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Hifiman Jade II

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Jade hat in der Chinesischen Kultur und Mythologie einen hohen Stellenwert. So ist es nicht verwunderlich, dass Hifiman bei der Neuauflage des Jade-Elektrostaten dem Namen treu bleibt und lediglich eine II hinzufügt. Im Test stelle ich fest, dass der Kopfhörer nicht nur ein Schmuckstück ist, sondern klanglich an sein elegantes Äußeres anknüpft.

In der Produktlinie von Hifiman, dem von Dr. Fang Bian ursprünglich in New York gegründetem und inzwischen von Tianjin, China aus operierenden Unternehmen, finden sich sowohl Magneto- als auch Elektrostaten. Der Jade II ist dabei preislich im Mittelfeld angesiedelt, jedoch deutlich erschwinglicher als ein Shangri-La jr. oder gar das Flaggschiff Shangri-La, das nur auf Bestellung produziert wird. Bei der Konzeption des Jade II war den Entwicklern von Hifiman nicht nur wichtig, dem Erbe der ersten Jade-Generation treu zu bleiben, sondern gleichzeitig einen Kopfhörer samt Treiberverstärker zu erschaffen, der für jeden Musikliebhaber erschwinglich bleiben soll.

Das Gehäuse des Transistor-Treiberverstärkers ist denkbar einfach gestaltet. Ein-und Ausschalter, Lautstärkeregler, Quellenumschalter und zwei Stax-Anschlüsse auf der Vorderseite und ein Cinch- und XLR-Anschluss nebst Kaltgerätebuchse auf der Rückseite, mehr braucht der Verstärker nicht. Die Laustärkeregelung erfolgt durch Einzelwiderstände und hat 20 Rasterpunkte. Trotz seiner Schlichtheit macht der Aluminiumblock einen eleganten Eindruck und sorgt durch seine Bauform für ausreichend passive Kühlung der verbauten Komponenten. Er findet bei mir auf meinem Schreibtisch Platz. In Armlänge, so dass ich jederzeit bequem die Lautstärke regeln kann, auch ohne Fernbedienung. Mit seiner nahezu quadratischen Grundfläche bei etwas weniger als 30 Zentimeter Seitenlänge nimmt er schon etwas Platz in Anspruch. Obwohl der Weg von meinem Brooklyn DAC+ zum Verstärker nicht sehr weit ist, nutze ich eine symmetrische Verbindung, zwei Boaacoustic Blueberry SIGNAL.xlr aus meinem letzten Test. Übrigens speist der Verstärker auch problemlos Stax-Kopfhörer und kann durch seinen moderaten Preis durchaus eine Alternative zu Stax-Komponenten sein.


Passend zum Verstärker ist auch das Design des Jade II eher schlicht und funktional. Die verwendeten Materialien machen jedoch einen sehr hochwertigen Eindruck und auch die Verarbeitung des Kopfhörers ist perfekt. Die zwischen zwei Statoren gelagerte Treibermembran ist mit weniger als 0,001 Millimeter sehr dünn und somit äußerst impulsfreudig, besonders im Hochtonbereich. So erklärt sich der Frequenzgang von 7 Hertz bis 90 Kilohertz. Der Betrieb des Kopfhörers erfordert eine Speisespannung zwischen 550 und 650 Volt. Die Oberfläche des ebenfalls nanometerdünnen Staubschutzes schimmert je nach Blickwinkel grün oder magenta, wird so dem Namen Jade gerecht und verleiht dem Ganzen das gewisse Etwas. Der Jade II ist mit 365 Gramm wirklich unglaublich leicht. Nach kurzer Zeit merke ich schon gar nicht mehr, dass ich überhaupt einen Kopfhörer trage. Der Anpressdruck der Polster ist ebenfalls sehr angenehm und genau richtig dosiert. Normalerweise bin ich in dieser Hinsicht eher empfindlich, der Jade II ist aber wirklich kaum spürbar. Das Kopfband aus Kunstleder ist fest in den Aluminiumbügel integriert, für größere Köpfe können die ovalen Ohrmuscheln um gute 4 Zentimeter aus dem Rahmen herausgezogen werden. In kleinster Einstellung passt der Kopfhörer bei mir perfekt. Beste Voraussetzungen für eine angenehme Testphase.

