Audeze produziert Magnetostaten in handwerklicher und klanglicher Perfektion. Mir wird die Aufgabe zuteil, unser Audeze-Testportfolio um den LCD-X zu erweitern. Dass der Testablauf keinesfalls der namensgebenden Odyssee glich, sondern mich auf angenehme Weise ans Ziel führte, werde ich im Folgenden schildern.
Der LCD-X soll, ebenso wie sein geschlossenes Pendant LCD-XC, zu den vielseitigsten Magnetostaten der LCD-Serie gehören. Die Nutzbarkeit an einem Smartphone, Tablet oder PC soll ebenso gegeben sein wie an einem separaten Kopfhörerverstärker. Bei einer Impedanz von 20 Ohm, gepaart mit der hohen Empfindlichkeit von 103 Dezibel bei einem Milliwatt sollen bereits 100 Milliwatt Ausgangsleistung des Zuspielers ausreichend sein. Aktuell ist der offene Magnetostat in Standardausführung oder als sogenanntes deutlich günstigeres Creator Package, bei dem kein Transportcase mitgeliefert wird, erhältlich. Des Weiteren gibt es eine Ausführung mit Ohrpolstern und Kopfband aus Lammleder oder eine vegane Alternative, bei der Alcantara verarbeitet wird. Für große Köpfe gibt es längere Distanzstangen, die allerdings gesondert geordert werden müssen.
Bevor ich zusammenfassend die Funktionsweise des Schallwandlers erläutere, möchte ich eines kurz vorwegnehmen. Als unser Chefredakteur mir den LCD-X als mein nächstes Testprodukt angekündigt hat, haben wir weder über seine Erfahrungen mit dem LCD-XC, noch über etwaige Empfehlungen hinsichtlich Musikstil gesprochen. Auch den Test des LCD-XC habe ich erst im Nachgang gelesen und erst dann unsere teilweise übereinstimmenden Höreindrücke festgestellt. Der LCD-X und LCD-XC liegen demnach hinsichtlich ihrer klanglichen Eigenschaften in gewissen Bereichen eng beieinander. Dennoch stehen sich ein offener und geschlossener Kopfhörer gegenüber, die für vollkommen verschiedene Anwendungszwecke konzipiert wurden.
Die zur Fertigung der Audeze-Produktpalette genutzten Materialien kommen teilweise aus der Raumfahrttechnik der NASA und es hat einige Zeit gedauert, bis Audeze die Verarbeitung der außergewöhnlich dünnen Folie perfektioniert hat. Diese spezielle Folie wird ganzflächig durch ein besonderes Verfahren im Vakuum mit Metall beschichtet und im Magnetfeld einer Anordnung von Permanentmagneten platziert. Sowohl die Folienmembran als auch die Magneten werden intern fabriziert und sind Eigenentwicklungen von Audeze. Durch die geringe Dicke und somit auch kleine Masse der Membran, gelten Folien-Magnetostaten als ausgesprochen impulsgetreu. Um ausreichenden Tiefgang zu erreichen, ist allerdings eine recht große Membranfläche von Nöten, die den verhältnismäßig geringen Hub kompensiert. Zusätzlich kommen sogenannte Fazors zum Einsatz, die sich als eine Art Waveguide verstehen lassen. Außerhalb der Magnetanordnung positioniert, „lenken“ sie die Schallwellen zur Verbesserung der Transparenz, Phasenreinheit, Hochtonwiedergabe und sollen Verzerrungen minimieren.
