AudioSolutions Flaggschiff, die „Jubiläums-Vantage“ zum fünfjährigen Firmenbestehen, ist in meinen Augen schon jetzt eine Ikone – leider für mich in naher Zukunft unbezahlbar. Glücklicherweise darf ich in diesem Test einen erschwinglichen Vorgeschmack mit dem Figaro S aus der neusten Serie der litauischen Lautsprecherschmiede erleben.
Zur Abwechslung mal ein Lautsprecher, der sich auch ohne die Hilfe einer Spedition, von einem Haufen Freunde bei der Aufstellung und eines Bankkredits ins heimische Wohnzimmer schaffen lässt. Der Figaro S ist das kleinste Standlautsprechermodell der Serie und kommt nicht aus Sevilla, sondern wie bereits erwähnt aus Litauen, genauer: der Hauptstadt Vilnius. Das Modell entspringt der Feder von Firmengründer und Entwickler Gediminas Gaidelis. Die Figaro-Serie ist ungewöhnlich umfangreich, so werden nebst drei weiteren Standlautsprechergrößen ein Regallautsprecher und ein Center angeboten. Somit wird das Paket nicht nur für Stereo-Freunde, sondern auch für Besitzer von Surround-Systemen sämtlicher Couleur interessant.
Ehrlich gesagt schätze ich mich glücklich, „nur“ das S-Modell als Testkandidaten zur Verfügung gestellt zu bekommen. Zwar sind die größeren Modelle mehr als reizvoll, aber der Weg aus dem Erdgeschoss über mehrere Stockwerke in meine Wohnung fiel so deutlich angenehmer aus. Samt Verpackung bringt ein Lautsprecher etwa 31 Kilogramm auf die Waage, gerade noch wenig genug, um als Paket per DHL versendet werden zu können. Nach dem Auspacken, das tatsächlich alleine recht entspannt zu bewerkstelligen ist, bleiben noch etwa 28 Kilo. Zeit für eine Bestandsaufnahme: Die Abmessungen sind noch kompakter als erwartet. Der Figaro S ist nur 94 Zentimeter hoch, etwa 23 Zentimeter breit, dafür mit 40 Zentimetern recht tief. „Niedlich“ ist die erste unmittelbare Assoziation. Die Seitenwände schmückt ein überlackierter Texturkern in Leinenoptik, garniert mit goldenen Glitzerflocken. Zu niedlich gesellt sich hinreißend. Das Finish sagt mir sehr zu, obwohl gedeckte Farben sonst eher mein Fall sind.
Leider bildet ein Foto nicht annähernd ab, was hier optisch los ist. Mit verschiedenen Lichtquellen kann man das Zierelement noch weiter hervorstechen lassen, so dass der Lautsprecher wirklich ein eigenständiges Design-Element des Wohnraums wird. Das erklärte Ziel, nicht nur einen simplen Lautsprecher, sondern ein Schmuckstück zu bauen, ist erfüllt. Dieses und 16 weitere Designs sollten sich in jeden Wohnraum perfekt einfügen oder je nach persönlichem Geschmack einen deutlichen Akzent setzen. Der Rest des Lautsprechers hat eine raue anthrazit-schwarze Oberflächenbeschichtung bestehend aus gemahlenem Stein und Polyurethanlack. Sie macht einen sehr widerstandsfähigen Eindruck und verzeiht den einen oder anderen Kratzer bestimmt deutlich nachsichtiger als das Hochglanzfinish der Seiten. Die Verarbeitungsqualität ist insgesamt sehr überzeugend. Einige Anleihen aus der Vantage-Anniversary-Serie wie Form und Oberflächenmaterial sind deutlich erkennbar.
