Die Firma Lindemann und ihre Audioprodukte sind mir in den letzten Jahren etwas aus dem Fokus geraten. Dabei habe ich schon aus den Anfangszeiten nur beste Erinnerungen an die Produkte aus Bayern, und wann immer ich auf Messen an einer Lindemann Vorführung vorbeikam, war ich sehr angetan. Aber irgendwie haben wir nie zusammen gefunden.
Ein Grund für meine Distanz mögen die damalige Preisgestaltung und die großformatigen Geräte gewesen sein, die zwar national und international höchste Weihen bekamen, aber etwas außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten lagen. Schon seit dem ausgehenden Jahrtausend wurde dort mit Upsampling gearbeitet, hochauflösende Formate waren seit 2001 abspielbar im hauseigenen SACD-Player. Dieses jahrzehntelang ausgebaute Know How im digitalen Bereich mündete 2013 in die Einführung der musicbook-Reihe, die Musik aus dem Netzwerk in den Vordergrund rückt. Die Gehäuse sind jetzt kleiner und die Preise auch. Noch kleiner ist die modernste Inkarnation aus dem Hause Lindemann, die brandneue Limetree-Linie von Lindemann. Diese umfasst momentan vier Geräte für unterschiedliche Einsatzzwecke, weitere sind geplant. Limetree Headphone ist eine hochwertige analoge Kopfhör-/Vorverstärker-Kombination, der Limetree Phono ein Phonovorverstärker mit getrennten Eingängen für Moving-Coil und Moving-Magnet-Systeme, Limetree Bridge ein Netzwerkspieler für lokale Speichermedien und Streamingdienste ohne Wandler und, das Testobjekt, der Limetree Network an sich eine Bridge mit Wandler und Vorverstärker. Alle Geräte sitzen in kleinen Aluminiumschachteln mit den Abmessungen von gerade mal 107 mal 40 mal 107 Millimetern.
Nun ist man Dank SMD-Technik ja inzwischen daran gewöhnt, dass auch hochwertige Hifi-Geräte immer kleiner und leichter werden. Trotzdem muss ich erst mal schlucken eingedenk der massiven Vorfahren, als ich das Kistchen im gut verarbeiteten, hübsch geprägten Standard-Aluminium-Gehäuse auspacke. Ein kleiner Kippschalter, drei Leuchtdioden und ein 3,5 Millimeter Klinkenausgang für einen Kopfhörer zieren die Front, auf der aber auch gar nicht so viel mehr Platz ist. Auf der Rückseite geht es auch aufgeräumt zu: Ein USB-Eingang und eine LAN-Schnittstelle finden sich neben Cinch-Ausgang, einer Buchse für eine W-LAN-Antenne und dem Stromanschluss nebst einem kleinen Taster, um die Verbindung mit dem heimischen Funknetzwerk herzustellen. Betrachtet man die Innereien, ist es ganz schnell vorbei mit dem Minimalismus. Pro Kanal kommt ein AK4452 DAC zum Einsatz, ein AK4137 kümmert sich um das Resampling, und damit der Jitter immer klein bleibt, ist eine MEMS FemtoClock installiert.
Unterstützt werden alle gängigen Musikdateiformate mit einer Auflösung bis 384 Kilohertz bei PCM-Dateien – über W-Lan „nur“ 192 Kilohertz – beziehungsweise DSD256. Bei W-Lan immerhin noch DSD128. Der Limetree NETWORK ist für die gängigsten Streaminganbieter mit hochauflösendem Musikmaterial gerüstet. Zur Auswahl stehen TIDAL, Qobuz, Deezer, HighResAudio und Spotify sowie Zugriff auf unzählige Internet-Radiostationen und Podcasts. Natürlich kann man auch über das Netzwerk per UPnP und DLNA auf einen Musikserver zugreifen und lokal eine USB-Festplatte anklemmen, um anderweitig gespeicherte Musik wiederzugeben. Wer über einen Roonplayer verfügt, kann diesen mit dem Lindemann Limetree NETWORK nutzen. Dieser ist „Roon Ready“ und kann mit Roon Core und Software verwendet werden. Ach ja, natürlich kann man auch per Bluetooth streamen. Der Zuspieler sollte allerdings das Bluetooth Audioübertragungsprotokoll A2DP unterstützen. Die ankommenden Signale werden bitgenau entsprechend der Quelle verarbeitet, eine Leuchtdiode gibt mit sieben Farben die jeweils anliegende Auflösung an. Durch einen längeren Druck am Ein-/Ausschalter wechselt der Wandler in den Resampling Modus, was auch durch eine Leuchtdiode angezeigt wird. Jetzt werden die Signale auf DSD 256 gehievt. Dieser Betriebsart attestiert Lindemann einen transparenteren und natürlicheren Klang als im PCM-Modus. Sagte ich etwas von klein?
