Es war ein wirkliches Hörvergnügen, als ich vor rund einem Jahr die symmetrische Phonostufe model blue MKII und das damals nagelneue Netzteil model ps300 der Breisgauer Manufaktur Blue Amp ausgiebig testen konnte. Jetzt stehen die beiden wieder bei mir, und zwar zum Vergleich mit der model surzur MKII.
Passend wäre es, diesen Bericht mit Füllfederhalter und Tinte zu schreiben. Denn soviel schon jetzt: Das Erlebte ist bei jedem der drei Blue Amp Komponenten aus der kleinen Fabrikation von Rolf Becker ein analoger Hochgenuss. Dieser Vergleichstest basiert auf meinem Test des model blue MKII, wo es um die klangliche Einschätzung der kleinen Phono-Vorstufe und der möglichen Aufwertung durch das Blue Amp Netzteil ps300 ging.
Als Rolf Becker mich im Spätsommer fragte, ob ich seinen Phono-Vorverstärker model surzur MKII testen möchte, konnte ich mich nicht sofort dafür entscheiden, denn ich hatte ja erst vor kurzem der Manufaktur aus Reute im Breisgau und auch das technologischen Konzept von Rolf Becker vorgestellt, dessen Grundsatz die symmetrische Signalverarbeitung ist. Dies beschrieb ich damals so umfänglich wie möglich, da Ingenieur Rolf Becker sich bei der Kommunikation über technische Daten und Schaltungsaufbau gern zurückhält. Vielmehr beharrt er auf der klugen, weil zielführenden Maxime, man möge seine Geräte klanglich beurteilen. Die handwerkliche Einzelanfertigung aller Blue Amps mit paarig selektierten, hochwertigen Bauteilen, die aufs Sorgsamste verarbeitet werden, verspricht extreme Langlebigkeit. Was oder wen scheren da irgendwelche technischen Daten? Dennoch ist es interessant zu wissen, dass Rolf Becker seine drei Phono-Vorverstärker, von denen die model surzur MKII hierarchisch in der Mitte angesiedelt ist, nicht technisch gleichartig konstruiert. Wohl aber verkörpert jedes seiner Modelle den Grundgedanken des symmetrischen Aufbaus. Die Vorteile habe ich seinerzeit beschrieben, ebenso wie die Art und Weise, wie Rolf Becker dies in seinem Hörraum demonstriert.
Für diesen Vergleichstest entschied ich mich letztlich dann doch gerne. Denn ein reizvoller Ansatz ist für mich die Tatsache, dass model blue MK II mit model ps300 einerseits und model surzur MKII andererseits preislich so gut wie identisch sind. Die Kombination kostet zusammen 4730 Euro, während die model surzur MKII mit dem zum Lieferumfang gehörenden Standard-Netzteil das Portmonee mit 4600 Euro belasten würde, also minimal günstiger ist. Die Standard-Netzteile beider Phono-Vorverstärker sind baugleich, und so ist auch das model ps300 für beide eine Option. Damit käme die model surzur MKII dann auf einen Gesamtpreis von 6690 Euro, wenn man das Edel-Netzteil gleich mitbestellt und auf diese Weise 200 Euro für die einfache Stromversorgung einspart. Da ist es doch, wie ich finde, sehr spannend, wie sich erstens die model blue MKII mit model ps300, zweitens die model surzur MKII mit dem etatmäßigen Netzteil und drittens die Kombination der surzur mit dem ps300 klanglich unterscheiden. Die vierte Option, nämlich die model blue MKII mit dem einfachen Netzgerät, will ich hier und jetzt nicht noch einmal erwähnen, da dies ja ausführlich im ersten Blue Amp-Test von damals geschehen ist.
Schon im letztjährigen Bericht erwähnte ich Rolf Beckers unter mehreren Aspekten bemerkenswerte Anordnung seiner Blue Amps auf seiner „Kurve der audiophilen Glückseligkeit“. Mir gefiel seinerzeit auch die auf diese Weise verdeutlichte Bescheidenheit und Realitätsnähe des Entwicklers. Der ist einerseits durch und durch Techniker mit reichlich Erfahrung in der Computer-Industrie (Hewlett Packard), andererseits mit ganzem Herzen der Musik verschrieben. Dies wird auf sympathische Weise auch stets deutlich, wenn er über Musik spricht, die ihm gefällt und er beschreibt, was da Imposantes und Hörenswertes passiert. Auch wenn man von Rolf Becker kaum mehr als Nichts über die technische Ausstattung seiner Blue Amps erfährt, sind die Gespräche mit ihm sehr anregend, weil es ums Musikalische geht. Rolf Becker hat mir nun gestattet, seine „Kurve der audiophilen Glückseligkeit“ in diesem Beitrag zu veröffentlichen. Und da haben wir ein kleines Dilemma: Schon an dieser Stelle möchte ich Ihnen sagen, dass ich die mir bekannten, insgesamt vier Blue Amp-Versionen etwas anders auf dieser Kurve anordnen würde. Dabei spielen sicher auch persönliche Vorlieben und Hörgewohnheiten eine Rolle.
