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Ein Besuch bei SPL electronics

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Wohl bei keinem anderen Firmenbesuch habe ich so wenig Notizen gemacht wie bei SPL electronics in Niederkrüchten am Niederrhein. Das liegt daran, dass die Gespräche mit den allesamt aus dem Pro-Bereich stammenden Mitarbeitern dort viel zu anregend waren, um schnöde Fakten zu recherchieren. Um die konnte ich mich von zuhause aus immer noch kümmern.

Regelmäßigen Hifistatement-Lesern brauche ich bestimmt nicht mehr zu verraten, dass SPL lange Zeit ausschließlich professionelle Audio-Geräte für Aufnahme- und Mastering-Studios entwarf und fertigte, bevor man vor etwa vier Jahren die Professional-Fidelity-Linie vorstellte und damit auf dem Hifi- und High-End-Markt für Furore sorgte. Mir begegnete SPL erstmals in Form eines Vitalizers, eines durchaus bezahlbaren Programm-Equalizers, der anders als Exiter keine zusätzlichen Signalanteile produziert, sondern bestehende Frequenzen minimal verzögert oder verstärkt und auch die Breite der Stereoabbildung verändern kann. Beim Einsatz bei Zweikanal-Aufnahmen soll die patentierte Schaltung für eine Optimierung des Klanges nach gehörrichtigen Gesichtspunkten sorgen. Der Vitalizer erwarb sich in kurzer Zeit einen hervorragenden Ruft und fand auch in der Hifi-Szene einige Beachtung, so dass SPL eine für den heimischen Einsatz angepasste Version mit Cinch-Anschlüssen und den entsprechenden Pegeln auf den Markt brachte – das war meines Wissens nach der erste Versuch, im Hifi-Bereich aktiv zu werden, noch geraume Zeit vor der Professional-Fidelity-Serie.

Als audiophiler Purist habe ich den Vitalizer übrigens nicht in der heimischen Anlage, sondern nur bei der Bearbeitung von Aufnahmen für das Plattenlabel sommelier du son, das meine Gattin und ich gegründet hatten, eingesetzt – zumindest für einige Zeit, dann brach sich auch hier der Purismus Bahn. Einen beständigen Platz im Aufnahme-Rack hat sich ein weiterer Klassiker von SPL gesichert: der leicht zu bedienende und unserer Meinung nach unverzichtbare De-Esser, der Stimmen von Zisch-Lauten befreit. Keine Angst: Ich verzichte hier auf eine weitere Polemik gegen nachlässig aufgenommene Stimmen in digitalen Produktionen.


Bereits vor acht Jahren stellte ich Ihnen an dieser Stelle den famosen Phonitor vor, einen Kopfhörerverstärker in 120-Volt-Technik, der auf rein analogem Weg die Illusion von Lautsprechern im Raum erzeugen soll, inklusive Übersprechen zwischen den beiden Schallwandlern, Frequenzbeeinflussung durch die Nähe zu Wänden und Laufzeitunterschieden durch die Einwinkelung der Lautsprecher. Vier Jahre später erschien dann der Phonitor 2 mit nochmals verfeinerter Matrix-Schaltung zur Raumsimulation, einer kräftigeren Ausgangsstufe und Vorstufenausgängen. Inzwischen sind auch der Phonitor X und XE mit symmetrischer Ausgangsstufe erhältlich. Die dürfte den Wünschen der Hifi-Gemeinde geschuldet sein. Als ich Hermann Gier, einem der drei Geschäftsführer von SPL, von meinem Eindruck, der Audeze LCD-X klinge dank symmetrischer Verstärkung und Verkabelung ein wenig räumlicher, erzählte, machte er für diese Wahrnehmung schlicht minimale Ungleichheiten zwischen den Verstärkerzügen für die positiven und negativen Halbwellen verantwortlich: Studio-Coolness.

Schon der Ur-Phonitor war nicht nur bei Toningenieuren, sondern auch bei Kopfhörer-Aficionados ausgesprochen erfolgreich. Durch die zunehmende Popularität von Kopfhörern und den dafür geeigneten Verstärkern während der letzten Jahre geriet auch SPL immer stärker in den Blick von Genuss-Hörern. Sascha Flocken, bei SPL für PR und Marketing verantwortlich, will daher auch keinen Zeitpunkt für die Entscheidung, eine Hifi-Linie aufzulegen, nennen. Das sei ein fließender Prozess gewesen, bei dem das enorme Interesse der Kopfhörer-Fans an den Phonitoren und ihre Nachfrage nach weiteren Geräten eine beträchtliche Rolle gespielt habe. Zudem hätten einigen Kollegen des Teams eher privat an einer Endstufe in 120-Volt-Technik – die kommt dank der diskret aufgebauten Operationsverstärker mit hoher Ausgangsspannung mit nur einer Treiberstufe aus – gearbeitet. So sei eines zum anderen gekommen. Schließlich habe man dann im Jahr 2015 erstmals die gesamte, komplett von Bastian Neumann entwickelten Hifi-Geräte präsentiert.