Um überhaupt in den Genuss dieser ganzen Features zu kommen, muss auf einem Smartphone oder Tablet die LINDEMANN-App installiert werden. Die gibt es bei Google-Play für Android oder im App-Store für iOS. Für alle, die ein von Google befreites Smartphone mit Android nutzen, finden sich im Netz auch Quellen mit der APK-Datei, die man auf eigene Gefahr installieren und nutzen kann. Die Installation läuft problemlos, und im Anschluss kann man auf den Limetree Network zugreifen. Das klappte im meinem Fall erst nach ein paar Anläufen. Ist die Verbindung allerdings erst einmal etabliert, läuft diese stabil und wird allerhöchstens durch Schwankungen im eigenen W-Lan ausgebremst. Aber dafür kann die Software ja nichts. Die Lindemann-App ist angenehm unaufgeregt und zum Glück wenig bunt und einfach zu bedienen. Die jeweiligen Anbieter von Streaming, Internetradio oder Festplatte sind schnell angewählt, bei den Diensten gibt es die Möglichkeit, diverse Vorgaben für die Suche zu machen und die Ergebnisse dann entsprechend einzuschränken. Das ist wirklich einfach und intuitiv beherrschbar und führt in fast allen Versuchen zum Ziel.
Als Streaminganbieter sind bei mir Qobuz und TIDAL für hochauflösendes Material und Spotify in der Basisvariante als Lieferanten verfügbar, und so kann ich die Funktionalitäten ausführlich ausprobieren. Ein Wort zum Angebot: Zwar versprechen die Anbieter, dass man jetzt getrost seine CD-Sammlung auf dem Flohmarkt verkloppen könne, da online alles verfügbar ist. Das stimmt aber nicht so ganz. Einiges an – ich nenne es mal Randrepertoire – ist nicht gelistet. Viele, besonders ältere Pop-Produktionen, liegen oft nur in remasterten Versionen vor, und manchmal will man halt das Original. Aber solche Sachen hat man dann in der Regel sowieso erworben und gegebenenfalls auf die Festplatte gerippt, dann klappt’s auch mit dem Netzwerkstreaming. Und die alten LPs sollte man sowieso behalten, da gibt es so einige Lücken. Aber um die geht es hier ja nicht. Dafür macht es einen Riesenspaß, sich bei der Suche von Vorschlägen der App mit ähnlichen Künstlern inspirieren zu lassen und einfach mal anders abzubiegen. Man entdeckt doch noch so das eine oder andere an Musik.
Nicht mehr rechtzeitig, um sie zu testen, gibt es inzwischen eine neue Firmware. Diese erlaubt es, ein CD-Laufwerk über USB anzusprechen. Sehr praktisch, wenn man weiterhin auch physische Datenträger einsetzen will. Ich habe den Lindemann Limetree NETWORK nach einigen Versuchen als Streamer/Wandler benutzt. Als reiner Vorverstärker fehlte es in meiner Konfiguration manchmal an Pegel. Zum Anschluss an hochwertige Aktivlautsprecher mit regelbarer Eingangsempfindlichkeit eignet sich der Lindemann dafür vorzüglich. In der ersten Runde, um eine Idee vom Charakter des Limetree NETWORK zu bekommen, spielte er ohne Resampling von Festplatte gegen einen CD-Player am Audioquest Beetle mit identischem Material. Obwohl trockener im Bass, muss sich der absolut gesehen sehr gute Audioquest in diesem Fall geschlagen geben.