Wie üblich hat mich Entwickler Gediminas Gaidelis über seinen deutschen Vertriebschef Thomas Wendt perfekt über das Weichendesign informiert. In der Vergangenheit – Euphony- und Rhapsody-Serie – wurde mit sogenannten Peer-to-Peer-Weichen gearbeitet. Die jeweils benötigten Bauteile befanden sich direkt am Lautsprecherchassis selbst. Für die Figaro- und Overture-Serie wurde ein Hersteller von Platinen mit besonders dicken Leiterbahnen gefunden. Der Vorteil gegenüber der Peer-to-Peer-Verbindung ist ein identischer Frequenzverlauf bei jeder produzierten Weiche. Leider lässt sich minimaler Crosstalk nicht vermeiden, dafür ist auch er bei jeder gebauten Weiche identisch, somit vorherseh- und besser einplanbar. Bei allen von Jantzen stammenden Bauteilen wird auf höchste Qualität und möglichst geringe Verluste geachtet. Die Spulen für den Basstreiber beispielsweise haben lediglich einen Widerstand von 0,04 Ohm. Bei von anderen Herstellern verwendeten Bauteilen sind 0,5 bis 1 Ohm nicht unüblich. Schlussendlich wird nicht mehr mit Filtern dritter Ordnung gearbeitet, sondern mit Filtern verschiedener Flankensteilheit, um den gewünschten Frequenzgang zu erhalten. Bei der Figaro-Serie bewegt sie sich zwischen 12 und 24 Dezibel pro Oktave. Gemeinsam mit den Chassis, die allesamt nach Vorgaben von AudioSolutions exklusiv bei SB Acoustics gefertigt werden, erreicht die Figaro S eine Empfindlichkeit von 91 Dezibel bei einem Meter und 2,83 Volt und einen Frequenzgang von 37 – 25.000 Hertz. Die Übernahmefrequenzen befinden sich bei 400 und 4000 Hertz.
Das Aufstellen und Verkabeln gestalten sich als relativ unspektakulär. Bei einem Single-Wiring-Terminal gibt es eben keine Missverständnisse und ich kann bereits vorwegnehmen: Eine Bi-Wiring Variante werde ich nicht vermissen. Für die Aufstellung sind in der Bodenplatte vier MDF-Füße mit dünn gummierter Unterseite versenkt. Leichte Unebenheiten im Boden sind schnell ausgeglichen, und wer will, kann die Füße abschrauben und Spikes mit M6-Gewinde nutzen. Die passende Ausführung ist bei AudioSolutions deutschem Vertrieb Genuin Audio erhältlich, falls man nicht schon seine Lieblings-Spikes zur Hand hat. Bedenken sollte man allerdings die doch relativ geringe Standhöhe, denn für ein optimales Stereobild liegen Mittel- und Hochtöner bei normaler Aufstellung zu weit unter Ohrhöhe – vorausgesetzt man möchte Musik nicht vom Fußboden aus genießen. Wer sich also für den Figaro S entscheidet, sollte sich von Anfang an Gedanken über die optimale Aufstellung machen. Eine dicke Granitplatte als Sockel wäre denkbar oder eine ungewöhnlich niedrige Couch. In Ermangelung einer geeigneten Erhöhung für die Lautsprecher habe ich mich tatsächlich auf den Boden gesetzt. Wie üblich stehen die Lautsprecher in gesunder Entfernung zur Rückwand und den Seitenwänden, um kritische Raummoden geringer anzuregen und den Bassbereich unter Kontrolle zu halten, obwohl aufgrund der „Self-Locking“ Gehäusekonstruktion nicht mehr viel Kontrolle von Nöten sein dürfte. Sie verspricht einen besonders kontrollierten und schnell ansprechenden Bass. Um Resonanzen zu eliminieren, wurden verschiedenste Materialstärken und unterschiedliche Kombinationen mehrerer Schichten genutzt. Die einzelnen Bauteile sind nicht nach dem Nut- und Feder-Prinzip verbunden, sondern sind so passgenau gefertigt und zusammengesetzt, dass sie sich gegenseitig stützen und bedämpfen. So soll ein Optimum an Resonanzarmut erreicht werden.