Für den Test steht mir das Creator Package zur Verfügung. Kopfhörer, Anschluss- und Adapterkabel, die Bedienungsanleitung auf einem USB-Stick – mit wenigen 100 Megabytes Speicherkapazität – und eine Authentizitätsurkunde im Kreditkartenformat befinden sich im Lieferumfang. Der Authentizitätsurkunde ist zu entnehmen, dass der Kopfhörer firmenseitig umfangreich getestet wurde, bereits eine Einspielphase durchlaufen hat und somit sofort einsatzbereit ist. Quittiert wird dies handschriftlich vom zuständigen Mitarbeiter. Das Autogramm hat sich der LCD-X wahrlich verdient. Die Verarbeitungsqualität ist makellos, das mattschwarze Aluminium macht die gesamte Konstruktion überaus robust und sieht verdammt gut aus. Speziell das Design der seitlichen Öffnungsgitter mit dem angedeuteten A sieht sehr edel und hochwertig aus. Die solide Verarbeitung und große Bauform bringen unweigerlich einiges an Gewicht auf die Waage, im Ganzen über ein halbes Kilo. Im Verlauf der Hörsessions, die mitunter gute drei Stunden gedauert haben, hat sich aber gezeigt, dass das Gewicht durch den angenehmen Sitz entspannt auf dem Kopf ruht. Gleichermaßen massiv ist das geflochtene Anschlusskabel, das mit einem 6,3-Millimeter-Klinkenstecker, zwei 4-Pol Mini-XLR zum Anschluss an den Kopfhörer und einem festen Aluminiumzylinder an der Y-Aufteilung ausgestattet ist. Das Kabel verrät es bereits, die Aluminiumschönheit LCD-X fühlt sich am wohlsten in Gesellschaft von dedizierten Kopfhörerverstärkern. Für den Betrieb an 3,5-Millimeter-Klinkenbuchsen liegt ein Adapterkabel bei. Für den Betrieb unterwegs ist das ziemlich umständlich, aber hierfür ist die offene Bauform ohnehin eher ungeeignet. Wer dennoch ausschließlich eine 3,5-Millimeter Buchse nutzen möchte, kann die Zuleitung gegebenenfalls austauschen und somit auf das Adapterkabel verzichten. Dazu muss aber auf einen Kabelspezialisten zurückgegriffen werden, da Audeze selbst diese Variante nicht anbietet.
Die niedrige Impedanz und hohe Empfindlichkeit des Kopfhörers sollten ihn eigentlich sehr unkritisch in der Wahl des Zuspielers machen. Insofern beginne ich mich durch die Musikbibliothek auf meinem FiiO X7 Mark II mit AM3A-Modul zu hören. Das Verstärkermodul liefert nur wenig mehr Leistung, als der LCD-X mindestens verlangt. Als erstes wähle ich den vielgehörten Klassiker „Sultans of Swing“ von Dire Straits gleichnamigem Debutalbum – remastered und in 44,1/16. An diesem Song gefällt mir neben seiner musikalisch schlichten, aber dennoch außergewöhnlich groovigen Darbietung die extrem luftige Einbindung der Gitarre in den Mix. Außerdem hat das Stück ungeahnte Tiefbässe, die je nach Abhörsituation unterschiedlich stark zu Tage treten. Mal sehen, was mit dem portablen Player möglich ist. Genau wie in der ersten Textzeile überkommt mich ein kurzer Schauer, allerdings nicht vor Erschrecken, sondern vor Freude. Die Gitarre klingt fast genauso unbeschwert, wie ich sie mir gewünscht habe, die Beckenanschläge extrem artikuliert, der E-Bass sehr tief und warm. Der erwähnte Tiefbassanteil ist minimal hörbar und sticht nicht unangenehm heraus wie es bei manchen Kopfhörern oder Lautsprechern der Fall ist. Alle Frequenzbereiche scheinen absolut gleichberechtigt zu sein. Die Lautstärkeregelung am Player musste ich zu etwa 40 Prozent aufdrehen, um eine angenehme Hörlautstärke zu erreichen. Der Kopfhörer ist demnach tatsächlich genügsam und kommt schon mit wenig Verstärkerleistung ausgezeichnet zurecht. Sogar mein Smartphone ist in der Lage, den LCD-X anzutreiben, allerdings nur bei moderaten Lautstärken. Da dies geklärt ist, stecke ich um an den Kopfhörerverstärker des Mytek Liberty Digital-Analog-Wandlers. Nochmals höre ich denselben Song bei identischer Lautstärke. Die ohnehin schon große Bühne scheint noch ein Quäntchen zuzulegen, ebenso der Tiefgang. Die Mitten werden minimal präsenter, was besonders an der Stimmwiedergabe auffällt und die Separation der Instrumente wird noch etwas ausgeprägter. Im Direktvergleich gefällt