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Westend End Audio Systems LEO

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Es war der Anspruch von Westend Audio Systems, mit dem LEO nicht mehr und nicht weniger als den besten 300B-SE-Vollverstärker der Moderne zu entwickeln. Und „den besten“ bezieht sich dabei nicht nur auf die revolutionäre Röhrenschaltung und den überlegenen Klang, sondern auch auf Gehäuse und Ausstattung. Ist ihnen das gelungen?

Zugegeben, ich habe es mir leicht gemacht: Die Einleitung oben entstammt der Beschreibung des LEO auf der Webseite von Westend Audio Systems (im Folgenden kurz Westend), lediglich die Erzählperspektive habe ich auf mich umgemünzt. Und ich könnte es mir im Folgenden noch viel einfacher machen, indem ich meinen kürzesten Testbericht überhaupt schreibe: „Der perfekt verarbeitete Westend LEO klingt ebenso herausragend wie der Western Electric 91E und besitzt die gleichen Entwickler-Gene sowie nahezu identische technische Daten.“ Punkt. Weil das dann aber – zum Glück! – doch nicht ganz zutreffend wäre, möchte ich mit einer kleinen, persönlichen Hintergrundgeschichte beginnen.

Ende der 1980-er Jahre, noch als Teenager, war ich auf der Suche nach einem Vorverstärker. Mein Budget als Schüler war begrenzt und ließ sich nicht mit meinen aus damaligen „Bestenlisten“ einschlägiger HiFi-Magazine abgeleiteten Wünschen in Einklang bringen. Da stieß ich auf eine Anzeige der mir bis dato unbekannten Firma AVM – Audio-Video-Messtechnik GmbH –, die einen Vorverstärker namens „Vorstufe“ für 750 D-Mark im Direktvertrieb anbot. Diesen habe ich mir blind bestellt und ich war begeistert. Auch einige Jahre später blieb ich der Marke treu, als ich mir den Vollverstärker namens „Evolution A1“ mit fetten, verchromten Frontplatten kaufte, ich fand das damals todschick. Gründer von AVM war ein gewisser Günther Mania. Und vorgenannte Frontplatten im Stil von Burmester und Co. bedurften natürlich eines spezialisierten Lieferanten: Hier kommt der Gründer und Geschäftsführer von Westend, Stefan Trog, ins Spiel, er war damals eben jener Spezialist für solche verchromten Frontplatten und aus dieser Zeit rührt auch die Verbindung zwischen ihm und Günther Mania, AVM war damals Trogs erster Kunde.

Zeitsprung, drei Jahrzehnte später. Stefan Trog hat mit Westend Audio Systems längst seine eigene HiFi-Manufaktur gegründet, Günther Mania ist der anerkannte Transistor-Guru in der HiFi-Szene schlechthin und der Autor dieser Zeilen ein längst in die dunkelsten Ecken des Single-Ended-Trioden-Universums abgedrifteter Sonderling. Als kleine Anekdote am Rande durfte dieser Sonderling plötzlich im röhrentechnischen Luxus schwelgen: Tatsächlich war es nicht geplant, sondern wirklich zufällig hatte ich sowohl den eingangs genannten Western Electric 91E als auch den Gegenstand dieses Berichts, den Westend LEO, für einen Test bei mir zu Hause. Anfangs war mir noch gar nicht bewusst, dass sie schaltungstechnisch fast identisch waren und entwicklungstechnisch mit Günther Mania den gleichen geistigen Vater hatten. Aber wie oft kommt es im Leben eines HiFi-Testers wohl vor, zeitgleich zwei derart besondere 300B-Verstärker zu Hause stehen zu haben, die beide mit vierzehn bis zwanzig Watt Ausgangsleistung und lediglich einem 300B-Pärchen spezifiziert sind? Eben.


Der Westend LEO ist ein Röhren-Vollverstärker mit der Triode 300B als Leistungsröhre, der über eine Ausgangsleistung zwischen 14 und 20 Watt verfügt, welche aus lediglich einer 300B pro Kanal generiert wird. Als Eingangsstufe kommt pro Kanal eine ECC81 Kleinleistungsdoppeltriode von Brimar aus den 1950-er-Jahren zum Einsatz. Das Netzteil dagegen kommt ganz ohne Gleichrichter- oder Stabilisationsröhren aus. Der LEO hat vier Line-Eingänge, davon zwei mit Cinch-Buchsen und zwei weitere mit symmetrischen XLR-Eingängen. Phono-Fans freuen sich über einen zwischen MM und MC umschaltbaren Cinch-Phonoeingang, wobei auch die RIAA-Entzerrung ebenfalls ohne Röhren auskommt; zum Anpassen der gewünschten Abschlusswiderstände und Kapazitäten des verwendeten Tonabnehmers gibt es Phono-Load-Buchsen. Außerdem gibt es eine Bluetooth 4.2 Schnittstelle zum Empfang digitaler Formate. Der LEO verwendet Toroidal-Ausgangsübertrager mit jeweils nur einer Wicklung (für vier, acht oder 16 Ohm), welche durch Austausch auf den jeweils verwendeten Lautsprecher angepasst werden müssen. Fix Out stellt das Musiksignal für Aufnahmezwecke bereit und via Pre-Out könnte ich zum Beispiel einen aktiven Subwoofer ansteuern. Der Verstärker bringt 14 Kilogramm auf die Waage und geht für 14.000 Euro über die Ladentheke. Eine hübsche Fernbedienung für alle Funktionen gibt es ebenfalls und last but not least ist die gesamte Verarbeitung schlichtweg herausragend. Ganz einfach perfekt.

