ikko ist ein eher junger Hersteller aus China mit einem noch kleinen, aber innovativen Portfolio. Ohne meinen Besuch im Austellungsraum von Audio Next auf den Norddeutschen HiFi-Tagen wäre mir dieser Hersteller gänzlich unbekannt geblieben und ein Hörerlebnis verwehrt. Glück gehabt.
Besonders auffällig ist auf den ersten Blick schon die Verpackung. Während andere Hersteller meist schlicht das Produkt selbst aufdrucken lassen, setzt ikko auf einen ganz anderen Stil. Auf der Produktverpackung schwebt eine Comicfigur musikhörend auf einem obsidianartigen Gebilde umgeben von Wüstenfüchsen durch die Gegend. Damit stellt ikko schon beim Erstkontakt klar, dass die Obsidian OH10 mehr als nur ein technisches Gerät sind, sondern durchaus als Accessoire verstanden werden sollen. Für den deutschen Markt mag dies ein eher ungewöhnlicher Ansatz sein, betrachtet man allerdings den asiatischen Kopfhörermarkt, passt es schon eher. Comics interessieren mich zwar überhaupt nicht, dennoch gefällt mir der eher bunte und blumige Markenauftritt. Einfach mal anders und nicht erzwungen übertechnisiert. So liegt dem Lieferumfang neben Ohrpassstücken ein kleiner Anstecker mit einem ikko-Logo samt stilisierten Fuchs bei. Braucht eigentlich kein Mensch, trotzdem eine schöne Idee, und ich bin für derartigen Kleinkram ohne weiteren Nutzen sowieso immer zu haben. Eine kleine Transporttasche aus Kunstleder gehört ebenfalls zum Lieferumfang. Statt eines Knopfes oder Reißverschlusses wird diese mit einem kleinen Kunstlederband umschlungen und so verschlossen.
Die In-Ears selbst sind aus Kupfer gefertigt und mit einer hautfreundlichen Beschichtung überzogen. Sie gehören zu den eher größeren In-Ears und ihre Form erinnert stark an die einer Ohrmuschel. Die Verarbeitung ist für einen In-Ear ungewöhnlich solide und macht gepaart mit dem Hochglanzfinish in anthrazit einen sehr edlen Eindruck. Das mitgelieferte Kabel mit 3,5-Millimeter-Klinke besteht aus sauerstofffreiem Kupfer und ist silberbeschichtet. Die Verbindung zum In-Ear wird über einen klassischen 2-Pin-Stecker mit 0,78 Millimetern hergestellt, der hauptsächlich bei angepassten In-Ears zur Verwendung kommt. Dementsprechend ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass das geflochtene Kabel über dem Ohr getragen wird. Um es zu stabilisieren, ist auf den letzten 10 Zentimetern des Kabels ein durchsichtiger Schlauch aufgebracht. Die Stärke ist perfekt gewählt, so trägt er weder zu dick auf noch ist er zu störrisch. Das Kabel ist kaum mikrofonisch und sehr flexibel. Statt einem Klett liegt dem Obsidian ein kleiner Kunstlederstreifen bei, der im Grunde wie ein Kabelbinder funktioniert. Man zieht das Ende des Streifens durch einen dafür vorgesehenen kleinen Schlitz, die Reibung des Stoffs fungiert dabei als Verschlussmechanismus. Das funktioniert tatsächlich sehr gut und gefällt mir deutlich besser als ein Klett. Die Kletts an den meisten meiner In-Ears haben nach kürzester Zeit ihren Dienst versagt und sammeln die Fusseln sämtlicher Kleidungsstücke. In dieser Hinsicht bin ich einfach sehr penibel und lege großen Wert darauf, die Kabel meiner In-Ears feinsäuberlich aufzuschießen und in der mitgelieferten Verpackung zu verstauen. Die dünne ikko-Ledertasche ist dabei nicht ganz so praktisch wie die von vielen anderen Herstellern genutzten Reißverschlusstaschen mit etwas härterer Schale – auf der anderen Seite auch eine willkommene Abwechslung. Die Bruchgefahr der In-Ears geht dank ihres massiven Metallgehäuses ohnehin gegen Null.
