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40 Jahre Dynaudio

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Ein Jubiläum nach vier ausgesprochen erfolgreichen Jahrzehnten wäre gewiss Anlass genug für einen Besuch bei Dynaudio. Noch weitaus spannender als der Geburtstag ist aber, was sich in den letzten Jahren am Firmensitz in Skanderborg getan hat: Da gibt es beispielsweise einen in Europa einzigartigen Messraum für Lautsprecher.

Die Reise begann mit einiger Verspätung. Schuld daran war schlicht ein Audioverstärker im Airbus, der einfach nicht tat, was seine Aufgabe war. Die Konsequenz: Alle Passagiere mussten zurück ins Terminal, um dann mit einem anderen Flugzeug nach Hamburg zu kommen. Dort traf ich dann Roland Hoffmann, der schon seit 2001 bei der Dynaudio International GmbH in Rosengarten arbeitet, die alle Marketing- und Vertriebsaktivitäten der Lautsprechermarke übernommen hat. Roland Hoffmann ist für die Schulung der internationalen Vertriebe und Händler sowie die Kontakte zur Presse zuständig und in dieser Funktion häufig in der Fabrik in Skanderborg: Den Weg aus der Hansestadt dorthin würden der natürlich mit einem Dynaudio-Soundsystem ausgestattete Golf GTD und sein Fahrer dann auch im Schlaf finden.

Aber unser erstes Ziel ist nicht die Produktionsstätte, sondern das Musikhuset in Aarhus, Dänemarks zweitgrößter Stadt, in diesem Jahr neben dem zyprischen Paphos eine der beiden Kulturhauptstädte Europas. Dynaudio hat über all die Technik nämlich nicht vergessen, worum es bei Hifi und High End letztendlich geht, und fungiert daher als Musiksponsor des Veranstaltungskomplexes mit dem leicht irreführenden, schlichten Namen Musikhuset. In diesem gibt nicht nur eine Reihe von Sälen unterschiedlicher Größen und Akustiken, sondern auch ein Tonstudio, das von der örtlichen Universität auch als Ausbildungsstätte genutzt wird. Hier arbeitet und unterrichtet Henrik Winther, der sich schon vor Beginn der Kooperation für Monitore von Dynaudio entschieden hatte.


Das ist nun einer der Gründe dafür, dass Roland Hoffmann mit seinen Gästen, die die Fabrik in Skanderborg besuchen, oft auch einen Abstecher ins Musikhuset macht. Der – in diesem Fall längere – Aufenthalt ist also nicht primär der besonderen Affinität des Autors zu Aufnahmeequipment und -tätigkeit geschuldet. Um es kurz zu machen: Es entwickelte sich ein äußerst spannendes und ausführliches Gespräch, dem Roland Hoffmann und Anders Hede, der uns durch das Musikhuset führte, aber ein bisschen weniger engagiert folgten, als Henrik Winther mir die Pretiosen seiner Mikrofonsammlung inklusive spezieller Anwendungsfälle erläuterte. Abschließend ließ er uns dann in seine aktuelle Arbeit hineinhören, ein großorchestrales Werk eines dänischen Komponisten, das er im ihm wohlvertrauten Symphonischen Saal mit zwei Haupt- und einer Fülle von Stützmikrofonen aufgezeichnet hatte.

Die Dynaudio-Monitore gaben die Einspielung so transparent, luftig und perspektivisch überzeugend wieder, dass ich dann doch noch einmal nachfragte, was diese Aufnahme so famos klingen lasse. Henrik Winther meinte, er habe ganz einfach die beiden Hauptmikros an der richtigen Stelle platziert – wobei die Suche danach in unbekannten Räumen schon mal zwischen fünf Stunden bis mehr als einen Tag dauern könnte – und dann die Verzögerungszeiten für die Stützen exakt ermittelt und eingestellt. Ich bin jetzt schon auf die CD gespannt, die noch in diesem Jahr erscheinen soll. Den Einstieg Dynaudios ins Studio-Geschäft datiert Roland Hoffmann übrigens ins Jahr 1992: Da präsentierte man den Lautsprecher Craft das erste Mal auf der Tonmeistertagung. Für eine größere Bekanntheit sorgte dann die Kooperation mit Akustik-Guru Andy Munro, der in seien Installationen Dynaudio-Chassis einsetzte. Dynaudio Professional trägt heute mit zehn bis 15 Prozent zum Umsatz der Firma bei.

