explizit für den EVO 100 Tube Phono Preamplifier gilt, wie folgt: „Der Ausgangspunkt bei der Entwicklung dieses Modells war die Bedienelemente und Funktionen so spezifisch wie möglich zu halten - keine speziellen Funktionen für nur eine ausgewählte Anzahl von Benutzern. Gerade die Möglichkeit, einen Plattenspieler anzuschließen und für diesen angeschlossenen Plattenspieler (sprich: Tonabnehmer) die möglichen Einstellungen so einfach wie möglich zu gestalten. Je nachdem, ob man sich für ein MM- oder ein MC-System entscheidet, kann man im Falle des MM-Systems weitere Einstellungen bezüglich der Last, der Verstärkung und der Kapazität vornehmen. Hohe Klangqualität, einfache Bedienung.“ Das hätte so auch aus meiner Feder stammen können, bin ich doch niemand, der aus dem Abschluss eines Tonabnehmers eine Wissenschaft macht, vielmehr liebe ich jede Form von Plug and Play.
Nach 20 Jahren hat sich PrimaLuna längst als feste Größe im Markt etabliert, da braucht es von Zeit zu Zeit durchaus Highlights, um wieder etwas auf sich aufmerksam zu machen, nach dem Motto: Wer nicht wirbt, der stirbt. Die Niederländer schicken sich also an, hierzu diese neue Phono-Vorstufe von Stapel zu lassen, die es aus meiner Sicht für vergleichsweise moderate 3500 Euro in sich hat. Gerade bei Phono-Vorstufen sind stabile Spannungsverhältnisse enorm wichtig, und genau hier betreibt PrimaLuna einen sehr hohen Aufwand: In der Netzteilsektion erfolgt die Gleichrichtung kanalweise per 5AR4 Röhre und jedem Kanal wird zusätzlich noch eine EL34 Pentode zur Leistungsstabilisierung spendiert. Der MM-Zweig verfügt über insgesamt vier 12AX7 Doppeltrioden, und nein, der MC-Eingang wird nicht mithilfe eines Step-Up-Übertragers realisiert, sondern aktiv mit zwei kleinen 6922 Doppeltrioden, die sich in einer rückwärtig zugänglichen, gesondert per Stahlblech abgeschirmten Box befinden. Die trauen sich was, diese Niederländer! Denn gerade hochempfindliche MC-Signale können sich bei unsauber ausgeführter aktiver Verstärkung schnell jede Menge Rauschen und Störsignale einhandeln. Aber so viel vorab: Das hat der EVO 100 schaltungstechnisch ganz offensichtlich perfekt im Griff.
Überhaupt sieht das hervorragend verarbeitete Gerät für meinen Geschmack vor allem in der Ausführung mit der schwarzen Frontplatte todschick aus. Alle Knöpfe auf der Front sind optisch symmetrisch angeordnet. Das belüftete Stahlblechchassis mit seiner Fünffach-Lackierung klappert nicht, alles ist sehr solide und stabil gestaltet, die Haptik stimmt also und mit knapp 13 Kilogramm Gewicht ist dieses Gerät schon fast eine kleine Wuchtbrumme. Dieses No-Nonsense Konzept setzt sich auf der Rückseite nahtlos fort: Neben der obligatorischen Netzbuchse sowie der Erdungsklemme gibt es genau einen Eingang und einen Ausgang, beide als Cinch-Anschluss ausgeführt. Das nenne ich mal schnörkellos ohne viel Schnickschnack. Aber seien wir mal ehrlich: Wer braucht auch schon symmetrische Ein- und Ausgänge?! Ich ignoranter Technik-Banause jedenfalls nicht. Ach ja, eine Fernbedienung gibt es übrigens auch nicht. Finde ich super! Die Dinger verlegt man ohnehin nur, je mehr man davon rumliegen hat. Und ist der Tonabnehmer einmal angepasst, gibt es am Gerät ohnehin nichts mehr rumzufummeln. Einschalten, ausschalten, fertig.
Die innere Aufbau ist genauso blitzsauber gestaltet wie der äußere. Kleine lokale Platinen beherbergen die einzelnen Baugruppen beziehungsweise Schaltungen, ansonsten ist alles „Punkt zu Punkt“ handverdrahtet. Die Bauteile selbst sind alle sehr hochwertig, unter anderem setzt PrimaLuna Kondensatoren von DuRoch und Nichicon ein. Die Röhren sind allesamt mit einer Softstart-Funktion versehen, so dass sie sich erst einmal in Ruhe aufwärmen können, bevor sie nach einigen Augenblicken mit der vollen Spannung beaufschlagt werden, was die Röhrenlebensdauer erheblich verlängert. Und sollte sich das Gerät einmal überhitzen – was ich mir anders als bei Leistungsverstärkern hier nur schwer vorstellen kann – , unterbricht ein interner Wärmesensor die Stromversorgung und das Gerät kühlt sich ab.
