Mit dem Palma DHS-1 haben wir mal wieder einen ersten seiner Art im Test bei Hifistatement: Der Kopfhörer mit dynamischem Schallwandler kann mittels einer drehbaren, perforierten Ohrmuschelabdeckung sowohl offen als auch geschlossen betrieben werden. Ein Umschalten ist in Sekunden möglich.
Palma ist als Kopfhörerhersteller aus dem Nichts aufgetaucht. Deshalb habe ich mich selbst erst einmal informieren müssen, wie es denn eigentlich zum DHS-1 gekommen ist. Letztendlich stecken mit Pascual und Mario zwei Kindheitsfreunde hinter der Marke. Nachdem Mario bei der Suche nach neuen Kopfhörern aufgefallen ist, dass es zwischen offenen und geschlossenen Konzepten wählen muss und es im High End Bereich keinen Kopfhörer gibt, der beide Bauweisen vereint, war das Ziel für ein gemeinsames Projekt gesetzt. Über Delfín, einen Kontakt, der unter anderem mit Sony gearbeitet hat, fand man mit Jaume einen Ingenieur, der das Konzept in die Wirklichkeit umsetzen kann. Dabei wurde der Kopfhörer ähnlich wie ein Lautsprecher als Einheit aus Treiber und Gehäuse betrachtet. Das Design der Ohrmuscheln sorgt dafür, dass der Frequenzverlauf im offenen und geschlossenen Betrieb nahezu identisch ist. Der Treiber selbst soll sowohl hohe als auch tiefe Frequenzen ideal reproduzieren. Dafür muss er nach Palmas Angaben so leicht wie möglich sein, dabei aber genau die passende Steifigkeit aufweisen, um Intermodulationsverzerrungen zu vermeiden. Deshalb besteht der Kern des Treibers aus einem eher steifen Zellulosematerial mit einer großen Schwingspule, eingefasst von einer hochflexiblen Aufhängung, die mit ihrer Auslenkung für genügend Tiefgang sorgt. Alles in allem soll so ein ideales Kräfteverhältnis auch Gewicht, Steifigkeit und Auslenkung erreicht werden. Abschließend spielt auch das Material des Gehäuses selbst eine Rolle. Bei Palma wählte man Sapeli, eine aus dem Instrumentenbau bekannte Mahagoniart, die überwiegend für Gitarrenkorpusse eingesetzt wird.
Bei einem Newcomer wie dem Palma DHS-1 ist der erste Eindruck noch vor allem anderen besonders wichtig und bei der ersten Annäherung war mir sofort klar, dass es sich hier um Herzensprojekt von Pascual und Mario handelt. Die Verarbeitung, die Haptik, ja das gesamte Erlebnis Palma steht keinem Mitbewerber in irgendetwas nach. Für das erste Produkt einer jungen Marke ist das sehr beeindruckend. Allein der Lieferumfang zeigt, dass kein Detail übersehen wurde: Neben einem hochwertigen Hartschalen-Transportcase liegt sowohl eine kleine Tasche für den Kopfhörer- als auch für Kabel bei. Es gibt ein 2,8 Meter langes Kabel mit einer 6,3-Milimeter-Klinke und zwei 1,2 Meter lange Kabel mit jeweils einer Pentaconn- und einer 3,5-Millimeter-Klinke. Die umflochtenen Kabel sind schön flexibel und weitestgehend nicht mikrofonisch. Sie werden mittels 2,5-Millimeter-Klinkenstecker mit dem Kopfhörer verbunden. Allen, denen die zwar hochwertigen, aber nicht sehr dicken Kabel noch nicht high endig genug sind, steht somit der Nachrüstmarkt offen.
Obwohl der DHS-1 ohne Kabel ungefähr 500 Gramm auf die Waage bringt, sitzt er dank seiner Polsterung der Ohrmuscheln und des Bügels sehr bequem. Die Größenverstellung läuft butterweich und ist doch überraschend stabil. Eine kleine Überraschung beim Auspacken dürfte die beiliegende parfümierte Holzkugel sein, die dem gesamten Case samt Kopfhörer einen charakteristischen Geruch verleiht. Ich empfand das als willkommene Abwechslung zu sterilen Gerüchen oder gar synthetischem Plastikgeruch manch anderer Produkte – und das, obwohl ich sonst nicht unbedingt Wert auf Parfum lege, sondern einen neutralen Geruch bevorzuge.