Bevor der Hifiman zu mir auf die Reise ging, wurde er von Jan Sieveking im deutschen Hifiman Vertrieb Sieveking Sound mit Sitz in Bremen schon etliche Stunden eingespielt. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass speziell der Bassbereich in den ersten Tagen noch deutlich an Kontur, Rundheit und Tiefgang gewann.

Als ersten Versuch umgehe ich die Lautstärkeregelung des Brooklyn und möchte lediglich den Lautstärkeregler des Treiberverstärkers nutzen. Da ich sehr oft abends oder sogar nachts Musik höre und meine Ohren dann an die allgemein geringeren Umgebungsgeräusche adaptiert sind, höre ich oft extrem leise. Tatsächlich ist mir in diesem Fall die erste Lautstärkestufe schon zu hoch, was aber nicht weiter wild ist, ich nutze zusätzlich einfach doch das Potentiometer des Brooklyn. Schon bei geringen, in meinem Fall wohl eher geringsten, Lautstärken leistet die feine Membran erstaunliches, agiert jedoch fernab ihres eigentlichen Potentials. Dementsprechend kann ich mir kaum vorstellen, dass sich jemand daran stört, dass der Regelbereich des Pegelsteller nicht der allergrößte ist, den man sich vorstellen kann. Ein weiterer persönlicher Kritikpunkt ist die nicht austauschbare Zuleitung zum Kopfhörer. Sollte es hier einen Defekt geben, ist man gezwungen, den gesamten Kopfhörer einzuschicken. Hört man jedoch erst einmal das volle Potential des Jade II, ist eh alles andere vergessen. Deshalb komme ich an dieser Stelle ohne weitere Umschweife zu meinem Hörerlebnis.


Nachdem die letzten Lebenszeichen in den frühen Zweitausendern von sich gegeben wurden, haben Demons & Wizards endlich wieder Konzerte angekündigt, sogar die ersten schon gespielt. Für die deutsche Metalgemeinde ist das eine kleine Sensation. Für mich auch. Eine Verwechslung mit Uriah Heeps gleichnamigen Album liegt nahe, es geht hier allerdings um ein musikalisches Projekt des Sängers Hansi Kürsch (Blind Guardian) und Iced Earths Gitarrist Jon Schaffer. Pünktlich zu dieser Nachricht wurden ihre beiden Alben remastered in 96 Kilohertz und 24 Bit veröffentlicht. Verständlich, dass diese in den letzten Tagen vor der Veröffentlichung dieses Testberichts bei mir hoch und runter liefen. Weshalb ich meinen Hörbericht mit dem Song „Path of Glory“ von der ersten, im Jahre 2000, erschienen Platte Demons & Wizards beginnen möchte ist schnell erklärt: Von einem klassischen Elektrostaten erwarte ich mir größte Neutralität bei gleichmäßigem Frequenzverlauf. Meiner Erfahrung nach ist das bei Musik mit viel E-Gitarreneinsatz eine wahre Erleuchtung. Und meine Erfahrung trügt nicht. Ab der ersten Sekunde bin ich Fan des Jade II. Der Song startet mit akustischen Gitarren und ersten Textzeilen Hansis, bis dann Jons Gitarrenwände hämmernd das Stereopanorama aufzureißen scheinen. Auf ein sehr angenehmes Maß, denn die hart nach links und rechts gepannten Gitarren bleiben noch recht nah am Kopf und lassen das gesamte Stereoereignis so sehr kohärent erscheinen. Es gibt durchaus andere Kopfhörer, bei denen das Stereopanorama noch weiter wirkt, das macht die Sache allerdings nicht immer besser. Der Jade II findet hier genau das richtige Maß zwischen zu schmal und unnatürlich weit – perfekt. Stimmen lokalisiere ich dabei ein gutes Stück vor meinem Kopf, jedoch immer noch passend in das musikalische Gesamtgeschehen eingebettet, was ich als sehr angenehm empfinde. Die Instrumente sind ebenso klar platziert, in einem großzügigen Bogen um meine Stirn und nicht nur platt auf horizontaler Achse in meinem Kopf. Der Klangcharakter hält genau die Waage zwischen präsent und diffus mit einer gut dosierten Prise Lebendigkeit.