Um dem Gerät nun endlich auch gehörmäßig auf den Zahn zu fühlen, bereitete ich neben dem MM-System Ortofon 2M Silver auch das MC-System Ortofon Quintet Red vor. Für letzteres erwies sich ein Verstärkungsfaktor von 56 Dezibel in meinem Setup als ideal. Erstaunlicherweise konnte ich in allen drei MC-Verstärkungsstufen (52, 56 und 60 Dezibel) so gut wie keine Unterschiede beim Rauschniveau wahrnehmen, was ein Beleg für die blitzsaubere und erstklassig geschirmte MC-Schaltung ist, denn eigentlich bin ich davon ausgegangen, bei 52 Dezibel Verstärkung den niedrigsten Rauschteppich zu erleben und bei 60 Dezibel den höchsten. Bemerkenswert!
Da es sich beim EVO 100 um ein brandneues Modell in PrimaLunas Portfolio handelt, ging ich davon aus, dass es bei der Übergabe an mich noch nicht eingebrannt war und nach dem Einschalten gewährte ich dem Gerät zunächst eine volle Stunde zum allgemeinen Aufwärmen und Akklimatisieren, bis ich die ersten Platten auflegte. Normalerweise sind Röhren zwar nach circa 20 bis 30 Minuten voll da, aber auch sie brauchen zunächst eine generelle Burn-in-Periode. Tatsächlich konnte ich auch erst nach einer guten Woche und ungefähr 50 Betriebsstunden keine signifikanten Veränderungen des klanglichen Charakters mehr feststellen.
Ein wesentliches Merkmal des PrimaLuna EVO 100 war das überaus stabile und kräftige Tieftonfundament, auf dem das gesamte Klangbild aufbaute. Tiefbässe kamen wuchtig, aber dennoch schön konturiert und auf eine spielerisch anmutende Weise federnd daher. Klares Charakteristikum war dabei eine von mir eher subjektiv empfundene Schnelligkeit denn eine etwaige abgrundtiefe Schwärze – der PrimaLuna fand hier die perfekte Balance. Aus meiner Sicht gibt es einen handfesten technischen Grund für diese Qualität: Das stabile und offenkundig erstklassig ausgelegte Netzteil mit seinen EL34-Stabilisatoren steht für mich im Verdacht, maßgeblich für diese außergewöhnliche Tieftonperformance verantwortlich zu sein.
Festmachen ließ sich dies mit etlichen alten 12“-Scheiben der kultigen Electronic-Helden Depeche Mode, die ich aus bereits verbuddelten Plattenkisten hervorkramte. „Precious“ (Mute Records, 2005) oder „Shake the Disease“ (Mute Records, 1985) kamen mit richtig harten elektronischen Bässen daher, das war regelrecht süchtig machend bei bereits sehr hohen Zimmerlautstärken. Herrlich! Aber der EVO 100 lässt sich natürlich nicht auf eine platte, vordergründige Spaßmaschine reduzieren, künstliche, fette Bässe können andere womöglich sogar noch effekthaschender.
Überhaupt ließ sich das klangliche Farbniveau über das gesamte Hörspektrum in meinem Setup eher auf der goldig-angenehmen, denn auch der silbrig-kühlen Seite ansiedeln, unabhängig ob ein MM oder ein MC spielte. Diese Phonovorstufe ist alles andere als eine kühle Analytikerin, stellt aber dennoch alle subtilen Details dar und stellt sie in den Dienst der Musik. Der EVO 100 geht rhythmisch sauber und spielerisch leicht zu Werke, wie sich auch bei „All I want is you“ von U2 zeigte (Rattle and Hum, Island Records, 1988). Dieses von mir immer wieder gern gehörte Stück aus U2s Joshua-Tree-Phase war von einer ungemein spannenden Intensität geprägt und floss gleichzeitig lässig dahin: Das vermögen nur ganz großartige HiFi-Komponenten. Genau an dieser Schnittstelle hört für mich HiFi auf und fängt High End an.
Aber auch im Hochtonspektrum ging es außerordentlich feinsinnig zu und der für den Stimmenbereich so wichtige Mittelton stand den untersten Oktaven qualitativ in nichts nach. Wenn die leider sehr jung verstorbene Sängerin der Cranberries, Dolores O´Riordan, „Ode to my Family“ (No Need to Argue, Island Records, 1994) oder „Linger“ (12“, Island Records, 1993) sang, war das von enormer Subtilität beim Herausschälen feinster Sibilanten geprägt. Kleinste Nuancen ihrer Stimme wurden wie auf dem Präsentierteller herausgearbeitet, noch nicht euphonisch, aber weit entfernt von harter Analytik. Vielmehr schien es so zu sein, als ob jede einzelne Note, jeder Ton und jede klangliche Verästelung mit einer kleinen Extraportion Energie aufgeladen wurde.
