Die Little Big Beat Studios in Liechtenstein und ihr Gründer und Geschäftsführer Little Konzett bieten ungewöhnliche intensive Live-Konzerte und technisch heutzutage wohl einmalige analoge Aufnahmemöglichkeiten. Beim Konzert von Thomas D. – und dessen Aufzeichnung – zum zehnjährigen Jubiläum der Studios konnten wir jede Menge Eindrücke sammeln.
Ich muss bekennen, dass ich nur einmal und zwar vor Jahrzehnten ein Stadion-Konzert besucht habe: Die Rolling Stones machten mit ihrer Bridges-To-Babylon-Tour Station im Münchener Olympiastadion: Ein wirklich miserabler Sound und Akteure in der Größe von Playmobil Figuren trugen maßgeblich zu einem unvergesslichen Konzerterlebnis bei – allerdings keinem positiven. Zudem stand das Gebotene in keinem guten Verhältnis zum Eintrittspreis, der damals im Vergleich zu heute ja fast noch als günstig gelten durfte. Unter exorbitanten finanziellen Forderungen der Veranstalter und fehlender Nähe zu den Künstlern haben vor allem Fans allseits beliebter Rock- und Pop-Band zu leiden. Jazzhörer kennen meist einige Spielstätten in der näheren und weiteren Umgebung, wo sie ihren Stars zu angemessenen Preisen relativ nah sein können. Was aber machen beispielsweise Fans der Fantastischen Vier? Die besuchten ein Konzert der ganz besonderen Art ihrer Lieblingsband in den Little Big Beat Studios.
Die Studios liegen in einem äußerlich recht unauffälligen Haus in Eschen in Liechtenstein, nicht weit von der österreichischen Grenze entfernt. Für die Aufnahmen gibt es einen großen Raum, der bis zu 120 Personen Platz bietet, die um die Band herum platziert werden. Die Musiker stehen oder sitzen einander zugewandt in der Mitte des Raumes – ideal für die Kommunikation untereinander. Von dort sind es auch nur kurze Wege zum Regieraum mit seinem 48-kanaligen analogen SSL-Mischpult und einigen sehr gesuchten Studer-Bandmaschinen. Doch bleiben wir noch ein wenig im Aufnahmeraum. Dort gibt es keinerlei Barrieren zwischen Künstlern und Publikum: Näher kann man seinen Idolen als Fan nicht kommen. Allerdings ist das nicht immer eine frontale Begegnung, denn man sitzt – wie gesagt – rund um Band herum.
Auch in Sachen Klang muss man sich von alten Hörgewohnheiten verabschieden. Beim Konzert von Thomas D. beispielsweise gingen die Signale der beiden Keyboards, der Gitarre und des E-Basses nach den Effektgeräten der Musiker direkt ins Mischpult, waren also im Raum nicht hören. Zu vernehmen im Raum war lediglich ein nicht übermäßig heftig gespieltes Schlagzeug und die unverfälschte Stimme des Sängers. Im Regieraum wurde dann neben der Mehrkanalaufnahme auch ein Mix auf zwei Kanäle erstellt, der einerseits als eine Art analoge Sicherheitskopie von einer Studer A812 auf Viertel-Zoll-Band aufgezeichnet und andererseits dem Publikum auf Kopfhörern zugänglich gemacht wurde. Man verfolgte das Konzert über geschlossene Sennheiser-Over-Ears und konnte dabei schon eine Vorstellung davon entwickeln, wie die Musik in etwa von der später produzierten CD, der LP oder – von vielen Produktionen auch angeboten – der Masterband-Kopie klingen würde.
Die bis zu 120 Kopfhörer im Aufnahmeraum lassen sich natürlich nicht individuell in der Lautstärke regeln. Da muss man mit dem Vorlieb nehmen, was vom Kontrollraum vorgegeben wird. Beim ersten Set von Thomas D. passte das auch hundertprozentig. Hätte ich die Möglichkeit gehabt selbst zu wählen, wäre ich bei exakt der gleichen Einstellung gelandet. Bei zweiten Set lag der Pegel dann ein wenig über dem, was ich für mich als Wohlfühllautstärke definieren würden. Eine Einschätzung, mit der ich wohl relativ allein dastand. Die Zuhörer um mich herum wippten nicht nur dezent im Takt, manche packten die Texte und die fetzige, mit einigen feinen Soli von Gitarre und Keyboards im Hammond-Sound garnierte Musik derart, dass sie zu tanzen begannen. Und das hatte natürlich auch wieder einen positiven Einfluss auf die Band. Selbst ein eingefleischter Jazzfan konnte sich der Energie und Emotion dieses so intimen Konzerts nicht entziehen. Die Atmosphäre dieses Studiokonzerts war einfach unglaublich intensiv.
Das hat natürlich auch seinen Preis. Bei den beiden leider schon ausverkauften Incognito-Konzerten gab es beispielsweise sogenannte Early-Bird-Tickets ohne Fingerfood ab 75 Franken. Hungrige Spätentschlossene konnten zum Last-Minute-Ticket mit kleinen Häppchen für knapp 135 Franken greifen – was mir im Vergleich zu den heutigen Preisen von Stadion-Tickets ausgesprochen moderat erscheint. Wer die Idee der Studio-Konzerte im Besonderen und die der überwiegend analogen Produktion von Tonträgern in sehr überschaubaren Stückzahlen im Allgemeinen gut findet und unterstützen möchte, sollte sich ein Premium Supporter Ticket zum Preis von 560 Franken leisten. Dafür bekommt man über eine Stunde vor dem übrigen Publikum Zutritt zum Studio und zum sogenannten Magic Room, der erst als zweite Regie angedacht war, nun aber eine ganz spezielle Akustik aufweist, da ein Freund von Little Konzett dort seine Plattensammlung mit etwa 50.000 LPs untergebracht hat. Laut Discogs-Liste liegt der Wert dieses Vinyl-Schatzes dank vieler gesuchter Erstpressungen, Goldenen Schallplatten und White Labels übrigens bei rund einer Million – da ist es dann schon egal, ob wir von Schweizer Franken oder Euro sprechen.
