Auch wenn es so aussehen könnte: Weder Urlaubszeit noch hohe Temperaturen nehmen wir zum Anlass, ältere Artikel zu recyclen. Vor anderthalb Jahren habe ich Ihnen den Auralic Aries G2 vorgestellt, hier geht es um den Aries G1: Der ist um mehr als 40 Prozent günstiger und technisch dennoch zum Großteil mit dem Zweier identisch.
Beim Erscheinen des Aries G2 nahm ich fälschlicherweise an, dass die Namensergänzung für „Generation 2“ stünde und hielt ihn für den legitimen Nachfolger des Aries Femto. Die Numero zwei bietet mit ihrem aus dem Vollen gefrästen Alugehäuse und einigen zusätzlichen technischen Features, wie ich schon im damaligen Test anmerkte, einen durchaus guten Gegenwert für ihren Preis. Dennoch irritierte es mich ein wenig, dass Auralic dem bewährten Femto ein mehr als doppelt so teueres Modell nachfolgen ließ. Mit dem Erscheinen des G1 sind nun das Missverständnis und die Irritation Schnee von gestern – ob man bei etwa 30 Grad im Hörraum wohl eher zu einer solche Formulierung greift? Egal. Der G1 bietet jedenfalls alle Anschlussmöglichkeiten, um einen Femto eins zu eins zu ersetzen. Er besitzt ein ansprechendes Vollmetallgehäuse und benötigt auch keine zusätzliche, höherwertige externe Stromversorgung wie der Femto. Damit ginge der Preis von 2500 Euro auf jeden Fall in Ordnung – entsprechende klangliche Leistungen einmal vorausgesetzt.
Die eingesetzte Technik weckt zumindest hohe Erwartungen: Der G1 nutzt wie der G2 Auralics Tesla-G2-Plattform, die in einem bei Auralic „Resampling“ genannten Prozess ankommende Datenströme auf 705,6 respektive 768 Kilohertz hochzurechnen vermag. Der Prozessor des G1 kann wie der des Zweiers auf einen Zwei-Gigabyte-System- und einen Acht-Gigabyte-Datenspeicher zugreifen. Die Dual-Femto-Clock wurde auch vom größeren Bruder übernommen. Bei der Stromversorgung gibt es ebenfalls keine Abstriche: Auch im G1 finden sich zwei analoge, galvanisch voneinander getrennte Netzteile, denen Auralics „Purer-Power-Technologie“ zugrunde liegt. Dabei geht es um die Reinigung des Stroms von hochfrequentem Schmutz und die Vermeidung von Interferenzen zwischen verschiedenen Funktionsgruppen über die Energieversorgung: Ein Purer-Power-Netzteil speist die Tesla-G2-Plattform, das Farb-LC-Display und eventuell über USB angeschlossene Festplatten. Der zweite Purer-Power-Zweig versorgt empfindliche Audiokomponenten wie den Taktgenerator mit seiner Dual-Femto-Clock und den USB-Audioausgang. Worauf muss der Einser dann überhaupt verzichten?
Da wäre die Trennung der einzelnen Baugruppen durch spezielle galvanische Hochgeschwindigkeits-Trennglieder, die beim G2 zwischen den drei Primärkreisen eingesetzt werden, um die geräuschempfindliche Femto-Clock, die digitalen Audio-Übertragungssysteme und die zentrale Signalverarbeitung vollständig voneinander zu isolieren. Auch wenn sich die beiden Aries zum Verwechseln ähneln, unterscheiden sich schon ihre äußeren Hüllen grundlegend: Das in der Auralic-Terminologie „Unity Chassis“ genannte Gehäuse des G2 wurde aus einem massiven Aluminiumblock herausgearbeitet, das des G1 aus mehreren Aluteilen zusammengesetzt, wobei aber beispielsweise der Gehäusedeckel mitsamt den Seiten aus einem Stück besteht. Dabei variiert sogar die Dicke der Seitenteile, um ausgeprägte Resonanzen zu verhindern. Gut, das monolithische Gehäuse des G2 mag noch eine Spur eleganter wirken, aber das des G1 dürfte dem Klang in keiner Weise abträglich sein. Noch eine kleine Sparmaßnahme in Sachen Mechanik: Die damals speziell für die G2 Serie konzipierten Füße werden dem G1 vorenthalten – was mir aber herzlich egal ist: In meinem Artesania-Rack stellen vier mit Filz beklebte Kegel aus Delrin den Kontakt zum Gehäuseboden – und nicht zu den Gerätefüßen – her.