Doch zurück nach Aarhus und zu Anders Hede, den die Visitenkarte als „Head of commercial affairs“ ausweist: Er führte uns zuerst in den Symphonischen Saal. Der ist die Heimstätte des Aarhus Symphonie-Orchesters und genießt den Ruf, Dänemarks bestklingender Konzertsaal zu sein. Er bietet fast 1200 Besuchern Platz und besitzt eine Orgel vom Johannes Klais Orgelbau in Bonn. Die Nachhallzeit lässt sich durch verschiebbare Paneele an den Seitenwänden und die Veränderung der Position der abgehängten Deckenteile zwischen 1,7 und 2,6 Sekunden variieren. Bei manchen Konzerten sei die Akustik sogar für einzelne Stücke verändert worden, erzählt Anders Hede. Dann sehen wir noch den Großen Saal, in dem Dank der sehr tiefen und hohen Bühne auch Theateraufführungen möglich sind und der beinahe 1600 Sitzplätze bietet. Außer dem kleinen Saal für Kammermusik oder intimere Jazzkonzerte gibt es noch die „Rythmic Hall“: Als rhythmisch wird im Dänischen Musik außerhalb von Klassik verstanden die sich eben durch starke rhythmische Elemente auszeichnet wie Rock, Pop oder Jazz. Der Saal kann mit oder ohne Bestuhlung genutzt werden. Es gibt wohl keine Veranstaltung, für die das Musikhuset nicht den passenden Rahmen bieten könnte.


Während des Abendessens in Aarhus spricht Roland Hoffmann dann über die Veränderungen in der Firmenstruktur im Jahr 2014: Damals übernahm die an der Börse in Shenzhen notierte Firma Goertek Inc. den Hauptanteil an Dynaudio. Goertek Inc. produziere Mikrolautsprecher, Mikrophone und Flachbildschirme, sei OEM Zulieferer für führende Marken innerhalb der Smartphone und Gaming Kategorien und weltweit führend in der Entwicklung und Herstellung von 3D-Brillen und Bluetooth-Zubehör. Hinter dem Erwerb der Mehrheit steht aber nicht das Kalkül, in Zukunft unter dem weltweit renommierten Namen Dynaudio Lautsprecher anzubieten, die in China gefertigt werden. Ganz im Gegenteil: Man investierte nicht unerheblich in den Standort Skanderborg und errichtete ein komplett neues Forschungszentrum, dessen Räume sich um den erwähnten Messraum gruppieren.

Das ist aber nicht wie bei den meisten größeren Lautsprecherherstellern ein reflexionsarmer Raum mit von den Abmessungen abhängender untererer Grenzfrequenz, sondern ein Würfel mit einer Kantenlänge von 13 Metern. Mit einer Art Hebebühne wird der Lautsprecher, der auf einer Rotationsscheibe steht, in der Mitte des Raumes postiert. Um das Rundstrahlverhalten in einen Bereich von 180 Grad in nur einem Arbeitsgang messen zu können, befindet sich gegenüber dem Lautsprecher ein Halbkreis, an dem in gleichbleibenden Abständen 31 Messmikrofone befestigt sind. Der Halbkreis lässt sich um 90 Grad drehen, so dass das Abstrahlverhalten sowohl horizontal als auch vertikal erfasst werden kann. Wird der Lautsprecher danach um 180 Grad gedreht und dann wieder in der horizontalen und vertikalen Ebene eine Messung vorgenommen, ist das komplette Rundstrahlverhalten der Box mit nur vier Messungen dokumentiert worden.


Die Räume im neuen Forschungszentrum sind keinesfalls verwaist: Dynaudio hat nicht nur in modernstes Messequipment mit dem entsprechenden Raum investiert, sondern auch die Forschungsabteilung von 18 auf 32 Ingenieure aufgestockt. Ich gebe gerne zu, dass es mir schwerfällt mir vorzustellen, voran die Entwickler arbeiten: Das Prinzip des Lautsprechers mit Permanentmagneten ist seit fast 80 Jahren bekannt. Roland Hoffmann merkt an, das allein die Entwicklung für VW eine Menge Kräfte binde. Schon lange bevor ein neues Modell in Serie geht, stehe ein Prototyp in Skanderborg, in dem die Ingenieure das Soundsystem entwickeln könnten. Für die Anlieferung der Prototypen sei extra eine ganz spezielle Rampe gebaut worden, die verhindere, dass jemand einen Blick auf die Erlkönige werfen können. Was diesen Teil des Entwicklungszentrums anbelangt, musste ich mich leider mit der Schilderung Roland Hoffmanns zufrieden geben.

Die Zusammenarbeit mit einem Automobilhersteller begann übrigens im Jahre 1994. Drei Jahre später wurde dann das Volvo V70 Coupe mit dem ersten Premium-Soundsystem von Dynaudio vorgestellt. Seit 2001 besteht die Kooperation mit Volkswagen, und es dauerte wieder drei Jahre, bis das erste Modell mit einem Dynaudio-Soundsystem präsentiert werden konnte. Inzwischen sind die meisten VW-Modelle auf Wunsch mit einer Premium-Audioanlage erhältlich. Das wohl spannendste und prestigeträchtigste Projekt war die Entwicklung des Audiosystems für den exklusiven Bugatti Veyron. Aber egal ob Golf oder Bugatti: Eines unterscheidet das jeweilige Soundsystem von fast allen anderen Premium-Anlagen anderer Hersteller. Dynaudio fertigt wie bei seinen Heimlautsprechern alle Chassis selbst. Hier schmückt nicht einfach nur ein wohlklingender Name aus der Audiobranche ein Set aus zugekaufter Elektronik und Lautsprecherchassis, nein, mit dem Dynaudio-System erwirbt man in Skanderborg gefertigte Chassis inklusive eines DSPs für die Feinabstimmung auf den Fahrzeuginnenraum. Insgesamt werden pro Jahr 865.000 Chassis für VW in Skanderborg gefertigt.