Dabei kann ich tatsächlich keine Verfärbungen in einem Frequenzbereich feststellen, es herrscht allumfängliche Gleichberechtigung. Die Bass Drum klingt extrem trocken, der E-Bass so knackig, wie es das Remaster zulässt, denn er ging schon auf der Orignalveröffentlichung gerne mal verloren, die Stimme vertraut und die Becken sehr akzentuiert. Hier macht sich das geringe Gewicht der Membran bemerkbar, denn wie schnell sie Beckenimpulsen folgt ist wirklich mehr als beachtlich. Das Schöne dabei ist, dass die Höhen nie schneidend wirken, sondern immer angenehm bleiben. Sie scheinen zwar durchaus prägnant aus dem Mix heraus, jedoch auf absolut natürliche und höchst willkommene Weise. Die Auflösung der E-Gitarren ist himmlisch, oder sollte ich eher sagen teuflisch, gut. Jede noch so kleine Nuance im Zerrspektrum des Gitarrenverstärkers ist hörbar. Bauartbedingt wird man zwar nicht von Basswellen wie in der ersten Reihe eines Rockkonzerts, bei dem mehrere Kilowatt in riesige Basstreiber gepumpt werden, überrollt, aber das ist ehrlich gesagt genau das Gegenteil, von dem was ich mir wünsche. Ich höre mich mit dem Jade II kreuz und quer durch den definitiv nicht massentauglichen Teil meiner Musiksammlung und je komplizierter und technisch versierter die Stücke werden, desto mehr weiß ich die Fähigkeiten des Hifiman zu schätzen. Jedes Detail ist einfach da. Nichts wird von anderen Frequenzbereichen maskiert oder verdrängt. Komplizierteste Gitarrenläufe und ausgefeilste Drumgrooves kann ich mit Leichtigkeit entschlüsseln. Und auch laut darf es gerne sein, für den Jade kein Problem. Ganz im Gegenteil, die Plastizität der Instrumente nimmt nochmals zu und Verzerrungen scheinen kein Thema zu sein. Wer Rock und Metal liebt, dürfte meine Liebe für diesen Kopfhörer teilen. Aber wie sieht es bei anderen Stilen aus? Denn zugegeben, überschwängliche Dynamik und Feingeistigkeit trifft man in diesem musikalischen Sektor eher vereinzelt. Also vom Gitarrenbrett zu dynamischer Musik.

Nämlich einem weiteren Remaster mit Peter Gabriels So, vorliegend als FLAC 44,1/16. Ich höre gleich das ganze Album, denn es klingt einfach fantastisch! Der Jade II scheint geradezu mit der Musik zu verschmelzen und sich auf magische Art und Weise dem Genre anzupassen. Während er mir vorher mit Präzision und Biss Gitarrenriffs um die Ohren gehauen hat, groovt er sich jetzt wie selbstverständlich leichtfüßig durch das Album und seinen angenehm warmen Grundcharakter. Ich vermag gar keinen Song als besonderes Highlight zu nennen, denn so unterschiedlich die Stücke sind, so wandelbar und flexibel folgen die Membranen und evozieren eine Menge Gänsehautmomente. Die Herausarbeitung mehrerer, teilweise in kleinen Intervallen beieinanderliegenden Stimmen im Stück „Mercy Street“ lässt mich staunen. Im Stück „That Voice Again“ kann ich anhand des Klangs des Hi-Hats auf den natürlichen Hallcharakter des Aufnahmeraums schließen. Unzählige weitere Details dieser Art fallen mir einfach mal so beiläufig während des Musikhörens auf – sehr beeindruckend. Die Umschreibung „Details aufdecken“ passt einfach nicht, denn der Jade II deckt nichts aktiv auf, er spielt einfach nur unglaublich transparent und souverän. Zielsicher wird jedes Klangereignis mit einem hohen Grad an Realismus und Natürlichkeit reproduziert. Das große Vergnügen dabei ist nach wie vor die herausragende Separation der Instrumente voneinander.