Schaltungstechnisch gibt es beim LEO einige Besonderheiten, es handelt sich nämlich gerade nicht um eine klassische 300B-Single-Ended-Triode mit zwei oder drei Verstärkerstufen und circa acht Watt Ausgangsleistung. Ich musste unbedingt mit Günther Mania sprechen, dem Entwickler dieser patentierten, „Steered Current Source For Single Ended Class-A Amplifier“ genannten Schaltung. Das Patent US 10,256,776 B1 vom 9. April 2019 beschreibt, wie unter Zuhilfenahme von MOSFETs ein Quasi-Push-Pull-Betrieb realisiert wird, denn ein MOSFET variiert dabei seinen Stromfluss aktiv und wird gegenphasig an die Triode anpasst. Konkret geht das Eingangssignal dabei nur auf die Röhre und ausschließlich die 300B übernimmt die Verstärkung. Die Anodenspannung steuert dabei die Stromquelle, die wie ein negativer Widerstand parallel zur Last wirkt; die Röhre sieht die doppelte Impedanz des Lautsprechers.


Auch mein Anruf bei Stefan Trog brachte in vielerlei Hinsicht Aufklärung. Die Idee zur Entwicklung des LEO erwuchs aus dem Wunsch, ein weiteres Lautsprecherfeld für die 300B nutzbar zu machen, das nicht mit der üblicherweise von dieser Röhre bereitgestellten Ausgangsleistung im einstelligen Wattbereich klarkommt. Nach weiteren Besonderheiten zu seinem Verstärker gefragt, wies er zunächst auf die qualitativ hochwertigen Platinen hin: Westend lässt die Platinen in Karlsbad in Deutschland fertigen. Auch wenn das Label Made in Germany in meiner persönlichen Wahrnehmung im Vergleich zu früher mittlerweile etwas gelitten hat: Hätte ich die Wahl, würde ich mich auch immer für Platinen aus Karlsbad anstatt für die heuer übliche Massenware aus Asien entscheiden.

Zudem verfügt der LEO neben den klassichen Cinch-Buchsen über zwei XLR-Line-Eingänge. Ein anderes augenfälliges Merkmal des Westend LEO ist, dass er seine Röhren komplett verbirgt. Die beiden 300B sind horizontal montiert, da spricht technisch auch überhaupt nichts gegen, die Abwärme entweicht genauso gut nach oben wie bei der üblichen vertikalen Bauweise. Fast fühlte ich mich an meine früheren Röhrengeräte Musiqa No. 1, 2 und 3 von More Fidelity erinnert: Auch hier war äußerlich gar nicht erkennbar, dass es sich um Röhrenverstärker handelte. Im LEO sind mithin keine Western Electric 300B gesteckt, sondern hochanständige Nachbauten von PSVANE. Das ist alles andere als ein Beinbruch, denn klanglich und qualitativ gibt es zwischen den Derivaten von PSVANE und den 300B der aktuellen Produktion von Western Electric keinen signifikanten Unterschied.

Schließlich gibt es noch ein erwähnenswertes Merkmal im Bereich der Schaltung, und dieses hat mir freundlicherweise wieder Günther Mania erläutert, an dieser Stelle noch einmal mein besonderer Dank an ihn, sich die Zeit für meine vielen Fragen genommen zu haben! Die Stromquelle für die Röhrenschaltung beim LEO wird auf spezielle „Mania-Weise“ gesteuert, so dass der Verstärker bei höheren Leistungen noch geringere Verzerrungen produziert als ohne seine Zusatzsteuerung. Einfach gesprochen geht der LEO mit dieser Zusatzsteuerung später ins Clipping, aber diese Beschreibung greift streng genommen etwas zu kurz.

Günther Mania hat sich in unserem Telefonat übrigens als glühender Röhrenfan geoutet: Bereits seine Diplomarbeit habe er zwar über Transistoren geschrieben und er sei insbesondere durch seine Transistordesigns bekannt geworden. Aber sehr früh habe er Röhren als Hobby für sich entdeckt und er fand vor allem deren „Eigenleben“ spannend. In vielen Hörsessions habe er Röhren schließlich attestieren müssen, dass diese unter dem Strich zwar technisch nicht perfekt seien, aber eben dennoch musikalischer klängen. Das hat ihn dazu bewogen, basierend auf Stefans Trogs ambitioniertem Anforderungsprofil für Westend Audio Systems diesen Verstärker zu konzipieren. 14000 Euro für einen Vollverstärker sind absolut gesehen sehr viel Geld. Aber unter dem Strich bietet Westend Audio Systems mit dem LEO einen qualitativ extrem hochwertigen Verstärker für vergleichsweise moderates Geld an, zumal der LEO diesen enormen Aufwand beim Gehäuse betreibt.


