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Ein Besuch bei der Chord Company

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In den letzten Monaten hatten Kollegen immer mal wieder Interesse an einem Kabel aus dem umfangreichen Chord-Portfolio bekundet. Aber Mika Dauphin, der Chef des in Deutschland für Chord zuständigen Drei H Vertriebs, hatte alle Anfragen abschlägig beschieden und stattdessen einen Besuch in Südengland vorgeschlagen: Und das war gut so.

Doch bevor ich Ihnen verrate warum, möchte ich – nicht zuletzt, weil selbst einem unserer Autoren die Tatsache nicht präsent war – noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es in Englands Hifi-Industrie zwei völlig voneinander unabhängige Unternehmen mit dem Namen Chord gibt: den Verstärker-Hersteller Chord Electronics, der in letzter Zeit vor allem mit den D/A-Wandlern DAVE und Hugo TT 2 sowie den Portables Hugo und Mojo für Furore sorgte, und die The Chord Company, die schon seit 1984 Kabel fertigt. Statt um den Namen zu streiten, kooperieren die beiden, circa zwei Autostunden von einander entfernt liegenden Chords lieber miteinander: Im Hörraum der Kabelspezialisten findet man einen DAVE, davor einige portable Kopfhörerverstärker/Wandler-Kombinationen, da natürlich auch Kopfhörer-Kabel im Programm der Chord Company zu finden sind. Darauf, ob Chord Electronics im Gegenzug auch Chord-Kabel im Hörraum unter dem Dach des Pump House verwendet, habe ich bei meinem Besuch dort leider noch nicht geachtet.

Aber ich wollte Ihnen ja sagen, warum mir Mika Dauphins Entscheidung, vor einer Visite im leider in letzter Zeit weltweit bekannt gewordenen Amesbury kein Kabel zum Test zu geben, in der Rückschau absolut richtig erscheint: Wenn wir Ihnen ein preislich moderates, sehr überzeugend klingendes Chord-Kabel präsentiert hätten, wäre damit wohl nur wieder das – positive und von mir durchaus geteilte – (Vor.)Urteil bestätigt worden, dass Chord vor allem in diesem Preissegment viel zu bieten habe. Bei der Vorbereitung meines Besuchs hatte mich Martin Cobb, der bei Chord für die Entwicklung internationaler Märkte zuständig und auch auf vielen deutschen Hifi-Messen anzutreffen ist, um eine Liste mit den Komponenten meiner Anlage gebeten, um entsprechende Demonstrationen im firmeneigenen Hörraum vorbereiten zu können. Natürlich wollte ich mich ebenfalls ein wenig vorbereiten und entdeckte zu meiner Überraschung, dass sich unter Chords sieben Kabellinien auch – wie die Preise vermuten ließen – zwei extrem hochwertige befinden: „Sarum T“ und „Chord Music“. So kostet das kürzeste „Sarum-T“-Netzkabel 1.900 und das günstigste Paar „Chord-Music“-XLR-Interconnects 5.500 Pfund Sterling. Schon vor dem Eintreffen in der Firma hatte sich mein bisheriges Bild von Chord also ein wenig gewandelt.


Im Chord Company House in einem Industriegebiet von Amesbury nahmen sich dann Martin Cobb und Doug Maxwell meiner an: Ersterem war ich – wie gesagt – schon auf einigen Messen begegnet. Er war lange Jahre in Plattenfirmen tätig, kennt sich in Sachen Musik sehr gut aus und ist durch seine Studienabschlüsse in Französisch und Deutsch bestens für seinen Job bei Chord gerüstet, den er vor knapp zwei Jahren angetreten hat. Und deshalb war auch Doug Maxwell mit von der Partie, der sich schon etwa ein Jahrzehnt um den Vertrieb der Kabel in einem Teil Englands kümmert und mit der Firma und ihren Produkten aller bestens vertraut ist. Es war übrigens kein Zufall, dass der Besuch an einem Montagmittag begann: Es ist Tradition, dass jeden zweiten Montag in der Firma gekocht wird. So fanden sich dann kurz nach meiner Ankunft unter anderen Martin, Doug, Chords Geschäftsführer und Entwickler Alan Gibb und Alan Ainslie, der – wie Hifistatement-Leser wissen dürften – für den Melco-Vertrieb in Europa zuständig ist und der mich freundlicherweise nach Amesbury gebracht hatte, am großen Esstisch in Chords mit aller notwendigen Küchentechnik ausgestatteten Pausenraum wieder. Das mit viel britischem Humor gewürzte Tischgespräch kreiste um eine Vielzahl von Themen, diente aber erfreulicherweise in keiner Weise der Selbstdarstellung der Company.