Um schlussendlich die Dynamikfähigkeit des Kopfhörers auf die Probe zu stellen, darf klassische Musik natürlich nicht fehlen. Wie schon im Test des Audeze LCD-X entscheide ich mich für Brahms zweite Sinfonie in D-Dur in der Einspielung der Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan von 1987 (Deutsche Grammophon, DDD). In dieser Disziplin hat mich der Audeze durch seinen einnehmenden Charakter damals sehr begeistert und ist für Orchesterwerke nach wie vor einer meiner Lieblingskopfhörer. Der Jade II hat es also schwer, ihm den Rang abzulaufen. Wie zu erwarten, verhält sich der Elektrostat etwas weniger füllig und einnehmend, dafür steht er aber in Sachen Durchzeichnung und Präzision dem Audeze in nichts nach, seine Feindynamik ist sogar deutlich ausgeprägter. Während ich dem Audeze LCD-X die nicht vollständige Durchzeichnung der Kontrabässe vorgeworfen habe, sind hier mit dem Jade II deutlich mehr Feinheiten wahrzunehmen, allerdings spielen die Bässe etwas weniger körperhaft und druckvoll. Was nicht heißen soll, dass der Jade II die tiefsten Lagen nicht beherrscht, nur eben in kultivierter und wohldosierter Manier. Dies ist dem Gesamtklang des Kopfhörers sehr zuträglich, denn durch seine perfekte Frequenzbalance scheint jedes Instrument von einem feinen Schimmer und Strahlkraft gezeichnet. Der Raumanteil der Aufnahme ist vollkommen nachvollziehbar und glaubwürdig. Zwischenzeitlich vergesse ich sogar, dass ich gerade Musik über Kopfhörer höre.

Der Jade II beweist, dass er ein herausragender Allrounder ist. Der Musikstil ist für ihn vollkommen nebensächlich, er liefert einfach immer grandiose Neutralität, größte Detailfülle und Spielfreude. Er reagiert auf feinfühligste Art und Weise auf jede Aufnahme, tendiert mal ins analytische, dann wieder ins warme, farbenfrohe. Was die Aufnahme vorgibt, reproduziert der Jade II zu 100 Prozent originalgetreu. Stelle ich mir die verschiedenen Fähigkeiten und Charakteristika eines Kopfhörers in einem Koordinatensystem vor, würde ich alle Kreuze immer absolut mittig setzen.

STATEMENT

Der Hifiman Jade II ist einer der besten Kopfhörer, die ich je gehört habe. Eigentlich muss ich an dieser Stelle kaum mehr schreiben. Dennoch, der Jade II ist in jedem Genre zu Hause und macht trotz seiner neutralen Abstimmung unglaublich viel Spaß. Seine Liebe zum Detail und der angenehm ausgewogene Frequenzgang lassen mich immer wieder Staunen und Alben in Dauerschleife hören.
Gehört mit
Computer ThinkPad 470s, Intel i5-6300U @ 2,4GHz, 12GB DDR4-RAM @ 2400MHz, Windows 10 (Roon, foobar2000)
Router TP-Link Archer C7 AC1750, Sagemcom FAST5460
Server Melco N1 AH 60/2
Speicher LaCie Rugged Mini 2 Terabyte, SanDisk SDCZ88-128G-G46
DAC Mytek Brooklyn DAC+
Endstufe NAD C 275BEE
Lautsprecher Magnat Quantum 807, Neumann KH 120 A
DAP FiiO X7 Mark II mit AM3A (FiiO Music App, BubbleUPnP), Smartphone Motorola X 4th Gen, 32GB, 3 GB RAM, Android 9 (Apps: BubbleUPnP, TIDAL, Spotify, Roon)
In-Ears & Zubehör Vision Ears VE6 X2, Etymotic ER4SR, Shure SE-535-V, ifi IE-Match
Kabel Sommer, Vovox, Cordial, Intona, Furutech, Boaacoustic
Herstellerangaben
Hifiman Jade II
Kopfhörer  
Gewicht 365 Gramm
Vorspannung 550 - 600 Volt
Frequenzbereich 7 Hertz - 90 Kilohertz
Effizienz 101 Dezibel/100 VoltRMS @1 Kilohertz
Preis 1.650 Euro

Treiberverstärker
 
Gewicht 6,5 Kilogramm
Abmessungen 27,6 x 27 x 11,6 Zentimeter
Eingang 1 x Cinch, 1 x XLR
Ausgang 2 x Stax-Pro-Standard
Max. Stromaufnahme 60 Watt, harter Netzschalter und somit kein Standby-Verbrauch
Preis 1.850 Euro

Preis Kopfhörer & Treiberverstärker

2.800 Euro

Vertrieb
Sieveking Sound GmbH & Co KG
Ansprechpartner Jan Sieveking
Anschrift Plantage 20
28215 Bremen
Telefon +49 421 6848930
E-Mail kontakt@sieveking-sound.de
Web www.sieveking-sound.de

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