Im In-Ear Sektor dominieren hauptsächlich zwei Treibersysteme: Dynamische und Balanced-Armature-Treiber. Beide Systeme haben ihren Reiz und ihre Schwächen. Einige davon sind Vorurteile, andere entsprechen nach meiner Erfahrung oft den Tatsachen. Wie immer spielt der Geschmack eine große Rolle. Ich schätze Balanced-Armature-Treiber beispielsweise für ihre Präzision und mag den eher trockenen Bass, den viele Modelle, die auf diesen Treibern basieren, an den Tag legen. In dieser Disziplin sind mir viele dynamische Systeme viel zu aufdringlich und der Bassbereich verschleiert leider oft alle anderen Frequenzbereiche – unabhängig von der jeweiligen Preiskategorie des Hörers. Dafür ist dieser isoliert betrachtet oft organischer als der von Mitstreitern in Balanced-Armature-Ausführung. Diese hängen die meisten dynamischen Konzepte dann wiederum in der Höhenauflösung ab. Als logische Konsequenz macht sich ikko, wie viele andere Hersteller auch, die Vorteile des jeweiligen Konzepts zunutze und kombiniert einen dynamischen Treiber mit einem Balanced-Armature-Treiber. Letzterer stammt vom amerikanischen Spezialisten Knowles und ist nicht nur in In-Ears anderer Hersteller, sondern auch im Meteor OH1, dem kleinen Bruder des Obsidians, verbaut. Die große Kunst ist letztendlich die Einbindung und Ansteuerung der Treiber. Ich habe durchaus schon Systeme mit über alle Zweifel erhabenen Treibern gehört, die aufgrund schlechter Einbindung derselben in keinster Weise zufriedenstellende Ergebnisse lieferten. ikko macht hier alles richtig und die Treiber spielen in bestmöglicher Manier. Die Obsidian OH10 erreichen eine Empfindlichkeit von 106 Dezibel bei 18 Ohm und eignen sich damit für einen unkritischen Betrieb an nahezu jedem Zuspielgerät. Auch meinem Smartphone fällt es nicht schwer, sie anzutreiben, doch wird dann deutlich Potential der In-Ears verschenkt. Folglich nutze ich für den Hörtest meinen FiiO X7 Mark II mit AM3A-Modul. Dennoch ist ein Player dieses Kalibers nicht zwangsläufig nötig und ein günstigerer Kandidat aus der Vielzahl an DAPs wird das Smartphone ebenso zuverlässig abhängen.
Mit den beigelegten Silikonaufsätzen passen die OH10 überraschend gut. Ich habe nicht nur sehr kleine Ohren, sondern auch eher kleine Gehörgänge. Normalerweise ist dies für die meisten In-Ears nicht gerade von Vorteil. Dementsprechend beginne ich mit den kleinsten Aufsätzen. Passt, ist aber nicht wirklich bequem. Für eine gute Abdichtung muss ich die Obsidian schon sehr tief in meinem Gehörgang platzieren und sitze mit der Schallöffnung quasi auf meinem Gehörgang auf. Mit dem mittleren Aufsatz erreiche ich schone eine anständige Abdichtung, wenn der Hörer nicht ganz so weit im Gehörgang sitzt. Zwischen Schallöffnung des In-Ears und Knorpel bleibt mehr Luft und die leicht erhöhte Menge an Silikon dämpft zusätzlich. Perfekt. Das Gehäuse ist, um in meiner Ohrmuschel Platz zu finden, eindeutig zu groß, respektive meine Ohrmuschel zu klein, was eher der Wahrheit entspricht. Trotzdem hält es hervorragend, verrutscht nicht und fällt schon gar nicht ungewollt aus den Ohren. Normalerweise statte ich jeden In-Ear sofort mit Comply-Tips aus. In diesem Fall ist dies allerdings wirklich nicht nötig, zumindest nicht aus Komfortgründen. Möchte man etwas mehr Isolation oder eine leichte Veränderung im Sound, sind Complys natürlich das Mittel der Wahl. Für die Obsidian wird eine 400er- Größe benötigt.