Oft gelten offene Kopfhörer geschlossenen generell als klanglich überlegen. Dass es sich dabei allerdings um eine Fehlannahme handelt und es nicht zuletzt auf die jeweilige Abstimmung und den Anwendungszweck ankommt, dürfte die großer Mehrheit der Leser unserer Tests aber bereits erfahren haben. Letztendlich bieten offene Kopfhörer dieses Quäntchen mehr – Überraschung – Offenheit, besser gesagt Bühne, Luft oder Instrumentenseparation. In lauter Umgebung bleibt von diesem Plus aber kaum mehr etwas übrig. Dass man mit dem DHS-1 beide Optionen hat und zudem, wenn man schnell ist, dank einer 14-Grad-Drehung der äußeren Ohrmuschelabdeckung, in unter einer Sekunde umschalten kann, ist schlichtweg genial. Betrachtet man den beiliegenden Frequenzschrieb, wird augenscheinlich, dass sich die Frequenzgänge bei offener oder geschlossener Abdeckung kaum unterscheiden. Lediglich bei ungefähr 30 und 60 Hertz spielt der geschlossene Kopfhörer wenige Dezibel leiser. Ab 100 Hertz schwingt sich der offene Kopfhörer leicht über den geschlossenen auf, um dann bei etwa 800 Hertz die Kurve zu schneiden und bei etwa 1,2 Kilohertz in eine nicht ganz eine Oktave breite Senke zu fallen. Alles in allem sind die messtechnischen Abweichungen marginal, besonders ab 2 Kilohertz sind die Kurven praktisch nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Im offenen Modus liefert der DHS-1 102 Dezibel pro 1 Milliwatt und im geschlossenen Modus 2 Dezibel mehr.
Ich entscheide mich zum Start für den geschlossenen Modus und wähle mit „Jinete viento“ von Renaud Garcia-Fons Album ein von akustischen Instrumenten getragenes Stück, das ich immer wieder auf sehr vielen Systemen gehört habe. Zum Fünfsaiterbass von Renaud gesellen sich neben, Geige, Viola, Cello und Gitarre exotische Instrumente wie Kemençe und Kanun, die mit starkem Charakter aus dem Reigen der Saiteninstrumente hervorstechen. Oft wirkt die Aufnahme verhangen und nicht sonderlich trennscharf, jedoch gibt das Musikstück meiner Erfahrung nach viel Aufschluss über die Auflösungsfähigkeit des Lautsprechers/Kopfhörers, mitunter stärker als andere audiophilere Aufnahmen. Und abgesehen davon ist es schlicht und ergreifend fantastische Musik. Tatsächlich entschlüsselt der DHS-1 das Musikstück mit einer selten gehörten Präzision, ohne dabei auch nur im Entferntesten aufdringlich zu werden. Für eine unmittelbarere Einordung ziehe ich gleich zu Beginn meinen Sennheiser HD 800 s heran. Wie erwartet zeichnet der Sennheiser insgesamt den größeren, luftigeren Raum und betont den Hall auf den gezupften Streichern oder der perkussiven Gitarre gleich zu Beginn viel deutlicher. Die Instrumente selbst jedoch zeichnet er größer, diffuser und stärker miteinander verschmelzend. In klassischer HD800er-Manier wird mit spritzigen Höhen dabei nicht gegeizt und wie eigentlich immer ist das hart an der Grenze zur Hochton-Übertreibung. Der DHS-1 verpackt all diese Informationen auf eine deutlich musikalischere Weise. Die Instrumente wirken in sich etwas konzentrierter, kleiner, der Hall organischer eingebettet. Die Tiefenstaffelung liegt gleichauf mit dem Sennheiser, ist eventuell sogar einen Hauch größer. Es ist weniger Hochtonenergie vorhanden, aber trotzdem wirken die Instrumente nicht weniger spritzig als mit dem Sennheiser. Ganz im Gegenteil, der DHS-1 folgt den Instrumenten derartig impulsschnell (und in meinen Ohren schneller als der Sennheiser), dass es so gar keinen aufgesetzten Hochtonglanz braucht, um eine Gefühl von Auflösung zu schaffen. Genau diese Balance kennzeichnet für mich ein herausragendes Wiedergabesystem, das es versteht, mit dieser komplexen Aufnahme umzugehen.