Bei meinen Hörtests konnte ich den Westend LEO niemals an seine Leistungsgrenzen bringen, der LEO agierte im Tiefton wie ein Schraubstock, der nie auch nur die geringsten Zweifel aufkommen ließ, wer hier das Sagen hatte. Kontrolle und klare Konturen zeichneten den LEO aus, der für eine Triode absurd tief in den Keller stieg. Im Mittelton überzeugte dieser Röhrenverstärker durch sein extrem hohes Auflösungsvermögen, was ganz typisch für eine 300B ist. Großer Detailreichtum, eine sehr präzise Raumabbildung sowie eine ungemein plastische, authentische und lebendige Darstellung von Sängern und Instrumenten, das alles passte perfekt.

Ich möchte hier nicht mantraartig alle Eigenschaften herunternudeln, die üblicherweise einer 300B zugesprochen werden, das alles trifft hier auf den „LEO-Klang“ unbedingt zu. Aber wir haben mit dem Westend LEO keinen schönfärbenden Verstärker vor uns, der das, was auf der Tonkonserve vorhanden ist, womöglich „wohlig verbiegt“. Er gibt alle enthaltenen Informationen vielmehr exakt eins zu eins wieder, wobei dieses Rhythmusgefühl, diese Musikalität und die majestätische Spielfreude der 300B im Grunde für andere Verstärkerdesigns unerreichbar sind.

STATEMENT

Der Westend LEO ist ein schaltungs- und verarbeitungstechnisch perfektes Gerät, das klanglich und leistungsmäßig alles aus der Klassikerröhre 300B herausholt, was möglich ist. Natürlich sind 14000 Euro absolut gesehen viel Geld, aber im Vergleich zu seinen Konkurrenten am Markt scheint mir der LEO vergleichsweise günstig bepreist. Ein großes Lob von mir an dieser Stelle für Stefan Trog und Günther Mania für dieses großartige, die Verstärkerszene bereichernde Produkt!
Gehört mit
Plattenspieler Rega Planar 3, Pro-Ject Debut PRO + Plattenpuck PRO
Tonabnehmer Rega Nd7, Pro-Ject Pick it PRO
Lautsprecher Dynamikks! Model 12; diverse DIY Vollbereichsbreitbänder: Open Baffle (Ciare CH250), Transmissionline (Seas FA22RCZ & Seas Exotic F8), Tapered Quarter Wave Tube (Tang Band W8-1772), Backloaded Horn (Fostex FE206En)
Zubehör Dynamikks! Speakerlink I, Phono NF-Kabel Pro-Ject , Connect-it RCA-E
Möbel Hi-Fi Racks Ltd
Herstellerangaben
Westend Audio Systems LEO
Geräteart Röhrenvollverstärker mit Phono MM/MC
Röhren 2x Western Electric 300B, 2x ECC81
Netzspannung 230V AC/50 Hz
Eingänge 2x Line (RCA), 2x Line (XLR), 1x Phono MM / MC (RCA), 1x Phono Load (RCA)
Eingangsempfindlichkeit Cinch: 30-300mV (einstellbar), XLR: 30-300mV (einstellbar), Phono MM: 300 μV–3 mV (einstellbar), Phono MC: 30 μV–300 μV (einstellbar)
Eingangsimpedanz Cinch: 10kOhm, XLR: 20kOhm (symmetrisch), Phono MM: 47kOhm/100pF, Phono MC: 1000kOhm (anpassbar)
Frequenzgang <20Hz bis 35kHz (5V, 4Ohm, -3dB)
Ausgänge 1x Line Out (RCA), 1x Pre Out (RCA), Kopfhörerbuchse, 1x Lautsprecher, 4mm Bananenstecker, Kabelschuhe oder blanke Kabelenden
Ausgangsleistung 2x 11W @8Ohm (5% Klirr), 2x 20W @4Ohm (5% Klirr)
Geräuschspannungsabstand 98dB(A) Line @10W/4Ohm, 84dB(A) Phono MM @10W/4Ohm, 74dB(A) Phono MC @10W/4Ohm
Ausstattung Fernbedienung, Bluetooth 4.2
Schaltung Steered Current Source (SCS)
Gehäusefarben Schwarz, Chrom, Gold
Abmessungen (B x T x H) 43cm x 43cm x 13,5cm
Gewicht 14kg
Maximale Leistungsaufnahme 160W (Betrieb)/<0,5W (Standby)
Garantiezeit 2 Jahre
Preis 14.000 Euro

Vertrieb
Westend Audio Systems GmbH
Anschrift Siegenburger Str. 10
81373 München
Deutschland
Telefon +49 172 8503970
E-Mail info@westendaudiosystems.de
Web westendaudiosystems.de
Vertrieb
AUDIO-TRADE Hi-Fi Vertriebsgesellschaft mbH
Anschrift Villa Belvedere
Wallufer Straße 2
D-65343 Eltville am Rhein
Telefon +49 6123 9258956
E-Mail info@audiotra.de
Web www.audiotra.de

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