Noch weigere ich mich standhaft, LPs zu digitalisieren und so Analoges und Computer zusammenzubringen. Für Analogmagiks Hard- und Software habe ich eine Ausnahme gemacht, so dass analoge Signale letztlich im Notebook landeten. Aber keine Sorge: Es ging nicht um Musik, sondern die möglichst perfekte Einstellung von Tonarm und Tonabnehmer.
Ich kenne wohl niemanden, den die perfekte Reproduktion von Schallplatten ähnlich intensiv umtreibt wie Dietrich Brakemeier. Davon zeugen unter anderem seine für Acoustical Systems entwickelten Justage-Werkzeuge wie der SMARTstylus oder der UNI-Protractor, dem die von Dietrich Brakemeier erdachte UNI-Din-Geometrie zugrunde liegt. Wer nach gewichtigeren Argumenten sucht, wurde schon in den 90ern beim sagenumwobenen Apolyt-Laufwerk fündig – und dessen ebenso massebehafteter wie kostspieliger Nachfolger ist seit zwei Jahren der Anziehungspunkt für Vinylfans auf der High End. Jetzt hat Dietrich Brakemeier die Justage-Software Audiomagik des Kanadiers Richard H. Mak entdeckt und für so gut befunden, dass er ihren europaweiten Vertrieb organisiert.
Um Analogmagik nutzen zu können, benötigt man noch einen Analog/Digital-Wandler, der die Signale aus der Phonostufe für den Computer verständlich macht. Doch bevor wir uns näher damit beschäftigen, erlauben Sie mir noch eine kurze Abschweifung: Natürlich hatte ich, durch die per Fingertipp zur Verfügung stehende komplette CD-Sammlung verwöhnt, auch hin und wieder den Wunsch, auf meine LPs ebenso leicht zugreifen zu können. Aber der Transfer meiner schwarzen Scheiben ins Digitale widerstrebt mir irgendwie – um von der damit verbundenen Arbeit einmal gar nicht zu reden. Momentan ist für mich zumindest in der Küche und im Wohnzimmer Qobuz das Mittel der Wahl, denn dort stehen seit einiger Zeit auch über 1700 Alben meines Lieblingslabes ECM zum Streamen bereit. Für die Kette im Hörraum verwende ich einen eigenes (Audio-)Netzwerk, das außer für Updates nicht mit dem Internet verbunden ist. Beim aufmerksamen Hören geht es ja auch nicht vorrangig um Bequemlichkeit beim Abspielen der Lieblingsmusik, sondern um beste Qualität. Da führt für mich kein Weg ums Schallplattenregal herum.
Zur Steigerung des analogen Genusses hat Richard H. Mak sein Analogmagik-System entwickelt: Für den Preis von 750 Euro bekommt man eine solide Box mit zwei LPs voller Messtöne und einem Dongle. Dieser muss sich in einer USB-Buchse des Computers befinden, auf dem die Analogmagik-Software laufen soll. Das Programm und der Treiber für den A/D-Wandler kann über einen Link auf analogmagik.com nach der Registrierung unter Angabe der Seriennummer des Dongles heruntergeladen werden. Die Software startet – wie gesagt – nur bei eingestecktem Dongle. Da es heute Mode ist, extrem flache Notebooks mit nur noch einer USB-C-Buchse auszustatten, benötigt man in diesem Fall eine Docking-Station mit mindestens zwei USB-A-Buchsen: eine für den Dongle und eine zum Anschluss des A/D-Wandlers.
Hier empfehlen Dietrich Brakemeier und Richard H. Mak den ART USB Phono Plus, der für unter 100 Euro im Versandhandel, also beispielsweise bei Thomann, zu beziehen ist. Der ART wandelt mit 16 Bit in 44,1 Kilohertz, was einen natürlich gleich auf die Idee bringen könnte, es mal mit einem viel besseren A/D-Wandler zu probieren. Auf Nachfrage per Email rät Richard Mak davon aber ab. Er könne garantieren, dass seine Platten und sein Programm mit dem ART funktionieren, aber keinen Support für alle möglichen ADCs leisten. Natürlich könne der Nutzer von Audiomagik mit einem Wandler seiner Wahl experimentieren, er stehe dabei aber keinesfalls mit Rat und Tat zu Seite. Also verschiebe ich einen Versuch mit dem Mytek Brooklyn ADC erst einmal und beginne mit dem vom Acoustical Systems zum Verfügung gestellten ART.