Äußerlich differieren die beiden Phonostufen nur durch das um gut einen Zentimeter höhere Gehäuse der surzur. Im technischen Aufbau unterscheiden sie sich sehr wohl, nicht jedoch in der Verwendung erstklassiger, selektierter Bauteile. Sie bieten dem Benutzer auch andere interne Umschaltmöglichkeiten. Werden bei der surzur der Verstärkungsfaktor, die Abschlussimpedanz oder die optionale MC-MM-Wahl mittels DIP-Schaltern verändert, geschieht dies beim model blue durch Umstecken von Jumpern. Hat man die MM-Option beim Kauf mit erworben, müssen zur Umstellung bei beiden Blue Amp-Phonostufen der Verstärkungsfaktor und separat die kapazitive Anpassung durch den MC-MM-Schalter verändert werden. Diese separate Auslegung erlaubt es dem Eigentümer eines hochpegeligen MCs, zwischen zwei Abschluss-Kapazitäten zu wählen. Auch der in den Phonostufen integrierte Teil der Stromversorgung ist anders konfiguriert: Bei der surzur wird die Betriebsspannung deutlich langsamer hochgefahren.
Die Phono-Vorverstärker bekamen zum Hörtest vorab mehrere Tage Strom an meiner MudraAkustik-Netzleiste mit integriertem, vorgeschaltetem Trenntrafo. Der Ruhestrom-Bedarf ist laut Rolf Becker auch für Umweltbewusste vertretbar gering. Auf diese Weise konnten alle Bauteile ihre Betriebstemperatur stabilisieren. Intern waren die beiden Phonostufen mit 500 Ohm passend auf meinen Audio Technica ART 9 Tonabnehmer eingestellt. Model blue und surzur wurden mit den gleichen In-akustik NF-1302 an den Vorverstärker angeschlossen, so dass ich im Betrieb gefahrlos die symmetrischen XLR-Stecker von einer Phono-Stufe zur anderen wechseln konnte. Auch bei der surzur ist, wie bei allen Schaltungs-Layouts von Rolf Beckers Blue Amps, der Ausgang kapazitätskompensiert, so dass ein angeschlossenes Kabel zum Verstärker bis 1000 Picofarad kapazitiv irrelevant bleibt. Während des Tests schloss ich beim Wechsel des Netzteils das jeweils nicht gehörte Gerät stets an das nicht eingesetzte Netzteil zur Erhaltung der Stromversorgung an. Damit vermied ich mögliche Beeinträchtigungen durch Veränderungen in den Betriebsbedingungen.
Zuerst hörte ich mich auf das Doppelpack aus model blue mit ps300 ein. Ich hatte das gleiche gute Gefühl wie einst. Die Musik klang unspektakulär im positiven Sinne, da Artefakte und Überbetonungen nicht vorhanden waren. Somit durfte ich in eine realistische Musik-Darbietung eintauchen und konnte stundenlang genießen. Ich hatte meine Freude an den Klangfarben und der gleichermaßen homogenen wie detaillierten musikalischen Inszenierung. Auch in Sachen Dynamik, ob fein oder gewaltig, mangelte es an Nichts. Der Wunsch nach mehr Qualität oder der, andere Geräten zu hören, kam eigentlich gar nicht auf.