Mit mehr Substanz, Transparenz und hoher Geschlossenheit macht der Lindemann seine höheren Ambitionen schnell klar. Aktiviert man jetzt das Resampling, wird der Unterschied noch größer. Fließend und wie aus einem Guss ertönen jetzt auch ältere Aufnahmen. Glanz, Struktur im Tieftonbereich und eine transparente Raumdarstellung runden das Klangbild ab. Die Wiedergabe wird – schwer zu beschreiben – reicher. Bei einigen Aufnahmen, die mich seit vielen Jahren begleiten, wird mir das allerdings zu viel, und ich bevorzuge die härtere und kantigere Gangart der Originalauflösung. Vielleicht ja nur die Gewohnheit? Je besser aufgenommen und produziert das vorliegende Material ist, umso weniger Resampling ist aus meiner Sicht nötig. Da dies normalerweise bei einem Musikhörer nicht der überwiegende Teil der Musiksammlung ist, lasse ich den resampling-Modus einfach dauerhaft an, die Vorteile überwiegen bei 90 Prozent der Musik. Wie klingt der kleine Lindemann nun? Es fällt schwer, eine der Einzeldisziplinen hervorzuheben. Sehr komplett, groß, farbig und weit wie aus dem bereits erwähnten Guss auf richtig hohem Niveau. Dazu kommt eine immense Sauberkeit, die nichts mit klinischer Reinheit zu tun. Obwohl Artefakte und Grain komplett abwesend sind, klingt der Network niemals kalt oder hart. Im Gegenteil, ein Schuss Wärme ist immer dabei, dabei plastisch im Fluss, substantiell geschmeidig.
Auf async remodels, einem Album, auf dem Ruichi Sakamoto selbst die Interpretationen anderer Künstler seines Albums async produziert, gibt es mit „life, life“ von Andy Stott einen absurden Anfangsbassgong, der im Raum verhallt, allerlei subsonische Töne und ein Kaleidoskop an verhallenden Synthesizerlagen, die die Grenze vom echten zum virtuellen akustischen Raum spielend überbrücken. Obwohl alles komplett aus der Retorte, schafft es der Lindemann, nicht nur dem tiefen Anfangsschlag Macht und Wucht mitzugeben, sondern separiert den Nachhall wunderbar, ohne diesen vom Ursprung zu trennen und im luftleeren Raum hängen zu lassen. Etwas auf der volleren Seite, ohne Brutalität, aber mit allem Nachdruck dabei einen Tick mehr Volumen als Struktur. Im Grunde manifestiert sich hier schon der ganze Bassbereich: sehr tief, strukturiert und trotzdem voll, dabei schön ausbalanciert zwischen Volumen und Auflösung, genau mit dem richtigen Impact ausgestattet. Organisch fällt mir da ein, so real klingt die an sich synthetische Bassfigur. Sicher vom Künstler beabsichtigt, aber das muss eine Komponente erst mal so überzeugend hinkriegen!
Ich muss übrigens zugeben, das ich aufgrund des Füllhorns an Auswahl mehr querbeet gehört habe und gar nicht mehr so viele prägnante Beispiele mit Namen im Kopf habe. Lustig war der die Suche nach hochauflösendem Material. Unter anderem Lieder von Schubert aufgenommen mit 24Bit/96Kilohertz. Beim ersten Album eine gestochen scharfe Abbildung im sehr großen Raum, genau abgezirkeltes Klavier mit extrem durchhörbarem Klangkörper, davor der bebende Sänger mit einem in allen Facetten aufgefächerten Organ. Zum Niederknien. Das ist Hi-Rez, dachte ich. Beim zweiten Album ein Klavier, etwas diffuser Raum, Gesang leicht distanziert. Ziemlich bekannt und normal. Auch hochauflösend – es kommt doch einfach darauf an, wer an den Reglern sitzt.