In dessen Preisklasse werden natürlich keine symmetrischen Eingänge geboten, weshalb ein Adapter an den Ausgängen der Einsteinschen Phonostufe den Anschluss von Cinch-Kabeln für die Verbindung mit dem ART möglich macht. Dieser besitzt sogar eine eingebaute Phonostufe für MM, dient in der von Analogmagik empfohlenen Konfiguration aber nur als externe Sound-Karte, die die von der Phonostufe bereitgestellten NF-Signale auf Line-Level über USB an den Computer weiterleitet. Ein „Gain-Trim“ Regler in Kombination mit einer Clipping-Anzeige garantiert, dass es auch bei recht hoch verstärkenden Phonostufen und „lauten“ Tonabnehmern wie etwa denen von EMT nicht zu Übersteuerungen kommt.
Auf der Website von Analogmagik finden sich acht Video Tutorials. Im ersten wird – natürlich in Englisch – einmal grob der Einbau eines Tonabnehmers erklärt. Dann folgen sieben Videos, in denen es um die Nutzung des Programms und der LPs geht. Eine der beiden Platten enthält Testsignale für die Einstellung bei 33⅓, die andere für 45 Umdrehungen pro Minute. Da sich die Kräfte bei den unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterscheiden, wäre es durchaus sinnvoll, die Justage der Arm/System-Kombination für die Umdrehungszahl vorzunehmen, die man aktuell verwendet – was man in der Praxis aber gewiss nicht tun wird. Richard H. Mak sieht die 45er-Scheibe eher als Zugabe für diejenigen Analogfans, die auf ihrem Lauf einen Arm speziell für diese Geschwindigkeit reserviert haben. Ich habe mich beim Brinkmann mit Einstein Arm und System und dem Transrotor Massimo mit SME und dem JR Tamino jeweils auf die Signale für 33⅓ Umdrehungen konzentriert. Gleich im zweiten Tutorial nach dem mit den allgemeinen Hinweisen zum Tonabnehmereinbau und bei Track A3 geht es um die exakte Einstellung der Geschwindigkeit. Dazu wird ein konstanter Ton mit 3150 Hertz benutzt.
Die Software bietet zwar auch zwei mit „Oscilloscope“ und „Spectrum Analyser“ bezeichnete Fenster, wichtig ist aber nur der Wert, der im Fenster „Measured Frequency“ angezeigt wird. Die recht hohe Frequenz und die Genauigkeit der Software machen es nicht gerade einfach, beispielsweise über das einfache Trimmpoti am Motor des LaGrange die hundertprozentig richtige Geschwindigkeit zu treffen. Nein, dass stimmt nicht wirklich: Wie man sieht, wird auch bei der vierten Ziffer – also im Promillebereich – der Sollwert erreicht. Verfolgt man aber die Vielzahl von Messungen, die die Länge des Testsignals zulässt, sieht man immer wieder kleine Veränderungen des Wertes. Die Erklärung: Die Präzision der Messung macht auch Dehnung und Kontraktion des Gummi-Antriebsriemens sichtbar, die einen minimalen Einfluss auf die Umdrehungszahl haben. Die Abweichungen von der Sollgeschwindigkeit über einen längeren Zeitraum wird als „Wow & Flutter“ bezeichnet, wobei laut Audio Engineering Society über einen Zeitraum von etwa 30 Sekunden zu messen ist.