Mit der B-Seite des Debüt-Albums von 1968 der britischen Folk-Fusion-Band The Pentangle startete ich dann den Vergleich gegen die model surzur MKII mit ihrem Standard-Netzteil. Was ich zu hören bekam, überraschte mich nicht wenig. Die surzur schaffte es, mehr Spannung und eine gesteigerte Präzision mit enormer Durchhörbarkeit auf einer glaubhaften Bühne geordnet darzustellen. Das gefiel mir und fesselte mich. Der Kontrabass spielte vehement, knackig und trocken. Die Musik schien einen Tick schneller und gefühlt geringfügig lauter zu spielen. Es fehlte jedoch ein kleines bisschen die Wärme, die die model blue-Kombination zu bieten hatte. Dabei hinterließ Letztere keineswegs das Gefühl, Details zu verschlucken. Bei Strawinskys Pulcinella-Suite mit Neville Marriner und der Academy of St.Martin-in-the-Fields konnte die surzur mit ihrer transparenten Direktheit und Lebendigkeit punkten und mich in ihren Bann ziehen. Man kann der surzur ganz sicher keinerlei Härte zuschreiben, aber die kleine Kombination musiziert minimal lieblicher und verleiht den Streichern einen Hauch mehr Schmelz. Beim Erstlingswerk der Alabama Shakes Boys & Girls zeichnet die surzur eine aufgefächerte, größere Bühne. Bei diesem tonal keineswegs weich eingespielten Album zeigt die surzur ihre Qualitäten in Offenheit und Liebe zum Detail. Dies gilt ganz besonders in den oberen Frequenzlagen wie etwa bei Becken des Schlagzeugs, denen sie zarten Glanz und Farbe verleiht. Die Fähigkeit, etwas explosiver zu intonieren, hebt sie hier positiv von der kleineren Kombination ab. Die wiederum überzeugt mit ihrem gefälligen Charakter. Den gleichen Unterschied konnte ich ebenso deutlich auch bei der Orgel-Symphony No.3 von Camille Saint-Saëns mit Charles Munch und den Bostonern ausmachen. Auf der einen Seite ein Plus an Auflösung vor allem im oberen Spektrum, gepaart mit wunderschönen Klangfarben und einer grandios konturierten Orgel, auf der anderen Seite die authentisch scheinende Wärme. Auch bei dieser orchestralen Musik bleibt es eher eine Frage der persönlichen Vorliebe, wem von den Beiden ich den Vorzug gebe. Vielleicht lässt sich der Klang-Charakter auch so erklären: Die surzur ist in ihrer ursprünglichen Ausführung vor Jahren entstanden, als Rolf Becker seinen Urlaub in der Bretagne verbrachte. Damals gab es bei Blue Amp ausschließlich das Top-Modell 42 und Rolf Becker ersann in entspannter Urlaubs-Stimmung eine preisgünstige Alternative. Im Urlaub verbrachte er gern etwas Zeit in einer kleinen Patisserie hinter der Kirche im Örtchen Surzur und erfreute sich an den kleinen, köstlichen Törtchen. Möglicherweise ist es ihm gelungen, diese emotionalen Feinheiten des kulinarischen Genusses und die faszinierende Vielfalt des bretonischen Klimas im Charakter der surzur zu manifestieren – mir scheint es jedenfalls so.
„Mon Dieu“ mag wohl nicht allein ein Bretone denken, sobald das edle ps300 Netzteil an der surzur MKII ins Spiel kommt. Da wird plötzlich alles bislang Gehörte und Gesagte irgendwie unbedeutend und belanglos, weil die Wiedergabe jetzt auf ein anderes Level gehoben wird. Wenn ich mich an den Unterschied erinnere, den seinerzeit das model ps300 Netzteil beim model blue auslöste, möchte ich jetzt von einer ganz erheblichen, unerwarteten Steigerung sprechen. Jetzt vereinen sich die Vorzüge der Feinfühligkeit und Präzisionsliebe der surzur und die Homogenität und musikalische Wärme der kleinen Kombination zu einem zugänglicheren, erkennbar größeren Ganzen. Phänomenal, mit welcher Wucht und Detailschärfe, dabei mit üppigen Klangfarben und Ordnung auf der großen Bühne, jetzt das Orchester im Raum steht. Auffällig ist die Schwerelosigkeit der Darbietung, beeindruckend die Konturenschärfe und Energie der Orgel. Wunderschön intonieren die Streicher mit zartem Schmelz. Die Ansätze der Bläser dringen facettenreich ans Ohr, herrlich die Auflösung bei Schlagwerk wie Becken und Triangel. Auch die Musik in Inga Rumpfs Album Withe Horses fließt geradezu, weil das Timing stimmt und so zum Beispiel der rollende Tiefbass bei „No Cross - No Crown“ die Musik leichtfüßig vorwärts treibt. Besser geht das wohl kaum noch, jedenfalls bleibt da bei mir kein Wunsch offen. Dieses Album ist nicht so leicht wiederzugeben und wirkt in weniger guten Setups manchmal etwas gebremst bis holprig. Hier aber höre ich Ton für Ton und Note für Note, die ausdrucksstarke Stimme begleitend. Die positiven Eindrücke bewahrheiten sich mit zunehmender Anzahl gehörter Schallplatten. Auf jeden Fall ist dies die beste Phono-Vorstufe, die ich jemals bei mir gehört habe. Wenn ich dann, wieder auf die kleine Kombi zurückgehe, erlebe ich erfreulich wenig Nachteiliges. Denn auch ihr haftet diese existentiell relevante musikalische Stimmigkeit an, die die große Kombination allerdings mit noch mehr Detailreichtum, Bühne, Pracht und Glamour anfüllt. So bescheinige ich gerne beiden Blue Amp-Kombinationen ein auffallend hohes Maß an Musikalität. Beide dienen mit ihrer neutralen Unauffälligkeit der musikalischen Authentizität. Beide erlauben dem Hörer spannenden Musikgenuss, der mitreißt aber nicht anstrengt. Wenn ich eine Empfehlung aussprechen sollte, fällt mir dies unter Beachtung der Preisschilder nicht leicht, ist in der absoluten Bewertung aber eindeutig: Das Netzteil model ps300 sollte es schon sein – bitte verzeihen Sie mir diese etwas freche Empfehlung. Kombiniert man dies mit der surzur MKII erlebt man die Seele der Musik und immer wieder beim Hören ein Prickeln auf der Haut.