Auch wenn ich jetzt durchaus die Schelte des geneigten Lesers erwarte, ich kann nicht anders, als die fast stereotypen Rock-Barden zu bemühen: Die „Hells Bells“ von AC/DC (Back in Black, Atlantic Records, 1980) hatte ich bisher nicht oft in dieser Form so wahrgenommen. Die fest auf ihren Positionen fixierten Musiker befanden sich in einem überaus großzügig dimensionierten Raum. Alle hatten viel Platz um sich herum, allerdings wirkte die Truppe nie auseinandergerissen, sondern interagierte perfekt und spielte musikalisch aus einem Guss. Vor einem pechschwarzen Hintergrund frei von Artefakten wirkte diese Szenerie wie eine holografische Abbildung der Realität.
Eins sollte man bei dieser Bewertung nicht außer Betracht lassen: Anders als bei großorchestralen Stücken beispielsweise, bei denen erfahrene Konzertbesucher sehr wohl die Authentizität der Wiedergabe hinsichtlich der Raumabbildung beurteilen können, handelt es sich bei diesen Studioaufnahmen um künstliche, zum Teil durch Toningenieure mit Halleffekten erzeugte Räume. Was der eigentlichen Faszination beim Hören aber keinen Abbruch tat.
Auch grob- sowie feindynamisch konnte ich dem PrimaLuna EVO 100 nicht im Geringsten am Zeug flicken. Gleichwohl verspürte ich wenig Ambitionen, typische HiFi-Kriterien, die mir sonst persönlich Orientierung geben, zu erfassen: Spielte die Phonostufe eher analytisch oder euphonisch? War der tonale Charakter eher hell oder dunkel timbriert? All diesen Fragen schien sich dieses Gerät auf eine ganz eigene Art und Weise zu entziehen. Müsste ich seinen grundlegenden Charakter kurz und knapp auf den Punkt bringen, würde ich sagen: Der EVO 100 ist eine extrem spielfreudige Musikmaschine mit holografischer, überaus authentischer Wiedergabe, völlig unabhängig vom Musikmaterial. Dabei gefiel mir der MC-Eingang eine ganz kleine Idee besser als der MM-Zweig, was sich aber auf der rein geschmacklichen Ebene abspielte und auch den unterschiedlichen Qualitäten der Pick-ups geschuldet sein mag; mit anderen Tonabnehmern könnte das Ergebnis womöglich anders ausfallen.
STATEMENT
Wer eine schnörkellose Phono-Vorstufe mit praxisgerechter Ausstattung und ohne viel Schnickschnack sucht, wird mit dem PrimaLuna EVO 100 Tube Phono Preamplifier perfekt bedient. Dieses puristische Röhrengerät wurde mit viel Liebe zum technischen Detail und großem Röhren-Sachverstand auf maximale Klangqualität getrimmt. Kurzum: Diese Phono-Vorstufe besticht durch ein schwer zu übertreffendes Preis-Leistungs-Verhältnis, und sie hat mich klanglich völlig begeistert! Gehört mit | |
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Vollverstärker | Almarro A205A MkII |
Plattenspieler | Pro-Ject Debut PRO + Plattenpuck PRO |
Tonabnehmer | Pro-Ject Pick it PRO, Ortofon Quintet Red |
Lautsprecher | Dynamikks! Model 12 |
Zubehör | Dynamikks! Speakerlink I, Phono NF-Kabel Pro-Ject Connect-it RCA-E |
Möbel | Hi-Fi Racks Ltd |
Herstellerangaben PrimaLuna EVO 100 Tube Phono Preamplifier | |
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Geräteart | Röhren-Phono-Vorverstärker |
Röhren | 2x 5AR4 (Gleichrichtung), 2x EL34 (Stabilisation), 4x 12AX7 (MM), 2x 6922 (MC) |
Max. Ausgangsspannung | 26,3dBV/20,6Vrms |
Verstärkungsfaktor | MM: 40dB, MC: 60dB / 56dB / 52dB |
Klirrfaktor (THD) | <0,40%@2V |
Fremdspannungsabstand | MM: >90dB (A-Gewichtung@23,8dBV), MM: >75dB (A-Gewichtung@6,0dBV), MC: >90dB (A-Gewichtung@23,8dBV), MC: >75dB (A-Gewichtung@6,0dBV) |
Eingänge | 1 x Stereo RCA |
Eingangsimpedanz | MM: 47kOhm, MC: 50 / 100 / 200 / 500 / 1000Ohm |
Eingangskapazität | MM: 47pF / 100pF, MC: - |
Eingangsempfindlichkeit | MM: 2,5mV, MC: 0,104mV |
Abweichung von RIAA-Kurve | <0,5dB (20Hz-20kHz) |
Frequenzgang | 0Hz-20kHz +0/-3dB |
Ausgänge | 1 x Stereo RCA |
Ausgangsimpedanz | 100Ohm@1kHz |
Gehäusefarbe | Anthrazit-Schwarz, Front Silber oder Schwarz |
Abmessungen (B x T x H) | 280mm x 405mm x 190mm |
Gewicht | 12,7kg |
Maximale Leistungsaufnahme | 77W |
Preis | 3500 Euro |
Vertrieb
BESSER DISTRIBUTION GmbH
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Anschrift | Holbeinstr. 8 12205 Berlin |
Telefon | +49 30 856065010 |
info@besserdistribution.com | |
Web | pmc-speakers.com |