Die dritte und vierte Messung geben Hinweise zur Einstellung des Azimut, also zur möglichst exakten senkrechten Stellung der Nadel auf der Schallplatte, was sich optisch so gut wie nicht kontrollieren lässt. Sehr fein und reproduzierbar kann der Tonarm beispielsweise beim Kuzma 4Point oder auch beim AMG 12JT Turbo Tonearm eingestellt werden. Der SME V verzichtet zugunsten einer mechanisch rigiden Struktur auf diese Einstellmöglichkeit, beim Einsteins The Tonearm kann das abnehmbare Headshell nach dem Lösen zweier Inbusschrauben verdreht werden, was allerdings extrem feinfühlig vonstatten gehen sollte. Analogmagik misst mit je einem Track auf der LP das Übersprechen vom linken auf den rechten respektive das vom rechten auf den linken Kanal. Sehr hochwertige Systeme erreichen Werte von über -30 Dezibel. Weichen die Werte der beiden Messungen um nur etwa 0,5 Dezibel voneinander ab, ist der Azimut gut eingestellt. Analogmagik misst die beiden Werte unabhängig voneinander, man sollte sie sich zum Vergleich notieren oder mit Screeshots arbeiten. Beim Einstein-Arm habe ich das Headshell beim Anziehen der Überwurfmutter nur im Arm leicht verdreht und habe trotzdem signifikante Änderungen des Übersprechens messen können.
Der nächste Test in der von Analogmagik vorgeschlagenen Reihenfolge dient der Einstellung des vertikalen Abtastwinkels, aber den verschiebe ich erst einmal, später mehr zu den Gründen. Kommen wir zur Justage der Antiskating-Kraft. Der Test-Track ist der letzte auf der A-Seite, liegt als sehr nahe am Label. Dort muss die Kraft naturgemäß geringer sein, da hier die Geschwindigkeit, mit der die Nadel der Rille folgt, deutlich kleiner ist, als in der Nähe der Einlaufrille. Dennoch empfiehlt Richard H. Mak die Antiskating-Kraft an dieser Stelle so zu wählen, dass die Verzerrungen im linken und rechten Kanal annähernd gleich sind. Das war auch, wie der untenstehende Screenshot zeigt, kein größeres Problem.
Allerdings habe ich diesen Wert am Anfang des Test-Tracks ermittelt – und am liebsten hätte die Verzerrungsmessung hier auch sofort abgebrochen. Wenn man das nicht tut, muss man leider zu Kenntnis nehmen, dass die Verzerrungen auf jedem Millimeter, den sich die Nadel dem Label weiter nähert, recht kräftig ansteigen. Bisher habe ich eine ein gutes Stück vor dem Label beginnende Auslaufrille für Verschwendung von Dynamik gehalten: Man hätte ja eine ein wenig weiter ausgelenkte Rille schneiden können. Eingedenk der zu Plattenmitte rapide ansteigenden Verzerrungen sehe das nun ein wenig anders. Analogmagik versorgt einen also auch mit Fakten, die man lieber nicht wissen wollte.
Der Test-Track A1 mit Rosa Rauschen von 20 bis 24.000 Hertz gibt Aufschluss über den Frequenzgang des Tonabnehmers und die optimale Abschlussimpedanz. Erfahrungsgemäß wirkt sich die Eingangsimpedanz einer Phonostufe vor allem im Hochtonbereich aus. Beim Lyra Etna waren die Unterschiede zwischen 40 und 85 Ohm im Eingang der symmetrischen Einstein-Phonostufe recht gering.
Der vorletzte Punkt sind sind Vibrationen und die Resonanz der Arm-System-Kombination. Bei Etna und AMG ermittelte das Programm einen Peak bei etwa 8,5 Hertz, und beim SME und Transrotor Tamino waren es knapp 11 Hertz, beide Werte liegen also im idealen Fenster zwischen acht und zwölf Hertz. Auch die Intermodulationsverzerrungen, die Aufschluss über unerwünschte Vibrationen geben sollen, lagen im grünen Bereich: unter zwei Prozent.
Kommen wir noch einmal auf die Ermittlung des Vertikalen Abtastwinkels. Dazu soll man die Höhe des Tonarms variieren und schließlich die Einstellung wählen, bei der die geringsten Intermodulationsverzerrungen auftreten. So weit, so logisch. Nur verändert man bei den drei verwendeten Armen zusammen mit dem Winkel leider auch gleichzeitig die Auflagekraft und minimal auch den Überhang, wie Dietrich Brakemeier bei einem Anruf bestätigte. Daher war es für ihn nicht verwunderlich, dass sich bei einer sehr kleinschrittigen Höhenveränderung kein klares Verzerrungsminimum erkennen ließ. Natürlich verzichtete er nicht darauf, kurz anzumerken, dass dies bei seinen Tonarmen und Headshells konstruktionsbedingt nicht so sei.