STATEMENT
Die model surzur MKII ist eine beeindruckend ehrliche Phono-Stufe, die dank ihres symmetrischen Aufbaus absolut frei von Störsignalen auf hohem Niveau Genuss und Freude bereitet. Ergänzt man sie mit dem Netzteil model ps300, begeistert sie bei jeder Art von Musik noch erheblich mehr. Der klangliche Gegenwert dieser Kombination liegt nach meinem Ermessen weit über ihrem Preis.
Gehört mit
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Plattenspieler | Brinkmann Bardo mit Musical Life Conductor 10 Zoll |
Tonabnehmer | Audio Technica ART 9 |
Vorverstärker | Audio-gd Master 9 |
Endstufe | für Bass: zwei Primare A-32, für Mittel-Hochton: Spectral DMA-100 |
Lautsprecher | Triangle Grand Concert |
Zubehör | Inakustik Black&White NF-1302, Audio-gd NF Cinch und XLR, QED Genesis Silver Spiral LS mit Enacom LS, Shunyata Andromeda LS mit Enacom LS, MudraAkustik Max Netzleiste, Mudra und Audioquest NRG-X2 Netzkabel, AHP Reinkupfer-Sicherungen, Furutech und Groneberg Wandsteckdosen, mbakustik Raum-Absorber, Levin Design Vinyl-Bürste |
Möbel | Creaktiv Audio mit Absorberböden, Finite Elemente Pagode, Audio Exklusiv d.C.d. Basis |
Herstellerangaben (Vom Autor ergänzt)
Blue Amp Surzur MK II
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Eingang | 1 x symmetrisch (XLR) |
Ausgang | 1 x unsymmetrisch (RCA) |
Verstärkung | MC 60 dB, MM (optional) 40 dB |
Eingangsimpedanz | 100, 500, 1k, 47k Ohm |
Abmessungen (B/H/T) | 147 x 74 x 225 mm |
Gewicht | 2000 Gramm |
Preis | 4600 Euro, optional Aufpreis für MM 140 Euro, Preisminderung bei Bestellung mit model ps 300: 200 Euro |
Herstellerangaben (Vom Autor ergänzt)
Blue Amp model blue MKII
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Eingang | 1 x symmetrisch (XLR) |
Ausgang | 1 x unsymmetrisch (RCA) |
Verstärkung | 58 dB, 64 db |
Eingangsimpedanz | 100, 500, 1k, 47k Ohm |
Abmessungen (B/H/T) | 147 x 63 x 225 mm |
Gewicht | 1720 Gramm |
Preis | 2640 Euro, optional 80 Euro Aufpreis für MM, Preisminderung bei Bestellung mit model ps 300: 200 Euro |
Herstellerangaben (Vom Autor ergänzt)
Blue Amp model ps 300
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Besonderheiten | Netzphasen-Anzeige |
Abmessungen (B/H/T) | 147 x 63 x 220 mm |
Preis | 2290 Euro |
Aufpreis | Front wie model blue: 250 Euro |
Hersteller
BLUE AMP
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Anschrift | Vogesenstraße 6 D-79276 Reute |
Telefon | +49 7641 9543296 |
Fax | +49 7641 9543297 |
mail@blueamp.de | |
Web | www.blueamp.de |