Für den Hörtest nutze ich die mitgelieferten Aufsätze. „Starchild“, der letzte Song von Level 42s Debütalbum ist ein guter Kandidat zum Einstieg. Vorliegend als einfacher CD-Rip im FLAC-Format, spielt dieser Song selbst bei sehr ähnlich klingenden Kopfhörern kleinste Unterschiede heraus. Nach dem kurzen Schlagzeugintro legt Mark King wie üblich königlich am Bass los. Es knarzt und groovt bereits amtlich. Die kleinen In-Ears vermögen es dem Bass eine beachtliche Körperhaftigkeit zu verleihen und haben immer noch genügend Dampf übrig, um bei der Bass Drum einen draufzusetzen. Beide Instrumente bleiben über die gesamte Länge des Songs die treibenden Elemente, ohne ihn zu dominieren. Beispielsweise erhält die Snaredrum genügend Luft, um sowohl den Hallraum als auch die fein schnarrende Antwort auf den Stickaufschlag deutlich differenzieren zu können. Der Groove auf der High-Hat, der dem musikalischen Geschehen erst den richtigen Drive gibt, da er sich rhythmisch etwas gegen die durchlaufende Bassline stemmt, ist nicht weniger präsent als der Bass selbst und ebenso leicht nachvollziehbar. Nach den ersten Gitarrenklängen macht der Song so viele verschiedene Ebenen auf, dass man eigentlich Chaos erwartet. Jedoch bleibt alles perfekt sortiert und durchhörbar. Die Stimme von Keyboarder Mike Lindup ist sehr zentral und homogen in die Wiedergabe eingebettet. Drei verschiedene Keyboardsounds und die stark verfremdete Gitarre haben ebenfalls alle eine eigene Ebene im Mix und sind über die virtuelle Bühne verteilt. Jedem Instrument wird ein gutes Stück dieser Bühne überlassen, auf dem es sich austoben kann. Instrumente nicht nur nebeneinander abzubilden, sondern jedem einzelnen Raum zu gönnen, ist eine Fähigkeit, die ich eindeutig einer gehobenen Kategorie von Kopfhörern zuordne. In dieser dürfen die ikkos uneingeschränkt mitspielen.
Zusammenfassend lässt sich der Obsidian als homogen klingender In-Ear mit einer enorm großen und klar in Breite und Tiefe umrissenen Bühne beschreiben. Mit ordentlich Schub im Frequenzkeller spielt er eher auf der dunkleren Seite der Skala. Während am unteren Frequenzende mächtig Energie vorhanden ist, fehlt diese am oberen Ende leider ein wenig. Das tut der Hochtonpräzision keinen Abbruch, lediglich der ganz feine Schimmer und Glanz fehlt manchmal. Ähnlich verhält es sich aufgrund des zurückhaltenden Mittenbereichs mit Nuancierungen. Sie sind umfassend vorhanden, jedoch versagt der Obsidian dem Hörer, ganz tief und detailverliebt in einzelne Klänge hineinzuhorchen. Dafür funktioniert hineinfühlen extrem gut. Die OH10 spielen einfach mitreißend und einnehmend. Und irgendwo muss ja schließlich noch Luft nach oben sein. Fairerweise muss ich erwähnen, dass ich, während ich diese Feinheiten rausgehört habe, oft meine Vision Ears VE6 X2 zum Vergleich herangezogen habe. Die Preisdifferenz ist eklatant und dass ich mit den günstigeren In-Ears weniger Spaß gehabt hätte, kann ich wirklich nicht behaupten. Die echte Stärke der ikkos ist nämlich ihre Natürlichkeit. In dieser Disziplin rücken sie unheimlich nah an meine Vision Ears heran, bei einem Preisunterschied von über 1.000 Euro! Natürlichkeit darf an dieser Stelle nicht mit Neutralität respektive Linearität verwechselt werden. Denn wirklich linear ist der ikko nicht, das tut dem Hörgenuss allerdings keinen Abbruch. Der wirklich sehr tief reichende Bassbereich ist so geschickt an die Mitten angebunden, dass es sogar mir, dem es sonst gar nicht linear genug sein kann, ein großer Spaß ist, Musik mit den OH10 zu hören. Plötzlich klingen viele meiner aufgrund ihrer Linearität so geschätzten In-Ears weniger echt und authentisch. Ein kerzengrader Frequenzgang ist eben nicht immer ein Garant für eine ergreifende musikalische Präsentation.