Deren Geschichte brachten mir Doug und Martin erst anschließend im mit einigen Fotos aus der Firmengeschichte geschmückten Besprechungsraum nahe: 1984 saßen im nicht weit entfernten Salisbury Mitarbeiter von Naim Audio mit einer Gruppe von amerikanischen Naim-Händlern zusammen, und diese fragten im Laufe des Gesprächs nach hochwertigen NF-Kabeln, die auf der einen Seite mit DIN- und auf der anderen mit Cinch-Steckern konfektioniert wären. Da Naim zu der Zeit nicht an der Produktion von Kabeln interessiert war, schlug Sally Gibb, damals die Gattin von Naims Paul Stephenson, spontan vor, dass sie die Kabel fertigen und dazu eine Firma gründen könne. Naim stimmte dem Ganzen zu, und auch ein Name für die neue Firma stand bald fest: Die Amerikaner bezeichnen die Interconnects als „cords“, da lag der englische Begriff „Chord“ – deutsch „Akkord“ – nicht fern. Sally entwarf ein Logo und die Verpackung und begann Prototypen zu testen, wobei sie bei der Entwicklung von ihren Freunden bei Naim mit Rat und Tat unterstützt wurde. Viele halfen auch bei der Produktion.

Die in Britannien entworfenen und gefertigten Kabel sollten natürlich auch aus Materialien von einheimischen Zulieferern gebaut werden. Damals bedurfte es einer längeren Suche, solche zu finden, die eine ausreichende Qualität liefern konnten. Schließlich war der erste Prototyp mit Namen „Chrysalis Cable“ fertig und überzeugte die amerikanischen Händler derart, dass sie postwendend 250 Kabelsätze bestellten. Die Rechnung soll zu der Zeit noch auf einer mechanischen Schreibmaschine erstellt worden sein! Nach zwei Jahren gab es dann den ersten Test in einem englischen Hifi-Magazin – und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf: Der Küchentisch hatte als Produktionsstätte ausgedient. In den folgenden mehr als drei Jahrzehnten hat sich Chord erfolgreich als Hersteller mit einer breiten Produktpalette auf dem heiß umkämpften Kabelmarkt etabliert und besitzt mit dem Isolationsmaterial Taylon® und der ARAY-Technology auch zwei Alleinstellungsmerkmale.


Nach soviel Firmenhistorie steht erst einmal ein Rundgang durchs Gebäude an, von dem ich bisher ja nur ein Großraumbüro, das Besprechungszimmer und den Pausenraum gesehen habe. Als erstes fällt – egal ob in der Verwaltung oder der Produktion – die ebenso konzentrierte wie entspannte Atmosphäre auf. Hier gibt es keine separaten Räume – vielleicht sogar noch mit Namensschild inklusive Titel an der Tür – für den Geschäftsführer, seinen Stellvertreter, den Design- und Marketing-Spezialisten, die Buchhaltung und den Verkauf. Die Schreibtische des Betriebs- und des Produktionsleiter stehen in den Produktionsräumen: Das lässt aber nicht automatisch den Gedanken an Kontrolle aufkommen, hier assoziiert man eher flache Hierarchien und kurze Dienstwege. Dank solcher Strukturen könnte man sich glatt vorstellen, bei Chord anzufangen.