In der Fertigung und der Entwicklung in Skanderborg beschäftigt Dynaudio rund 350 Mitarbeiter, von denen die meisten schon sehr lange für die Firma arbeiten. Außer den Chassis werden auch die Gehäuse und Frequenzweichen von Evidence, Consequence und Confidence am Stammsitz gefertigt. Den übrigen Teil der Gehäuse liefert Dynaudio Lettland zu, wo man 18 Mitarbeiter beschäftigt. Die Schwingspulen für Prototypen und Ersatzchassis für längst eingestellte Baureihen werden in der Fabrik gewickelt. Schon vor etwa fünf Jahren wurde die Produktion der übrigen Frequenzweichen und Schwingspulen ausgegliedert. Und damit wären wir bei einem sehr charakteristischen Bauteil für die Dynaudio-Chassis: Die Entwickler entschieden sich schon sehr früh, die Schwingspulen statt aus dem schwereren Kupfer aus Aluminium wickeln zu lassen, was man damals selbst machen musste, da reines Alu ganz andere mechanische Eigenschaften aufweist als Kupfer und daher nicht auf den üblichen Maschinen zur Wickelung von (Kupfer-)Schwingsspulen verarbeitet werden konnte. Bei den heute benötigten hohen Stückzahlen stellen sich Zulieferer gern auf das Material mit dem günstigen thermischen Eigenschaften ein, das es zudem erlaubt, bei gleichem oder niedrigerem Gewicht Spulen mit deutlich größerem Durchmesser zu verwenden, die die Membranbewegungen dann präziser kontrollieren.


Apropos Membran: Klassischerweise besteht die Membran eines Dynaudio-Chassis aus einem Gemisch aus Magnesium, Silikat und Polymer. Dieser Materialmix garantiert eine hohe Formstabilität und innere Dämpfung bei geringem Eigengewicht. Die Membran wird in einem Stück geformt und kommt daher ohne in der Mitte aufgeklebte Staubschutzkalotte aus, was gegenüber der üblichen zweiteiligen Bauweise mit Kalotte Vorteile im Resonanzverhalten bringt, es aber so gut wie unmöglich macht, die Einheit aus Schwingspule, Sicke, Spinne und Membran zu zentrieren, da die Membran den Blick auf den Luftspalt des Magneten verdeckt. Daher werden schon bei der Formgebung des Membranmaterials drei Löcher eingearbeitet, durch die dann später drei dünne Metallstäbchen gesteckt werden, um die Schwingspulen-Membraneinheit perfekt zentriert mit dem Aluminiumdruckguss-Korb zu verkleben.

Schon die ersten Dynaudio-Lautsprecher waren im Hochtonbereich mit beschichteten Gewebekalotten bestückt. Deren beste Variante trug den Namen Esotar. Inzwischen wird der Esotar2 verbaut, bei dem die Beschichtung von erfahrenen Mitarbeitern von Hand aufgebracht wird. In den Magnetspalt wird magnetisches Öl eingebracht, so dass sich die Schwingspule in einer Flüssigkeit bewegt, die für eine bessere Wärmeabfuhr und damit für eine höhere Belastbarkeit sorgt. Außerdem soll das Ferrofluid zu einem bessern Schwingverhalten führen. Natürlich wäre es einfacher – und wohl auch kostengünstiger – Chassis einfach zuzukaufen, statt eigene zu entwickeln und sie im Laufe der Jahrezehnte immer weiter zu perfektionieren.


Wilfried Ehrenholz, für alle, die sich auch nur ein wenig in der Hifi-Branche auskennen, schlicht „Mr. Dynaudio“, ist der festen Überzeugung, dass ein Unternehmen nur dann wirklich außergewöhnliche Lautsprecher herstellen kann, wenn es eigene Chassis entwickelt. Es ist nun 40 Jahre her, dass Wilfried Ehrenholz, Gerhard Richter und Ejvind Skaaning Dynaudio gründeten. Winfried Ehrenholz ist auch heute noch mit einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Firma beteiligt. Zudem fungiert er als Berater und eines von fünf „Member Of The Board“, das nur einstimmig Entscheidungen treffen kann. Da braucht einem um die Zukunft von Dynaudio nicht bange zu sein und man darf schon heute gespannt sein, mit welchem Sondermodell die „Dänen“ ihren 50sten feiern werden. Die Special Forty zum diesjährigen Jubiläum hat dem Kollegen Wolfgang Kemper jedenfalls ungemein viel Hörvergnügen bereitet. Viel Vergnügen wünsche ich auch Ihnen bei der folgende Strecke von Bildern aus Skanderborg und dem Musikhuset.





Vertrieb
Dynaudio International GmbH
Anschrift Ohepark 2
21224 Rosengarten
Germany
Telefon +49 4108 41800
Fax +49 4108 418010
Web www.dynaudio.de

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