Diese Tendenz zeigt sich besonders bei orchestraler Musik. Ein Musikstück, das ich zum Test von In-Ears ebenfalls gerne nutze, stammt aus der Filmmusik des 7. Films der Star Wars Saga. „I Can Fly Anything“ (192/24). Eingespielt vom Londoner Symphonieorchester, dirigiert von John Williams selbst, bietet das Stück einen ausladenden Bläsersatz und verschiedenes Schlagwerk in recht umfangreicher Dynamik. Es ist eine echte Herausforderung an einen In-Ear, die der OH10 mit einem souveränen Achselzucken annimmt. Ich habe an keiner Stelle das Gefühl, irgendetwas zu vermissen. Der subtile Beginn mit sirrenden Streichern und Flöten wird sehr bald durch einen donnernden Trommelschlag abgelöst. Dieser ist derart kraftvoll, körperhaft und markerschütternd, wie ihn mancher Lautsprecher nicht zu reproduzieren vermag. Ein faszinierendes Erlebnis. Ebenso die Dynamik der Bläser. Während sie in leiseren Passagen eher im Hintergrund stehen, schneiden sie sich bei Crescendi mit einer Fülle an Klangfarben in den Vordergrund, dass es eine Freude ist. Ein Ruf der Hörner hier, eine Antwort der Trompeten und Posaunen dort, aufbrausende Streicher, Becken, eine nervös treibende kleine Trommel, dazwischen Einstreuungen von Holzblasinstrumenten. John Williams bietet so ziemlich alles auf, was zu einem dramatischen Score hinzugehört. Diese instrumentale Achterbahnfahrt meistert der Obsidian unglaublich gut. Die Tiefe des Orchesters ist extrem glaubwürdig, die Dynamik ausgeprägt und jede Instrumentengruppe ist klar zu lokalisieren. Dass ich wirklich In-Ears und nicht Kopfhörer höre, ist schwer zu glauben, aber tatsächlich der Fall.
STATEMENT
Eine uneingeschränkte Empfehlung für Hörer eines jeden Genres. Die ikko Obsidian OH10 punkten mit ihrer Natürlichkeit, hochwertiger Verarbeitung und spielen mit einem guten Hauch Wärme weit über ihre Preisklasse hinaus. Ich kenne kaum In-Ears mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis.
Gehört mit
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Computer | ThinkPad 470s, Intel i5-6300U @ 2,4GHz, 12GB DDR4-RAM @ 2400MHz, Windows 10 (Roon, foobar2000) |
Router & Zubehör | TP-Link Archer C7 AC1750, Sagemcom FAST5460, Netgear ProSAFE GS108 (mit Keces P3) |
Server | Melco N1 AH 60/2 |
Reclocker | Mutec MC-3+ USB |
DAC | Mytek Brooklyn DAC+ (mit Sbooster BOTW Eco P&P) |
DAP | FiiO X7 Mark II mit AM3A (FiiO Music App, BubbleUPnP, TIDAL) Smartphone Motorola One Zoom, 128GB, 4GB RAM, Android 9 (BubbleUPnP, foobar2000 controller pro, TIDAL) |
Kopfhörerverstärker | ifi iDSD micro Black Label |
In-Ears & Zubehör | Brainwavz B200, Massdrop X NuForce EDC3, Etymotic ER4SR, Vision Ears VE6 X2 (mit Effect Audio Ares II), ifi IE-Match |
Kabel | Sommer, Vovox, Cordial, Intona, Furutech, Belden |
Herstellerangaben
ikko Obsidian OH10
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Wandlertyp | Hybrid |
Wandler | 1 x Knowles 33518 Balanced-Armature-Treiber , 1 x 10mm titanbeschichteter dynamischer Treiber |
Frequenzgang | 20Hz – 40kHz |
Impedanz | 18 Ohm |
Empfindlichkeit | 106dB |
Kabellänge | 1,2m |
Vertrieb
audioNEXT GmbH
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