Natürlich bin ich inzwischen so neugierig, dass ich noch mit diesem Stück in den offenen Modus umschalte. Besonders im Solo-Teil von Bass und Gitarre höre ich genau hin. Tatsächlich ändert sich wie bereits angedeutet keinesfalls auf fundamentale Weise die Charakteristik des Kopfhörers, obwohl doch eine minimale Änderung, speziell im Timbre der Gitarre wahrzunehmen ist. Die hauptsächliche Veränderung betrifft eindeutig sowohl den räumlichen Eindruck als auch die individuelle Ausdehnung des Instrumente. Gerade die Gitarre wirkt im offenen Modus etwas größer. Korpus und Saiten werden etwas stärker als einzelnes Teilschallereignis der Gitarre wahrnehmbar. Außerdem scheinen Kontrabass und Gitarre einen Hauch weiter auseinander zu rücken. Im weiteren Verlauf des Stücks würde ich den Instrumenten außerdem etwas mehr Entspanntheit und Freiheit im Ausschwingen attestieren. Das unterschwellige Brodeln des Stücks geht dadurch aber auch ein wenig verloren.
Ähnlich verhält es sich bei Elisabeth Karstens „Pardon, Goddess Of The Night“ vom Album Flux. Dieses intimere Musikstück profitiert ungemein vom offenen Modus. Zunächst beweist der DHS-1, dass er auch Stimmen nachdrücklich, emotional und mit feinsten Details wiedergeben kann. Man hört beispielsweise die kleinen Verzerrungen in Elisabeths Stimme, wenn sie zu intensiveren Passagen ansetzt. So richtig glänzt der Palma dann aber, wenn ich die Abdeckung auf Durchzug schalte. Die Positionierung der Stimme scheint interessanterweise sogar etwas näher an mich als Zuhörer heran- und leicht nach oben zu rutschen, sobald ich die Kopfhörer öffne. Dafür wirkt sie jedoch viel befreiter und freischwebender, fast so, als wäre sie im geschlossenen Modus komprimiert worden.
Anderen Genres wie beispielsweise komplexem Metal oder eher dichten Pop-Produktionen, um zwei Extreme zu nennen, steht der geschlossene Modus richtig gut. Die mit ihm einhergehende leichte „Kompression“, die ich bei „Pardon, Goddess Of The Night“ festgestellt habe, wirkt hier fast wie eine Bus-Kompression, die die energetische Komponente der Musik in den Vordergrund hebt. Bei orchestraler Musik entscheide ich dann eher nach der Ensemblegröße und dem Aufnahmeort. Während Kammerkonzerte auch im geschlossenen Modus vorzüglich funktionieren, machen großorchestrale Werke im offenen Modus besonders viel Freude. Es scheint hier ein Zusammenhang zwischen kleineren Räume mit kürzeren Nachhallzeiten, dem geschlossenen Modus und größeren Räumen mit längeren Nachhallzeiten und dem offenen Modus zu bestehen. Leider gerät orchestrale Musik in meinen Tests oft etwas zu kurz, da sie in meinem alltäglichen Höreralltag weniger Platz einnimmt als sämtliche andere Genres, obwohl ich sie zutiefst schätze. Aus diesem Grunde möchte ich dem Palma auf kurzem Dienstwege ausdrücklich eine besondere Befähigung hierfür attestieren. Durch seine Abstimmung vermag er ein Orchester fein, neutral und äußerst präzise, aber dennoch ergreifend und nicht steril abzubilden. Dabei bewegt er sich zwischen dem bloßen Abbilden einer Aufnahme und einem „Live-Dabei-Gefühl“. Für mich, der es einerseits gewohnt ist, Musik technisch zu hören und zu mischen, andererseits aber auch einfach mal für den Genuss hören möchte, schafft der Palma den perfekten Mittelweg.