Um diese Annahme auf ihre Plausibilität zu überprüfen, verlasse ich mich zu Beginn der Hörsession entgegen meiner sonstigen Testgewohnheit auf elektronische Musik, die allerdings einen starken akustischen Kern besitzt. „A Place“ des Hamburger Künstlers Nils Frahm vom diesjährigen Album All Melody bei 24 Bit und 96.000 Hertz ist ein hervorragender Kandidat. Das Klanggemälde bietet nicht nur ein abgrundtiefes Basssample, sondern verschiedene teilweise mit Effekten stark beeinflusste akustische Instrumente. Typischerweise ergänzt um musikalisch eingesetztes Rauschen. Das Album wurde größtenteils im von Frahm renovierten Saal 3 des „Funkhaus Berlin“ eingespielt und produziert. Für weite Strecken des Albums kam ein echter Hallraum zum Einsatz, der vor seiner Renaissance als Abstellraum diente. Bei heutigen sonst üblichen Produktionen vergessene oder wegrationalisierte altbewährte Techniken dürfen auf diesem mit viel Liebe und Herzblut realisierten Album wieder aufleben und glänzen. Soweit zur Aufnahmetechnik, doch in erster Linie soll es natürlich um die Wiedergabe gehen. Der Tiefton ist für einen Lautsprecher dieser Größe überraschend ausgeprägt. Natürlich in überaus geschmackvollem und angenehmen Maße. Er spiegelt die organische Komponente des Stückes perfekt wieder und fällt neben seiner umhüllenden und einnehmenden Art als enorm schnell und impulsgetreu auf. Das Zusammenspiel einer relativ kleinen, beweglichen Membran und einer resonanzarmen Gehäusekonstruktion scheint sich auszuzahlen. Eine weitere starke Charakteristik der Lautsprecher ist ein sehr lokalisationsscharfes Stereopanorama. Jedes Klangereignis, sei es noch so klein, ist eindeutig auf horizontaler, sogar vertikaler Ebene positioniert. Die Abbildung der imaginären Bühnentiefe ist nicht die allergrößte, jedoch führt dies zu einer überragenden Gleichberechtigung der verschiedenen Instrumente. Mit seinem sehr neutralen Mittenbereich entwickelt der Figaro S ein sehr fein gezeichnetes Klangbild, das das Ausgangsmaterial originalgetreu reproduziert, schon fast einer Studio-Abhöre gleichend. Ein höchst professionelles Wiedergabeniveau, nur eben ohne übertrieben analytisch oder kalt zu wirken.
Als nächstes nehme ich mir „You Saved Me“ der Supergroup The Winery Dogs vom gleichnamigen Album in CD-Qualität vor, um eine bekannte Stimme auf der kleinen Standbox zu hören. Eine klassische Rock-Produktion, deren Aussteuerung dennoch nicht an die Wand gefahren wurde. Vor allem haben alle drei Musiker unverkennbare Spielweisen und Sounds, die ich möglichst authentisch erleben möchte. Der gewählte Song löst sich deutlich schöner von den Lautsprechern als sein Vorgänger, was wahrscheinlich auf das weniger harte Panning zurückzuführen ist. Niemand geringeres als Billy Sheehan eröffnet mit einem beispielhaften Tapping-Intro auf dem Bass. Hier stimmt Alles: Attack, Klangfarbe und -fülle, Ausschwingverhalten und Dynamik. Die kurz darauf folgenden Beckenwirbel Mike Portnoys klingen extrem authentisch, der Lautsprecher versteckt weder ihre leichte Härte, noch dichtet er einen Schimmer oder Lieblichkeit hinzu. Die Hi-Hat steht sehr präsent im Raum, genau wie in der Mischung vorgesehen. Nach den ersten Gitarrenklängen setzt die Bass Drum gleichzeitig mit dem Gesang ein. Erstere hat ein ausreichendes Maß an Körper, dennoch kann der Figaro nicht über sein „S-Kürzel“ hinwegtäuschen, ein wenig Druck im tiefsten Frequenzkeller fehlt dem Kleinen, das ist aber nicht weiter schlimm oder verwunderlich. Die an den Tag gelegte Präzision und Geschwindigkeit entschädigt den Hörer auf ganzer Linie. Richie Kotzens Stimme klingt sehr unmittelbar, trocken und nahtlos in den Mix eingebettet. Erneut fühle ich mich an Referenz-Lautsprecher aus dem Tonstudio erinnert, denn hier wird schlichtweg nichts geschönt, erfunden oder überbetont und jede Facette absolut gleichberechtigt abgebildet. Die Darbietung der drei weinliebhabenden Virtuosen klingt genau wie während der Aufnahmen respektive Albumproduktion vorgesehen. Zumindest gewinnt man das Gefühl. Dabei war ich natürlich – leider – nicht. Auch bei vielen anderen Sängern spielt der über mehr als drei Oktaven arbeitende Mitteltöner seine Linearität voll aus. Der Hochtöner fügt sich nahtlos ein und zeigt im Stimmbereich, entgegen gnadenloser Durchzeichnung der Becken, ausreichend Gutmütigkeit bei etwas schärferen S-Lauten. Eine perfekte Kombination. Außerdem fällt mir bei der inzwischen deutlich angehobenen Lautstärke auf, dass die Lautsprecher meinen Fußboden weniger stark zum Mitschwingen anregen als andere Kandidaten bisher. Die sehr simplen Standfüße machen demnach einen sehr guten Job.