mir persönlich der zurückhaltendere Klang des mobilen Players besser. Besonders der weniger ausgeprägte, wenn auch weniger tief reichende, Bassbereich sagt meinem Geschmack eher zu. Da zur Beurteilung von Mischungen genau dieser Tiefgang allerdings unabdingbar ist, würde ich zu diesem Zweck wieder den Kopfhörerverstärker des Mytek bevorzugen. Allerdings dann die extremen Tiefen und einige Mitten per EQ leicht absenken, was der Präzision des Kopfhörers in dieser Konstellation tatsächlich zu Gute kommt. Musikalisch verliert der LCD-X dadurch zwar an Lebendigkeit, gewinnt aber an analytischer Qualität und Direktheit. Beim Musikhören setze ich normalerweise nie einen EQ ein, beim Mixing respektive Mastering wiederum ist alles erlaubt, was zweckdienlich ist. Zumal Kopfhörer für diesen Zweck in den meisten Fällen nach Lautsprechern ohnehin erst die zweite Wahl sind. Für Hörer, die nicht gerne am EQ rumschrauben, dürfte das Reveal Plugin von Audeze interessant sein. Es bietet einen speziell auf den jeweiligen Kopfhörer fest abgestimmtes Filterset, das stufenlos zwischen null und einhundert Prozent zugeschaltet werden kann. Dies funktioniert mit allen Software-Playern, die AU-, VST- oder AAX-Plugins unterstützen, in Roon beispielsweise ist es fest integriert und muss nicht erst installiert werden. Reveal verlagert die Tonalität ebenfalls leicht zum Analytischen, was beim entspannten Musikhören nicht immer erwünscht ist. Wenn man das Plugin allerdings auf einem niedrigen Prozentwert nutzt, wird es seinem Namen gerecht, denn es deckt tatsächlich minimal mehr Details auf, ohne dabei zu offensichtlich oder den Musikgenuss störend zu arbeiten. Schlussendlich ist es erfreulich, dass der LCD-X doch recht deutlich auf verschiedene Zuspieler reagiert, so findet jeder eine passende Kombi, auch ohne DSP.
Da ich mich von der Impulsfreudigkeit überzeugen lassen möchte, greife ich als nächstes zu einem absoluten Härtetest. Das Album The World Is Getting Smaller von Snarky Puppy wurde fast durchgängig von zwei Schlagzeugern eingespielt, deren Instrumente auf dem linken und rechten Kanal positioniert sind. Ich versuche die zwei Bass Drums getrennt voneinander zu hören, was die Aufgabe für den Audeze nicht einfacher macht, da speziell Impulse im niedrigen Frequenzbereich die Membrane am stärksten auslenken und somit bauartbedingt an ihre Grenzen treiben. Beim Opener des Albums „Native Sons“ in 44,1/16 gelingt dies trotzdem sehr gut. Die Schlagzeuge klingen derart satt, dass ich das Gefühl habe, als würde ich selbst spielen, die Bass Drum scheint nahezu greifbar. Dass sich dieses Gefühl konstant bei allen anderen Instrumenten fortsetzt, ist wirklich ein Meisterstück. Alles klingt sehr authentisch und homogen. Dennoch ist mir die Abstimmung ein wenig zu warm. Ich wähle diese Umschreibung bewusst, da weder basslastig noch höhenarm im Geringsten zutreffend wären. Beide Bereiche sind ebenso wie die Mitten sehr gut aufgelöst und stehen in einem angenehmen Verhältnis zueinander. Für etwas mehr Definition im Tiefbassbereich empfiehlt sich tatsächlich auch hier eine leichte Absenkung des selbigen.
Kopfhörer fordern mich meist noch mehr dazu heraus, elektronische Musik zu hören, als Lautsprecher. Deshalb hier noch ein kurzer Eindruck zum Titeltrack des Albums Canon des kanadischen DJs Overwerk. Basierend auf Smetanas Moldau erreicht das Stück zwar in keinster Weise die emotionale Tiefe des Originals, allerdings ist die Transition in einen komplett anderen Stil sehr gut gelungen. Um es kurz zu machen, der LCD-X fühlt sich in diesem Genre wie zu Hause. Abgrundtiefe, gleichzeitig enorm luftige Bässe, ohne andere Details zu überdecken. Wie bisher, eine beeindruckende Stereobreite und bereits recht passable Tiefenstaffelung für einen Kopfhörer. Beide verlieren bei den verschiedenen, übereinanderliegenden elektronischen Synth-Sounds nie den Fokus. Durch die enorme Räumlichkeit der Wiedergabe macht es enorm viel Spaß, sich durch die Klangflächen treiben zu lassen.