Dass die sehr preisgünstige „C-Series“ nicht im Haus hergestellt wird, hatte mir Doug bereits verraten, nicht aber, dass schon die ebenfalls zum Einsteigerbereich zählende, überaus erschwingliche „Clearway“-Linie in Handarbeit konfektioniert wird. Bei einem „Epic“-NF-Kabel musste ich dann selbst Hand anlegen, wohl um zu beweisen, dass ich weiß, wo bei einem Lötkolben vorn und hinten ist. Das Zurechtschneiden und Abisolieren der einzelnen Leiter stellte mich vor keinerlei Probleme, mit dem silberhaltigen, bleifreien Lot eine auch noch gut aussehenden Verbindung zustande zu bringen, schon. Gut, dass ich zuhause noch ein wenig bleihaltiges Lot gehortet habe. Dass meine Lötverbindungen die strenge Qualitätskontrolle passierten, war wohl nur der englischen Höflichkeit zu verdanken. Interessant war, dass das Ausgangsmaterial für ein normales Cinch-Kabel ein natürlich geschirmter, dreiadriger Leiter war. Die Funktion von zwei Leitern erklärt sich von selbst, nach der des dritten fragte ich meinen „Praktikumsanleiter“ Chris Baker, der aber etwas ausweichend auf die Verwendung desselben Materials auch für symmetrische Verbindungen verwies. Später im Hörraum gab es dann eine überzeugendere Erklärung. Das besagte dreiadrige Ausgangsmaterial wird beim „Epic“ noch mit einem schützenden Geflecht überzogen. Die Schrumpfschläuche am Übergang vom Stecker zum Geflecht geben die Laufrichtung an. Wie Doug erläuterte, wird ein Stück Leitung von jeder angelieferten Kabeltrommel mit Steckern versehen, damit man im Hörraum die Laufrichtung überprüfen kann. Auf die aufgedruckte Schrift will man sich nicht verlassen: Dafür sei die Laufrichtung klanglich viel zu entscheidend.


Für die Gruppe der sogenannten „Master“ mit den Linien „Signature“, „Sarum T“ und „Chord Music“ begnügt sich Chord dann nicht mehr mit zugelieferten Leiter- und Schirmkombinationen: Hier werden die Kabel aus Einzelleitern und Schirmmaterialen per Hand zusammengestellt und dann anschließend konfektioniert. Nur so lassen sich die gewünschten Strukturen realisieren. Eine davon ist das sogenannte „Super ARAY“, das als „mechanische Optimierungs-Technologie“ beschrieben wird. Beim „Epic“, bei dem wie in der „Signature“- und „Shawline“-Serie ein „Tuned Aray“ zum Einsatz kommt, ist der dritte Leiter ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Ganzen, wie Doug verriet – er hat nicht das mindeste mit einer symmetrischen Signalführung zu tun. Die Technik wurde bei der Entwicklung von Digital-Kabeln entdeckt, entstand, so sagt man, aus einer radikalen Idee und wurde mit einer Menge Trial And Error im Labor verfeinert. Das „Tuned ARAY“ soll der Ausgangsprodukt gewesen sein, aus dem dann für „Sarum T“ und „Chord Music“ das noch einmal verfeinerte „Super ARAY“ abgeleitet wurde. Ich spekuliere mal, dass hier zwei Leiter im Spiel sind, die nicht dem Signaltransport dienen. Damit auch die drei günstigen Kabel-Serien von der Idee profitieren konnten, reduzierte man das „Tuned ARAY“ auf das einfache „ARAY“. Noch genaueres war weder Doug noch Martin zu entlocken.

Ein paar mehr Details lassen die beiden dann aber in Sachen Taylon verlauten: Wie fast alle Firmen in der Kabelindustrie habe auch Chord lange Zeit für seine hochwertigen Serien PTFE – also Teflon – oder einen Teflonschaum verwendet, denn dessen sehr niedrige Dielektrizitätskonstante führt zu einen schnellen Signaltransport. Doug erzählt, dass Alan Gibb während eines Fluges mit seinem Sitznachbarn über seine Tätigkeit und auch über die Verwendung von PTFE gesprochen habe. Der offenbar sehr materialkundige Herr nebenan habe ihn darauf hingewiesen, dass Teflon im Bereich der üblichen Schwankungen der Raumtemperaturen unterschiedlich starke Phasendrehungen bewirke und ihm vorgeschlagen, einmal ein Material auszuprobieren, dass bei Raumtemperaturschwankungen keine Phasendrehungen verursache und auch eine recht niedrige Dielektrizitätskonstante erreiche, auch wenn diese den Wert von Teflonschaum nicht ganz erreiche. Die chemische Bezeichnung des Isolationsstoffes gibt Chord natürlich nicht preis: Man hat sich dafür die Handelsmarke Taylon eintragen lassen. Die Entdeckung des neuen, alles andere als preisgünstigen Materials führte schließlich zur Entwicklung der „Chord-Music“-Kabellinie, die für Chord – momentan – den Gipfel des Machbaren markiert. In einem nächsten Schritt übertrug man dann die bei der Konstruktion der „Music“-Serie gewonnen Erkenntnisse auf die bisherige Top-Kabel-Linie „Sarum“. So entstand die „Sarum T“-Serie, die deutlich erschwinglicher ist als die Topmodelle.