Schlussendlich möchte ich mich noch gänzlich unverstärkten Instrumenten zuwenden und höre Joaquín Rodrigos berühmtes „Concierto de Aranjuez“. Mir liegen verschiedenste Aufnahmen vor, unter andere Einspielungen der Gitarristen Narciso Yepes (1979- 96/24), Paco de Lucía (1991 - CD) und Pepe Romero (1992 - CD) natürlich mit den dazugehörigen, nicht weniger bedeutenden Dirigenten und Orchestern. Die Reproduktion des Orchesters und der Gitarren fällt fantastisch aus, feinste Unterschiede in den Aufnahmen und Stilen der Gitarristen sind klar voneinander zu unterscheiden. Alle Instrumente lösen sich vollständig von den Lautsprechern ab. Die Dynamik, speziell im emotionalen Ende des 2. Satzes, der Aufnahme mit Pepe Romero ist atemberaubend. Bezüglich der Bühnentiefe legen die Figaro S bei allen drei Aufnahmen noch einmal mächtig zu, kein Wunder, schließlich weisen Orchesteraufnahmen eine erhebliche Raumkomponente auf. Es wird und wurde grundlegend anders mikrofoniert als bei den bisher gehörten Produktionen. Dass dieser Umstand mehr als deutlich zu Tage tritt, ist ein weiterer Indikator für die herausragende Wiedergabequalität des Figaro S. Seine Diversität bei gleichzeitiger Präzision lädt nicht nur dazu ein, die altbekannten Lieblingsaufnahmen zu genießen, sondern weckt eine schier unbändige Begierde, Neues zu entdecken und mit seiner Hilfe umfassend zu entschlüsseln und musikalisch nachzuvollziehen. Für beides ist der Figaro S der ideale Lautsprecher. Und das Beste an der ganzen Sache: Es gibt auch noch eine M, L und XL Variante.
STATEMENT
Die unerschütterliche Souveränität, die der Figaro S bei verschiedensten Genres an den Tag legt, ist geradezu verblüffend. Ein Lautsprecher, der einfach geliebt werden muss. Sowohl für lange, entspannte Hörsessions als auch intensives, differenziertes Durchhören einzelner Musiktücke ist er gleichermaßen prädestiniert.
Gehört mit
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Computer | ThinkPad 470s, Intel i5-6300U @ 2,4 GHz, 12GB DDR4-RAM @ 2400MHz, Windows 10 (Roon, foobar2000) |
DAC | Mytek Brooklyn DAC+ |
Endstufe | NAD C 275BEE |
Kabel | JIB Boaacoustic (Neutron BFA), Sommer, Vovox, Cordial, Intona |
Herstellerangaben
AudioSolutions Figaro S
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Abmessungen (H/B/T) | 940/232/401 Millimeter |
Gewicht | 28 Kilogramm |
Versandgewicht | 31 Kilogramm |
Empfindlichkeit | 91 Dezibel bei 2.83 Volt/1 Meter |
Nennleistung | 90 Watt RMS |
Maximale Leistung (unverzerrt) | 180 Watt |
Nennimpedanz | 4,0 Ohm |
Übergangsfrequenzen | 400 Hertz; 4000 Hertz |
Frequenzgang (Innenraum) | 37-25000 Hertz |
Treiber | 2,5 Zentimeter Seidenkalotten-Hochtöner, 15,2 Zentimeter extra starrer Papiermembran-Mitteltöner, zwei 15,2 Zentimeter extra starre Papiermembran-Tieftöner |
Paarpreis | 3.650 Euro |
Vertrieb
Genuin Audio Vertrieb
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