Das war übrigens nicht das erste Mal, dass einer meiner Gesprächspartner als Grund für eine Entwicklung sein ureigenstes Interesse daran nannte. SPL beschäftigt keine Produktmanager, die Kundenwünsche und Marktentwicklungen analysieren, um dann entsprechende Geräte entwickeln. Wie Sascha Flocken verriet, arbeiteten aber alle bei SPL Tätigen zuvor oder parallel zu ihrem Job im Studio und/oder seien praktizierende Musiker. Und da weiß man eben, was man an Equipment benötigt und wie es idealerweise klingen sollte. Das war schon so, als Wolfgang Neumann die Firma gründete. Daher ist zumindest während der ersten Zeit seine Geschichte auch die von SPL: Gemeinsam mit einem Freund betrieb er Ende der 70-er Jahre eine Studio in Roermond. Besonders stolz waren sie auf zwei synchronisierte MCI-Tonbandmaschinen mit je 24 Spuren, die 48-Kanal-Mehrspuraufnahmen möglich machten. Damals war Studio-Equipment und -Zeit im Gegensatz zu heute unvergleichlich viel teuerer. Als Radio- und Fernsehtechniker war Wolfgang Neumann aber glücklicherweise in der Lage, die benötigten Geräte zu entwickeln und auch selbst zu bauen.


Als der Preis für eine Studiostunde dann um 1987 im Laufe eines Jahres um etwa 70 Prozent fiel, trennte sich Wolfgang Neumann von seiner Beteiligung am Studio und widmete sich ausschließlich der Produktion eigener Geräte. Dazu gründete er die Firma Sound Performance Lab oder kurz SPL. Die ersten Aufträge kamen aus den Benelux-Staaten, auf Grund seiner Studiotätigkeit verfügte er aber auch über gute Kontakte zu amerikanischen Musikern, die in Roermond in den Niederlanden aufgenommen hatten, so dass er bald auch in den USA eine Reihe von Kunden fand. Anfangs produzierte Wolfgang Neumann noch in der eigenen Garage, im Jahr 1985 hatte er dann eine Fertigungsstätte in Bracht. Zu dieser Zeit beschäftigte er Hermann Gier als Aushilfe. Nach unternehmerischen Turbulenzen stieg Hermann Gier als Betriebswirt in die Firma ein. Heute ist er, wie gesagt, neben Wolfgang Neumann, einer der drei Geschäftsführer von SPL.

In den 90-er Jahren entwickelte Wolfgang Neumann die 120-Volt-Technik, die auch in allen Hifi-Komponenten zum Einsatz kommt und hier unter den griffigen Namen Voltair firmiert. Übliche Versorgungsspannungen liegen, wenn sie großzügig bemessen sind, bei ±24 Volt, bei SPL bei ±60 Volt. Daraus resultiert eine deutlich höhere Übersteuerungsfestigkeit respektive mehr Headroom. Der SPL-Entwickler spricht von einer etwa 30 Dezibel höheren Dynamik als bei Mitbewerbern, deren Geräte mit ±24 Volt arbeiten. Allerdings lässt sich die höhere Spannung nur nutzen, wenn man dafür eigene – diskret aufgebaute – Operationsverstärker entwickelt. Das erste kommerzielle Produkt mit der neuen Technik war Ende der 90-er Jahre eine Acht-Kanal-Konsole für das Galaxy Studio in Belgien. Dort hat sie übrigens auch Mastering-Legende Bob Ludwig gehört und gleich ein Exemplar bestellt. Inzwischen setzt SPL Operationsverstärker der fünften Generation ein, die dank neuer Bauteile und einer hohen Packungsdichte deutlich kleiner hergestellt werden können. Die Stromversorgung erfolgt bei SPL aus klanglichen Gründen wie eh und je mit linearen Netzteilen. Nicht nur die Operationsverstärker sind als leicht austauschbare Module konzipiert: Die meisten Funktionsgruppen sitzen auf modularen Karten, damit sie im Fall der Fälle schnell und kostengünstig ausgetauscht werden können. Sascha Flocken wies darauf hin, dass alle Reparaturen für in Europa verkaufte Geräte in Niederkrüchten gemacht würden und dieser Service noch für alle je produzierten SPL-Produkte möglich ist. So viel zum Thema Nachhaltigkeit.