Im Hörraum hatte ich dann die Gelegenheit, erst einmal ein kleineres Lautsprecherkabel mit und ohne Schirmung zu hören, dann die Auswirkungen eines „Tuned ARAY“ klanglich nachzuvollziehen und ein „Sarum“ mit einem „Sarum T“ zu vergleichen. Ohne Sie jetzt mit einer Fülle von Klangeindrücken langweilen zu wollen: Für mich waren die Unterschiede zwischen einem „Sarum“ mit und ohne Taylon fast schon erschreckend groß. Von der Taylon-Version konnte sich das „Chord Music“ zwar noch einmal klar absetzen, allerdings war der Sprung von hier nicht so groß wie zwischen dem „alten“ und dem „Sarum T“. Das braucht übrigens Besitzer eines „Sarum“ nicht zu grämen: Chord bietet nämlich nicht nur hier an, bereits gekaufte Kabel auf den neuesten Stand bringen zu lassen – wirklich sehr kundenfreundlich.


Natürlich haben wir noch ein wenig mehr gehört als hier beschrieben. Da ich weder den Raum, die Anlage noch die von Doug ausgewählte Musik kannte, habe wir jede etwa einminütige Sequenz zweimal wiederholt, bevor ein Kabel ausgewechselt wurde: Das war also eher hochkonzentrierte Arbeit statt Hörvergnügen. Nach zwei, drei Stunden haben wir es dann gut sein lassen und nur zum Spaß ein wenig alte Rockmusik genossen. Bald darauf ging es dann vorbei an den Überresten der alten Stadt Sarum nach Salisbury, wo uns Martin auf dem Weg zum Inder noch an der wirklich ungemein beeindruckenden Kathedrale vorbeiführte.

Paul Telling, zuständig für Design und Marketing, hat die wirklich sehens- und dank der Musikschnipsel und weiterführenden Spotify-Playlisten aller Chord-Mitarbeiter auch hörenswerten Websites gestaltet und dort immer mal wieder Ansichten von Stonehenge eingebaut, von denen man eine auch auf der Seite von Drei H findet. Das Kulturdenkmal liegt nur etwa zehn Kilometer von Chords Firmensitz entfernt, so dass es wirklich naheliegend ist, dort am Dienstagmorgen mit Martin Cobb ein, zwei Stunden zu verbringen. Die sind unter anderem deshalb nötig, weil man schon längst nicht mehr wie etwa in den 70-er Jahre mal eben zum Monument fahren und ein wenig zwischen den Steinen umher spazieren kann. Heute betreibt English Heritage ein gutes Stück entfernt ein Besucherzentrum, und man gelangt mit Pendelbussen in die Nähe der Anlage. Aber das tut zumindest für mich dem Erlebnis keinen Abbruch. Dank an meinen Guide Martin!


Zurück in der Firma geht’s dann wieder in den Hörraum. Dort es gilt es, verschiedene Evolutionsstufen des Signature-Reference-Lautsprecherkabels miteinander zu vergleichen, das trotz des „Reference“ im Namen nicht exorbitant teuer ist und auf der Wunschliste des Kollegen Finn Gallowsky steht. Also in Kürze mehr dazu. Wie auch bei den Kabeln zuvor war im Chordschen Hörraum jede Weiterentwicklung klar als klangliche Verbesserung wahrzunehmen. Auch abgesehen von den netten persönlichen Kontakten hat sich der Besuch gelohnt: Ich habe gelernt, dass Chord nicht nur beim Thema erschwingliche Kabel ganz hervorragend aufgestellt ist, sondern dank zweier Alleinstellungsmerkmale in High-End-Gefilden ebenfalls eine Menge zu bieten hat. Aber auch hier dürfen die angebotenen Lösungen als im besten Sinne preiswert gelten.

Einziger kleiner Wermutstropfen des ansonsten rundum angenehmen Besuchs: Sally Gibb kam leider erst kurz vor meinem Aufbruch zum Flughafen in die Firma. Da blieb leider viel zu wenig Zeit, ein bisschen intensiver mit der Firmengründerin zu reden. Aber dies muss ja nicht der letzte Besuch bei Chord gewesen sein.


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