Kommen wir zu den beiden letzten Ausstattungsmerkmalen, auf die man beim G1 verzichtet. Und hier sollte man schon überlegen, ob man das wirklich möchte: Zum einen stellt nur der G2 den L-Link-Ausgang zur Verfügung: Wird dieser etwa statt einer USB-Verbindung zur Ansteuerung des Vega-G2-DAC genutzt, legt das Auralic-Duo klanglich noch einmal deutlich zu. Wenn Sie also Besitzer eines Vega G2 sind oder dies in Zukunft werden möchten, bietet der Aries G2 für seinen beträchtlichen Mehrpreis einen sehr reellen Gegenwert. Der Zweier bietet auch die Möglichkeit, eine große Festplatte einzubauen. Im Test stellte sich heraus, dass er in dieser Konfiguration dasselbe extrem hohe klangliche Niveau erreicht wie beim Zugriff auf die Daten, die auf einen audiophilen NAS wie dem Melco liegen, per Ethernet. Wenn Sie also bisher nicht über einen sehr hochwertigen netzgebundenen Speicher verfügen, könnte der G2 die – unter Umständen – günstigere Wahl darstellen.
In meiner Anlage hat sich die Kombination aus Switch, Melco N1ZH/2 und Streaming Bridge bewährt: Da kann der G1 einfach die Stelle des Aries Femto samt Analog-Netzteil einnehmen. Wie immer gestaltet sich die Integration eines Auralic ins Netzwerk dank der Lightning-DS-Software sehr einfach. Nach ein paar Minuten bezieht der G1 die Daten vom Melco und bereitet sie für Chord Electronics' DAVE respektive M-Scaler auf. Zu Anfang verzichte ich auf letzteren, da ich das Resampling des Aries ausprobieren möchte – was übrigens auch alle Besitzer eines Aries Femto mit aktueller Firmware tun sollten. Beim G2 ließ sich mit der Hochrechnung der Daten ein sehr interessantes klangliches Fine-Tuning vornehmen. Aber der G1 spielt schon ohne Rechentricks in meiner Kette völlig überzeugend. So habe ich mich erst einmal einer Schwelgerei in tiefen Frequenzen hingegeben: Bei ECM erschien kürzlich Larry Grenadiers Solo-Bass-Album The Gleaners: trotz Besetzung und Instrumentierung ungemein spannend und abwechslungsreich, aber gewiss keine leichte Kost zum Nebenher-Hören.