Schon bei der Entwicklung wird das Layout der Platinen im Rechner erstellt, wobei natürlich darauf geachtet werden muss, dass die Plätze für Buchsen und Bedienungselemente auch sinnvoll in einem Gehäuse angeordnet werden können. Parallel zur Elektronik-Entwicklung konstruiert Hermann Gier das Gehäuse und ein vorläufiges Frontplatten-Design. Auch wenn ich oben schrieb, die Entscheidung für neue Geräte orientiere sich nicht vorrangig an Kundenwünschen, schlagen sich die Erfahrungen von Toningenieuren und Tonmeistern doch in den SPL-Geräten nieder – und zwar in deren Abstimmung. Aber erst wenn Wolfgang Neumann seine Entscheidung bei den klangrelevanten Bauteile getroffen hat und Prototypen erstellt wurden, werden befreundete Toningenieure um ein Feedback dazu gebeten.

Sobald das letzte Feintuning abgeschlossen ist, gehen die Daten an den Elektronikhersteller Middelkamp GmbH und Co. KG und an die beiden Zulieferer für Gehäuse und Frontplatten. Middelkamp fertigt in einem Gebäude, das direkt an den Firmensitz von SPL angrenzt. Aber nicht nur räumlich besteht zwischen den Firmen eine große Nähe: Heinz Middelkamp hat als Maschinenbau-Student schon Mitte der 90-er Jahre bei SPL gejobbt und nach Abschluss des Studiums dort als Produktionsleiter angefangen. Als SPL dann expandierte und für die größeren Stückzahlen einen neuen Zulieferer suchte, machte sich Heinz Middelkamp selbstständig und gründete die GmbH und Co. KG. Im Oktober 2018 verließ der dritte Geschäftsführer Peter Waschke, der für SPL neue Vertriebswege erschloss, die Firma, und Heinz Middelkamp übernahm seinen Posten. SPL ist übrigens der wichtigste, nicht aber einzige Kunde der Firma Middelkamp.

Wie zuletzt der Test der Performer m1000 deutlich machte, zeichnet SPLs Professional-Fidelity-Linie ein sehr kundenfreundliches Preis/Klang-Verhältnis aus. Das ist im Pro-Bereich nicht anders. Aus Sicht eines High-End-Fans wirken solch aufwendige Komponenten wie der Mastering Compressor Iron oder der zweimal fünfkanalige Mastering-Equalizer PQ nicht unbedingt sehr hochpreisig. Für große Studios sind sie es auch nicht, wie die Liste der vielen SPL-Nutzer auf der website (hier ein Link zu https://spl.audio/studios-around-the-world/) zeigt. Aber in den Zeiten kleiner Digital-Studios und Homerecordings bleiben SPL-Geräte für viele unerschwinglich. Um auch diese Klientel bedienen zu können, entwickelt SPL in Kooperation mit Brainworx Plug-Ins ihrer Erfolgsmodelle. Wie Sascha Flocken berichtete, kommen die digitalen Klone ihren realen Vorbilder klanglich sehr nahe. So ist ein virtueller Iron für 300 Dollar zu haben, während das Original mit knapp 5.000 Euro in der Preisliste steht. Aber trotz überraschend hoher Stückzahlen bei den Plug-In-Verkäufen trägt dieses Geschäftsfeld noch nicht maßgeblich zum Umsatz bei, ist aber in Sachen Marken-Image und Kundenbindung nicht zu unterschätzen.


Ich weiß nicht, ob es an der überschaubaren Größe der Firma, den langjährigen Beziehungen der Hauptakteure oder der Begeisterung aller Beteiligten für dieselben Themen – Recording und Musik – liegt, dass sich bei SPL Engagement, Lockerheit und ein entspannter Umgang miteinander auf, wie mir scheint, ideale Weise mischen. Selten habe ich bei einem Firmenbesuch ein so kommunikatives und inspiriertes Team kennengelernt.

PS: Natürlich arbeitet SPL weiterhin intensiv an seiner Professional-Fidelity-Serie: Für den Herbst haben wir daher den Test eines Director 2 geplant, und eine große Stereo-Endstufe im Gehäuse der m1000 ist bereits in Arbeit.


Hersteller
SPL electronics GmbH

Anschrift Sohlweg 80
41372 Niederkrüchten

Telefon +49 2163 98340

Fax +49 2163 983420
E-Mail info@spl.audio
Web www.spl.audio

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