Die bei Thomas D. knapp 20 Supporter wurden nicht nur von analogen Klängen einer speziell zusammengestellten Anlage willkommen geheißen, sondern auch von Little Konzett, der kenntnisreich eine kleine Einführung in die Aufnahmetechnik gab, wobei die Vorzüge von Analogem und Bandmaschinen keine geringe Rolle spielten. Es schloss sich ein ebenfalls von Studiogründer geführter Rundgang durch die Regie mit dem Aufnahme-Equipment und dem Konzertraum an, wobei sich die Supporter ihren Wunschplatz reservieren durften. In der Pause zwischen den beiden etwa 35-minütigen Sets gab es dann für diese im Magic Room wieder feine Getränke und Fingerfood und vor allem die Gelegenheit, Thomas D. zu treffen, der bereitwillig für Selfies und Autogramme zur Verfügung stand.
Auch wenn die Premium Supporter und Sponsoren ein unverzichtbarer Bestandteil des Finanzierungskonzeptes der Studios sind, legt Little Konzett Wert darauf, dass auch die „normalen“ Konzertbesucher bei der After Show Party Zugang zu Drinks, zur Regie und zum Magic Room sowie die Chance haben, mit den Künstlern in Kontakt zu kommen: ein rundum stimmiges Konzept, das zur Nachahmung anregen sollte. Übrigens: Auch diejenigen, die sich die Tickets nicht leisten können oder wollen oder eine zu weite Anreise hätten, können in den Genuss der wohl einmaligen Konzerte kommen: Ein Video-Team mit aufwändiger technischer Ausrüstung produziert Live-Streams der Events. Streams einzelner Songs sind auch nach den Konzerten noch auf der Homepage (https://www.littlebigbeat.com/videos) abrufbar – und das völlig kostenlos. Vor allem wegen der Termine der zukünftigen Life-Streams kann ich ein Abonnement des Newsletters nur empfehlen.
Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, die Einladung zum Jubiläumskonzert nur wegen der Musik angenommen zu haben. Mich reizte vor allem die technische Ausstattung des Studios, die absolut besonders, wenn nicht gar einzigartig ist. Oder fiele Ihnen der Name eines Studios ein, wo heute noch analoge Aufnahmen mit bis zu 48 Spuren möglich sind? Das gibt es selbst in Abby Road nicht! Little Konzett besitzt zwei Studer A820 24-Spur-Maschinen, die über die Recording Software Pro Tools synchronisiert werden, die übrigens auch für ein digitales Backup benutzt wird. Aber mit der Investition in die bestens gepflegte, schon seit Jahrzehnten nicht mehr produzierte Hardware ist es nicht getan. Es sind auch die enorm gestiegenen Kosten für das 2-Zoll-Bandmaterial, die eine Arbeitsweise wie bei Little Big Beat für die meisten Studios unmöglich macht. Selbst wenn man sich auf eine Bandgeschwindigkeit von 38 Zentimetern pro Sekunde – oder 15 ips – beschränkt, fallen hier für rund 30 Minuten Kosten von knapp 800 Euro an.
Anders als etwa bei Jazz-Produktionen, wie auch sommelier du son sie macht, legen die Musiker populärerer Musik hohen Wert auf höchste Flexibilität bei der Aufnahme: Da trennt den Song vielleicht hier noch eine nicht hundertprozentig getroffene Tonhöhe von absoluter Perfektion, hier könnte man die Gewichtung der einzelnen Instrumente noch minimal verschieben und dort wäre ein wenig mehr oder weniger Hall der letzte Schritt zum Glück. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, spielt Little Konzett oft die analog aufgenommenen Spuren in Pro Tools ein, um ihnen digital den letzten Schliff zu verpassen. Am Ende einer jeden Produktion steht aber in jedem Falle ein Stereo-Mastertape, von dem dann eine Lackfolie geschnitten wird.
Da Hifistatement kein Recording-Fachmagazin ist und dieses Thema nur hin und wieder streift, zwinge ich mich, mit der Schwärmerei über seltenen Tonbandmaschinen, die ebenso umfangreiche wie erlesene Mikrofonsammlung und solch feine Spielzeuge wie die alte Neumann Schneidemaschine in den Little Big Beat Studios aufzuhören. Einige dieser Raritäten präsentieren wir unseren Studiotechnik-affinen Lesern in der kleinen angehängten Fotoschau. Musikfreunden empfehlen wir die bisher noch immer kostenlosen Streams und Live-Streams und, wenn möglich, eines der faszinierenden Studio-Konzerte zu besuchen.
Studio
LITTLE BIG BEAT STUDIOS
|
|
---|---|
Adresse | Little Konzett Essanestrasse 164 9492 Eschen Liechtenstein |
Telefon | +423 798 44 33 |
Web | www.littlebigbeat.com |