Dank des G1 ist jede Feinheit – und auch mal eine minimale Unsauberkeit – in Larry Grenadiers virtuosem Spiel klar wahrzunehmen. Dennoch strahlt der Bass eine angenehme Wärme aus und scheint dank wohldosiertem Hall in einem größeren Raum zu stehen. Besonders gut gefiel mir die Hommage an einen der großen Kollegen, „Pettiford“, in dem weder Bogen noch Mehrspurtechnik zum Einsatz kommt. Hier wird der Bass beim Hochrechnen der Daten von 96 auf 768 Kilohertz noch präziser abgebildet, dynamische Betonungen und Details wie das Atmen von Grenadier sind etwas präsenter, der Tieftonbereich kommt aber einen Hauch weniger fett rüber. Trotzdem ziehe ich hier das Resampling vor. Noch klarer fällt die Entscheidung für das Resampling – und die damit verbundene Wahl der Filtercharakteristik „Smooth“ – bei Schostakowitschs „Symphonie Nr. 15“ mit den Duisburger Philharmonikern unter Jonathan Darlington aus. Hier sorgt die Datenvermehrung für ein noch weitläufigere Bühne und eine plastischere Zeichnung der Instrumentengruppen. Wenn Auralics Resampling schon hier so beeindruckend funktioniert, darf man auf den Upsampling-Processor Sirius G2 gespannt sein. Ein Test ist fest vereinbart. Als ich das Resampling des G2 ausprobierte, hatte ich nichts, mit dem ich es hätte vergleichen können. Das ist jetzt dank Chord Electronics' M-Scaler anders: Wenn er statt des Prozessors des G1 für die Berechnung der Daten verantwortlich ist, wirkt der Saal noch einmal ein Stück tiefer, die Instrumentengruppen werden noch exakter voneinander separiert, und die Durchzeichnung gelingt noch präziser. Wie wird der Vergleich wohl ausgehen, wenn der Sirius im Spiel ist?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir beim „Allegretto“ aus „Schostakowitschs 15. Symphonie“ in der Living Concert Series schon einmal so eine so große Bühne vorstellen konnte wie beim Aries G1 in Kombination mit dem M-Scaler und dem DAVE. Mit anderen Worten: Es ist an der Zeit für einen Vergleich zwischen Aries Femto und G1. Mit Abdullah Ibrahims „Calypso Minor“ kann man vorzüglich Tiefbass-Verhalten, Dynamik, Klangfarben und – etwa beim Hall für das Piano – Feinauflösung einer Komponente beurteilen. Die Bass-Drum besitzt bei beiden Aries richtig Druck, wird beim G1 aber besser vom tiefen Viersaiter abgesetzt. Die Tieftonwiedergabe besitzt hier einfach ein wenig mehr Kontur. In Sachen Drive und Klangfarben nehmen sich der Femto und sein Nachfolger nichts. Dieser lässt die hart angeschlagenen Becken beinahe explodieren. Dagegen wirkt der Femto minimal gebremst.
Bei Patrice Herals „Improvisation“ sind die Unterschiede zwischen den beiden Aries recht gering. Der neue hat ganz leichte Vorteile in puncto Raumtiefe und Präzision im Tieftonbereich, die glücklicherweise nicht auf Kosten von Fülle geht. Allerdings hatte ich bisher, um beiden Streaming Bridges die gleichen Bedingungen zu bieten, das USB-Kabel immer inklusive des Audioquest Jitterbug umgesteckt, da sich dieser zwischen Aries Femto und M-Scaler bewährt hatte. Der G1 ist – wie ein kurzer Test zeigt – keinesfalls auf den Jitterbug angewiesen. Im Gegenteil, hier nivelliert er die Unterschiede zwischen den beiden Aries minimal. Ohne ihn legt der G1 in Sachen Raumdarstellung noch einen Hauch zu. Also werde ich ab sofort den G1 direkt per USB mit dem M-Scaler verbinden. Noch einmal Schostakowitsch, aber diesmal die „Polka“ aus Das Goldene Zeitalter: Auch ohne Jitterbug sind die Vorzüge des G1 nicht riesig, aber klar herauszuhören. Die bessere Durchzeichnung macht es einfacher, die Melodielinien einzelner Instrumentengruppen zu verfolgen, in den dichten Passagen gibt es mehr Klangfarben zu entdecken und die Bühne wirkt auch minimal größer. Der Femto mit einem großen, analogen Netzteil ist einfach verdammt gut, aber der G1 bietet das im High-End-Bereich so schwer zu erreichende Quäntchen mehr.