Der kleine Treiber kann beachtlich tief spielen. Für Liebhaber von Tiefpassdruck fallen mir dennoch andere Modelle ein. Für meinen Geschmack ist die Balance des Kopfhörers ausgesprochen gut gelungen. Der Treiber verbindet die beiden Enden des Frequenzspektrums auf eine Weise miteinander, die ich einem dynamischen Treiber in der Form nicht zugetraut hätte. Er gibt besonders akustischen Instrumenten gerade genug Körper, um organisch und glaubwürdig zu klingen, ohne dabei aber in einen zu fülligen Ton zu verfallen. Er löst die Höhen mit genau der richtigen Portion Spritzigkeit und ohne Aufdringlichkeit auf. Auch wenn die Mitten eher linear ausfallen, bleibt der DHS-1 keinesfalls charakterlos. Es sind nicht überdurchschnittlich spektakuläre Einzeldisziplinen, die Palmas Erstlingswerk ausmachen, sondern wie der ausgewogene Frequenzverlauf, die hohe, elegant integrierte Auflösungsfähigkeit und die minutiöse Impulsivität, die feine Zwischenklänge zulässt, zu einem musikalischen Ganzen verwoben werden.
STATEMENT
Palma gelingt ein fantastischer Einstand mit einem außergewöhnlichen Kopfhörer. Der Wandel von offener zu geschlossener Konstruktion in kaum einer Sekunde ermöglicht nicht nur eine flexible Reaktion auf die Hörumgebung, sondern bietet darüber eine geschmackliche Feinabstimmung für verschiedenen Aufnahmen und Genres. Gehört mit | |
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Router & Zubehör | Fritzbox 7530 (mit SBooster BOTW), Silent Angel Bonn N8 (mit Keces P3) |
Server | PrimeCore Audio A7 |
Reclocker | Mutec MC-3+ USB |
DAC | Mytek Brooklyn DAC+ (mit Ferrum HYPSOS), Soncoz SGD1 (mit iFi iDefender+) |
Pre-Amp | Violectric Pre V630 |
Endstufe | NAD C 275BEE, IOTAVX PA3 |
Lautsprecher | Magnat Quantum 807, Neumann KH 120 A |
DAP | FiiO M11 Plus ESS (FiiO Music App, Qobuz), HiBy R6 (HiBy Music App, Qobuz) |
Smartphone | Motorola One Zoom, 128GB, 4GB RAM, Android 10 (BubbleUPnP, Qobuz, HiBy Musikapp, USB Audio Player PRO) |
Kopfhörerverstärker | iFi Micro iDSD Black Label |
Kopfhörer | Sennheiser HD 800 s, Beyerdynamic dt 880 black edition |
In-Ears & Zubehör | Vision Ears VE7, Vision Ears VE6 X2, Etymotic ER4SR, iFi IE-Match, Final ZE8000 JDH |
Kabel | Audioquest, Chord Company, Belden, Boaacoustic, Furutech, Glockenklang/Eupen, Sommer |
Herstellerangaben Palma DHS-1 | |
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Treiber | 50 Millimeter Elektrodynamisch |
Impedanz | 32 Ohm |
Empfindlichkeit | 102 dB/mW (offen), 104 dB/mW (geschlossen) |
Frequenzgang | 5 Hz – 30 kHz (offen), 10 Hz – 30 kHz (geschlossen) |
Verzerrung (1 kHz, 110 dB SPL) | 0,06 % (offen), 0,08 % (geschlossen) |
Gewicht | 490 g |
Preis | 2.200 Euro |
Vertrieb
audioNEXT GmbH
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Anschrift | Isenbergstraße 20 45130 Essen |
Telefon | 0201 5073950 |
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Web | www.audionext.de |