Nachdem ich mit dem vorherigen Beispiel an orchestraler Musik knapp vorbei geschrammt bin, abschließend noch ein Hörbeispiel aus dem klassischen Bereich. Da ich aus meinem Dachfenster wahrscheinlich direkt auf Brahms Schreibtisch hätte blicken können, wenn ich mich in den frühen Sechzigern des 19. Jahrhunderts befände, höre ich seine 2. Sinfonie in D-Dur. Ich wähle die Einspielung von Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern aus dem Jahre 1987 (Deutsche Grammophon, DDD) in der remasterten Ausgabe als CD-Rip. Und ab diesem Moment setzt ein Phänomen ein. Trafen sich die klangliche Abstimmung und mein persönlicher Geschmack bisher nicht in vollem Umfang, bin ich jetzt schlichtweg überwältigt. Der sanft beginnende erste Satz ist eine wahre Freude, auch ohne dass ich am EQ herummanipuliert habe. Die räumliche Gesamtabbildung des Orchesters ist fantastisch, die Auflösung, Dynamik und das Timbre der verschiedenen Instrumentengruppen auf extrem hohem Niveau, obwohl die Aufnahme selbst nicht die transparenteste ist. Das Zusammenspiel der melodieführenden Instrumente im zweiten Thema ist wunderschön. Zuerst durch Bratschen und Celli erklingend, wandert das Motiv zu den Holzbläsern und schlussendlich in die Geigen. Wunderbar nachvollziehbar und gleichzeitig vielschichtig. Einzig bei den Kontrabässen vermisse ich Definition und Lokalisierbarkeit, was nicht dem Kopfhörer, sondern wiederum auch der Aufnahme anzulasten ist. Dass dies das einzige ist, was mich stört, zeigt einerseits nochmals eindrücklich wie hochwertig, andererseits wie originalgetreu und beurteilbar der Kopfhörer das eingespielte Signal umsetzt.
STATEMENT
Der LCD-X sei Klassikliebhabern nachdrücklich ans Herz gelegt. Auch Freunde anderer Musikstile werden ihre wahre Freude an dem Audeze haben, solange sie auf eine tendenziell entspannter klingende, warme Wiedergabe Wert legen. Nicht zuletzt die hervorragende, solide Verarbeitung macht den Magnetostaten zu einem außergewöhnlichen Kopfhörer.
Gehört mit
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Computer | Intel i7-2600K @ 3,4GHz, 16GB RAM @ 1600MHz, Windows 7 Professional SP1 (Roon, foobar2000) |
DAC | Mytek Liberty DAC |
Player | FiiO X7 Mark II mit AM3A |
Smartphone | Motorola X 2nd Gen, 32GB, Android 6.0 (Onkyo HF Player) |
Herstellerangaben
Audeze LCD-X
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Stil | Offener ohrumschließender Kopfhörer |
Wandlerart | magnetostatisch |
Magnetstruktur | proprietäre Magnetanordnung |
Phasenmanagement | nicht verfügbar |
Magnettyp | Neodym N50 |
Membrantyp | ultra-dünne Folie |
Membrandurchmesser | 106 mm |
Maximale Belastbarkeit | 15W |
Maximaler Schalldruckpegel | >130dB |
Frequenzbereich | 10Hz – 50kHz |
Klirrfaktor | <0.1% @ 100dB |
Impedanz | 20 Ohm |
Empfindlichkeit | 103dB/1mW |
Leistungsbedarf | >100mW |
Preis | 1450 Euro |
Vertrieb
audioNEXT GmbH
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Anschrift | Isenbergstraße 20 45130 Essen |
Telefon | 0201 5073950 |
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