Abschließend gönne ich mir noch einmal Arild Andersens „If You Look“ vom Album If You Look Far Enough. Das dichte Perkussionsgeflecht, die Synthesizer-Flächen und die grollenden Pauken sind ein uneingeschränkter Genuss. Der große, imaginäre Raum, die mannigfaltigen Farben den Glöckchen, Rasseln und Becken und der wohl virtuelle Chor kommen bestens differenziert, fein durchhörbar und dennoch ohne jeden Anflug von Kälte oder Härte rüber – wenn denn der G1 die Daten vom Melco zum M-Scaler auf den Weg bringt. Wie nicht selten, wenn man vom Besseren zum Gewohnten zurückkehrt, wird auch hier der Unterschied leichter deutlich: Der Aries Femto lässt im Vergleich ein wenig Farbigkeit, Feinzeichnung und sogar einen Hauch Dramatik vermissen. Hier habe ich das Gefühl, die Lautstärke ein wenig erhöhen zu müssen, um den Song ebenso intensiv zu erleben.
STATEMENT
Der Femto darf sich rühmen, eine neue Gerätegattung (mit)begründet zu haben. Deshalb sieht man ihm seinen Anflug von Extravaganz – Stichworte Gehäuseform und -material – und Unvollkommenheit in Sachen Netzteil gerne nach. Der G1 ist nun die erwachsene Version des Femto. Und das gilt erfreulicherweise nicht nur für sein Äußeres und seine Stromversorgung, sondern auch seinen Klang, der auf gekonnte Art mehr Details mit mehr Spannung und Farbigkeit verbindet. Großartig!
Gehört mit
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NAS | Melco N1ZH/2, WDMyCloud |
Streaming Bridge | Auralic Aries Femto mit SBooster BOTW P&P Eco MKII |
D/A-Wandler | Chord Electronics DAVE |
Up-Sampler | Chord Electronics M-Scaler mit PowerAdd |
LAN-Switch | SOtM sNH-10G i mit Keces P8 |
10-MHz-Clock | SOtM SCLK-OCX10 mit Keces P8 |
Vorverstärker | Einstein The Preamp |
Endstufe | Eintein The Poweramp |
Lautsprecher | Göbel Epoque Aeon Fine |
Kabel | Göbel High End Lacorde, Audioquest Dragon HC, Tornado (HC) und NRG-Z3, SOtM dBCL-BNC |
Zubehör | Audioquest Niagara 5000 und 1000, Acoustic System Füße und Resonatoren, Artesania Audio Exoteryc, Harmonix Real Focus und Room Tuning Disks, Audio Exklusiv Silentplugs |
Herstellerangaben
Auralic Aries G1
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Streaming-Optionen | Netzwerkfreigabe, USB-Massenspeicher, UPnP/DLNA-Server TIDAL, QOBUZ, Internetradio, Spotify Connect, AirPlay, Bluetooth, Roon Ready |
unterstützte Dateiformate | AAC, AIFF, ALAC, APE, DFF, DSF, FLAC, MP3, OGG, WAV, WV und WMA |
unterstützte Abtastraten | PCM in 44,1-384kHz, 16-32Bit, DSD64 - DSD512 (DoP und native) |
Streamingplattform | AURALiC Tesla G2 mit 1,2GHz Quad-Core-Prozessor ,2GB Arbeitsspeicher, 8GB Datenspeicher |
Netzwerkeingang | RJ45 Gigabit-Ethernet Tri-Band 802.11ac WLAN |
Audioausgänge | AES/EBU, SPDIF Koaxial, TosLink, USB |
Interne Clock | Dual Femto Clock, getrennt für USB und die verbleibenden digitalen Ausgänge |
Stromversorgung | Doppelt ausgeführtes PurerPower-Linearnetzteil, 10μV Low Noise Design für das Audio-Board |
Display | 3,97-Zoll Retina Display |
Kontroll-Software | Lightning DS, Roon, OpenHome-kompatible Bediensoftware von Drittanbietern |
Abmessungen (B/H/T) | 340/80/320mm |
Gewicht | 6,6kg |
Preis | 2.500 Euro |
Vertrieb
audioNEXT GmbH
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Anschrift | Isenbergstraße 20 45130 Essen |
Telefon | 0201 5073950 |
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Web | www.audionext.de |