Auch die Einstellung der optimalen Auflagekraft ist nicht ganz einfach: Richard H. Mak empfiehlt, mit dem größten und dem niedrigsten vom Hersteller angegebenen Wert ein Sieben-Kilohertz-Singal sowie eines mit 300 Hertz abzuspielen und sich dann für das Auflagegewicht zu entscheiden bei dem die wenigsten Verzerrungen auftreten. Da sowohl Lyra als auch Transrotor nur einen Bereich von 0,1 Gramm angeben, Einstein aber 0,2 Gramm Toleranz zugesteht, habe ich letzteren Tonabnehmer ausgewählt.
Leider unterscheiden sich die Verzerrungswerte für den linken und rechten Kanal klar. Wenn man sich entscheidet, den höheren der beiden Werte zu minimieren, ist die Sache klar: Bei 2,4 Gramm treten weniger Verzerrungen auf. Analogmagik versorgt einen mit einer Fülle von Informationen, man benötigt allerdings eine gewisse Kennenlernphase, um diese richtig interpretieren zu können.
STATEMENT
Auch Analogmagik macht das korrekte Justieren eines Plattenspielers nicht zum Kinderspiel. Aber je länger man damit arbeitet, um so einfach fällt es, aus den sehr genauen Messwerten Handlungsanweisungen für die Einstellung abzuleiten. Wer regelmäßig Tonabnehmer wechselt und solche zum mehrfachen Preis des Software- und LP-Pakets sein eigen nennt, sollte auf dieses besondere Werkzeug nicht verzichten!PS: Ich habe den Versuch mit dem Brooklyn natürlich nicht vergessen. Und wirklich, Analogmagik kommuniziert auch mit dem Mytek A/D-Wandler. Dazu muss man den „Mode“ des Brooklyn auf „PC“ setzen. Dann stellt Analogmagik die Sample Rate auf 48 Kilohertz. Unter „Settings“ ist im Programm „Sound Card Asio“, „Mytek USB Audio“ und „24 Bits“ zu wählen und schon kann's losgehen. Allerdings ist dann ein Lautstärkeregler – ich benutze einen aktiven Neumann W444STA mit Funk-Netzteil – unverzichtbar, um den Wandler nicht zu übersteuern. Einen sehr großen Gewinn in puncto Auflösung bringt diese Variante allerdings nicht: 24/48 statt 16/44,1. So man möchte, könnte man sich den ART zwar sparen, allerdings ist dieser von Richard H. Mak getestet und für gut befunden worden und damit gewiss die problemlosere Wahl.
Gehört mit
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Plattenspieler | Brinkmann LaGrange mit Röhrennetzteil, Transrotor Massimo |
Tonarm | Einstein The Tonearm 9, AMG 12JT Turbo Tonearm, SME V |
Tonabnehmer | Lyra Etna, Einstein The Pick-Up Transrotor JR Tamino |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (sym) |
Vorverstärker | Einstein The Preamp |
Endstufe | Einstein The Poweramp |
Lautsprecher | LumenWhite WhiteLight Anniversery |
Kabel | Swiss Cables Reference Plus, Goebel High End Lacorde |
Zubehör | PS Audio Power Regenerator P5, Clearaudio Matrix, Sun Leiste,Audioplan Powerstar, HMS-Wandsteckdosen, Acapella Basen, Acoustic System Füße und Resonatoren, Finite Elemente Pagode Master Reference Heavy Duty und Cerabase, Harmonix Real Focus und Room Tuning Disks, Audio Exklusiv Silentplugs |
Herstellerangaben
Analogmagik
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Lieferumfang | Box mit zwei LPs und USB Dongle |
Preis | 750 Euro |
Hersteller
Acoustical Systems
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Anschrift | Axinia Schäfer Alpenstr. 26 86935 Rott |
info@acoustical-systems.com | |
Web | www.acoustical-systems.de |