Und der Lindemann? Der bringt das eben genauso rüber, wie es aus dem Netz kommt. Bei aller Neutralität ist er auch im Hochtonbereich voll da und vollbringt das Kunststück, nie auf die Nerven zu gehen, ohne dafür hohe Töne zu verrunden. Dabei hilft ihm ein ausgesprochenes Talent für feindynamische Strukturen. Grobdynamisch ist der Limetree auch voll da. Er gehört schon in die Kategorie der Geräte, die bei einem Tutti im Orchester nicht nur Pauken und Trompeten lauter werden lassen, sondern richtig Energie und Schub im großzügigen, sehr stabilen Raum freisetzen. Dabei verzichtet er auf den analytischen Tick vieler Komponenten, die eine zusätzliche Schwärze um die Instrumentengruppen aufbauen, sondern lässt die Musik in diesen Räumen ausklingen oder ineinander zahnen. Fast vergessen hätte ich den Kopfhörerausgang, der das hohe Niveau hält. Mit sehr hochohmigen Kopfhörern kommt man allerdings irgendwann an eine Grenze im Pegel. Insgesamt hat mir die Auseinandersetzung mit dem Lindemann so viel Spaß gemacht, dass ich überlege, ihn mir selbst zuzulegen. Klingt großartig, nimmt keinen Platz weg und kann so viel. Ich werde Lindemann zukünftig auf keinen Fall mehr aus den Augen verlieren.
STATEMENT
Der Limetree Network von Lindemann ist nicht nur eine universelle digitale Schaltzentrale, bei der fast keine Wünsche übrig bleiben, sondern klingt schon fast erschreckend erwachsen, erst recht für den Preis. Viel mehr geht nicht, auch nicht in zentnerschweren Gehäusen.
Gehört mit
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CD-Laufwerk | Denon DCD-1290, Technics SL-P471A |
Wandler | Phonosophie DAC1, Audioquest Beetle |
Verstärker | Creek 5350 SE, Thorhauge ST.ONE, Rotel RB-980BX |
Lautsprecher | PMC Twenty5 .22, Buchardt-Audio S400 |
Kabel | RG142, Wireworld, Funk-Tonstudiotechnik, Supra Cable, Audioquest |
Herstellerangaben
Lindemann Limetree Network
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D/A-Wandler | |
Auflösung | 384 kHz/32bit und DSD 256 |
Dynamik-Umfang | > 120 dB |
THD & Noise | < 0,001% (@ 0 dB FS) |
Clock | Ultra-Low-Jitter MEMS FemtoClock |
Re-Sampling | bit-perfekt oder DSD |
Wandler-Architektur | Zwei AK4452 DACs im Dual Differential Mono Mode, AK4137 Re-Sampler |
Ausgangs-Spannung | 2,0 V @ 0 dB FS |
Ausgangsimpedanz Line-Output | 100 Ohm |
Kopfhörer-Anschluss | 3,5mm Klinkenbuchse |
Empfohlene Impedanz des Kopfhörers | 32 -200 Ohm |
Netzwerkspieler |
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Ethernet | 100 Mbit/s |
WLAN | Dual-Band 802.11a/b/g/n/ac, Bluetooth 4.2, A2DP USB 2.0 High-Speed Host-Interface, maximaler Ausgangsstrom 1,5A |
Unterstützte Codecs | WAV, FLAC, AIFF, ALAC, MP3, AAC, Ogg Vorbis, WMA, DSD Unterstützung von UPnP und DLNA |
Auflösung PCM | 44.1 kHz bis 384 kHz, 24bit |
Auflösung DSD | DSD 64 bis DSD 256, Gapless Playback |
Streaming-Dienste | TIDAL, Qobuz, Deezer, HighResAudio, Spotify, Internet-Radio und Podcast Roon Ready |
Stromaufnahme |
0,1 W Standby, 3,5 W Betrieb, 11 W maximal |
Abmessungen | 107 x 40 x 107 mm (B x H x T) |
Gewicht | 300g |
Stromversorgung | 5V DC |
Preis | 895 Euro |
Hersteller
Lindemann audiotechnik GmbH
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Anschrift | Am Anger 4 82237 Wörthsee GERMANY |
Telefon | +49 8153 9533390 |
Fax | +49 8153 9533399 |
Web | www.lindemann-audio.de |
www.facebook.com/lindemann.audiotechnik |