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Cayin MT-35MK2 Bluetooth

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Cayin ist ja mittlerweile ein regelmäßiger Gast in meinem Wohnzimmer. Der Vollverstärker Cayin MT-35MK2 Bluetooth baut dank moderatem Preis und entsprechender Schnittstelle zur Kommunikation mit Handy und Co. eine Brücke für die jüngere Generation, um in das Röhrenverstärkerlager zu wechseln. Gelingt dieser technische Spagat?

Zugegeben, ich fand es zunächst schon etwas befremdlich, dass ausgerechnet ein Röhrenverstärker mit einer Bluetooth-Schnittstelle daherkommt. Braucht doch eigentlich kein Mensch, sowas: Ein zusätzlicher in den Röhrenverstärker integrierter Wandler kommuniziert mit modernen digitalen Geräten, zum Beispiel mit Smartphones, um deren in aller Regel datenreduzierte Signale zu empfangen und mithilfe von Röhren zu verstärken. Aber die Hersteller müssen mit der Zeit gehen, um sich neue, junge Käuferschichten ohne Affinität zu Produkten mit klassischer Audiotechnik zu erschließen – so auch Cayin. Jedenfalls „kann“ der Cayin die Bluetooth-Standards UAT, LDAC, AAC und SBC. Apple zum Beispiel verwendet AAC, meine ich; mit LDAC kann man sogar in die Nähe von CD-Qualität kommen. Ich selbst habe diese Bluetooth-Schnittstellen-Option gedanklich zunächst etwas unbehaglich bei Seite geschoben, um mich dem eigentlichen Gerät zuzuwenden. Gleichwohl hatte ich meine Tochter bereits zu meiner Unterstützung für den Test im Hinterkopf, doch dazu später mehr.

Der Cayin MT-35MK2 Bluetooth, kurz: Cayin MT-35MK2 BT, ist ein kompaktes Schnuckelchen von knapp 14 Kilogramm Lebendgewicht und, wie bei Cayin üblich, blitzsauber verarbeitet. Nichts klappert, es gibt keine scharfen Kanten und auch das abnehmbare Röhrenschutzgitter sitzt passgenau. Die Bedienelemente rasten und laufen sauber. Alle Funktionen sind gut leserlich und logisch beschriftet, das ist längst nicht bei allen Herstellern eine Selbstverständlichkeit. Die Potis zur Bias-Einstellung der Röhren per kleinem Schraubendreher sind auf der Chassisoberseite gut zugänglich, kleine Kippschalter dienen der Anwahl der einzustellenden Endröhre und das Bias-Anzeigeinstrument in der Mitte der Front unterstützt den Abgleichvorgang. Das leicht melierte Metallic-Grau des Chassis sieht übrigens sehr edel aus. Nach Abschrauben des Bodendeckels freut sich das Bastlerherz über größtenteils freie Verdrahtung, die rein handwerklich wieder sehr gut ausgeführt wurde. Es gibt lediglich wenige kleine platinengestütze Baugruppen. Chapeau, liebe Cayins! Damit ist das Pflichtenheft nicht nur angesichts des Preises an dieser Stelle aus meiner Sicht übererfüllt, denn einen so hohen Aufwand und eine derartige Fertigungsqualität gibt es zu diesem Kurs andernorts eher selten.


Rein schaltungstechnisch gibt es nichts Aufregendes zu berichten, sondern eher solide, aber gut gemachte Hausmannskost: Zwei EL34-Pentoden pro Kanal arbeiten im Class-A/B-Ultralinearbetrieb. Diese Anordnung verwendet eine Gegenkopplung zwischen Anode und Schirmgitter der Gegentakt-Endpentode, was rein technisch etliche Vorteile mit sich bringt, die hier aber nicht weiter vertieft werden sollen. Jedenfalls beruht dieses Prinzip darauf, dem Schirmgitter der Endpentode einen Teil der Anodenwechselspannung zuzuführen, entweder über die Anzapfung der Primärwicklung oder aus einer Drittwicklung. Durch Wahl der Anzapfung der Primärwicklung respektive der Drittwicklung lässt sich die Einstellung der Röhren zwischen Trioden- und Pentodenbetrieb variieren. Beim Cayin MT-35MK2 BT sitzt ein solcher Umschalter in der Mitte der Chassisoberseite gleich hinter der Frontblende. Im Ultralinearbetrieb stehen an den Lautsprecherausgängen 35 Watt Ausgangsleistung pro Kanal zur Verfügung, im Triodenbetrieb immerhin noch 18 Watt. Die Eingangs- respektive Treiberstufen werden von einer ECC83 und zwei ECC82 gebildet. Der Vollständigkeit halber sei noch die Kopfhörerausgangsbuchse auf der Vorderseite erwähnt, eine Fernbedienung gibt es nicht. Außerdem verfügt der Verstärker neben der Bluetooth-Schnittstelle über drei Line-Eingänge sowie Lautsprecherausgänge mit vier und acht Ohm.

Bevor ich mit meinem eigentlichen Hörtest begonnen habe, benötigte ich familiäre Unterstützung. Meine Tochter stellte ihr Apple iPhone 11 Pro zur Verfügung und streamte ihre Musik via diverser Dienste, die ich selbst alle auf meinem Smartphone nicht nutze. Diese Streamingdienste erlauben die spontane Wahl beliebiger Titel aus einem fast unendlichen Pool an Musikstücken. So war ich zum Glück nicht dazu verdonnert, die Musik meiner Tochter hören zu müssen… Jedenfalls klappte die Verbindung zwischen Smartphone und Cayin MT-35MK2 BT problemlos und es klang insgesamt anständig. Ein belastbareres Urteil möchte ich an dieser Stelle nicht fällen, denn datenreduzierte, gestreamte Musik via Bluetooth kann letztlich einer „amtlichen Quelle“ mit verkabelter Verbindung nicht das Wasser reichen. Meine Tochter jedenfalls hatte nichts zu bekritteln – na also.

Also ging es jetzt für den Cayin richtig los, befeuert vom Duo bestehend aus Rega Planar 8 und Clearaudio Charisma V2, die die Signale via Phonostufe EAR Yoshino 834P zuspielten. Wieder einmal habe ich mir für den Hörtest bewusst oft gehörte „Lieblinge“ aus dem Plattenregal gezogen, die mir als Standard dienen, zum Beispiel Automatic for the People von R.E.M.,Warner Bros. Records, 1992. „Man on the Moon“, „Everybody Hurts“ und „Nightswimming“ klangen lebendig und sehr druckvoll. Wieder erkannte ich diese für Cayin typische, gute Grobdynamik, die ein grundlegendes Merkmal fast aller Cayin-Verstärker zu sein scheint. Trotz gegenüber dem Ultralinearmodus nominell nahezu halbierter Leistung im Triodenmodus brach diese tolle Dynamik kein bisschen ein, eher im Gegenteil: Der Tiefton kam sogar leichter, farbiger, federnder und authentischer rüber. Das ist jedoch gewiss ein Effekt, der grundsätzlich sehr stark vom angeschlossenen Lautsprecher abhängen dürfte. Faustregel: Leicht zu treibende Lasten mit hohem Wirkungsgrad wie zum Beispiel stramm aufgehängte Breitbänder oder kleine Zweigwegsysteme mit wenig komplexem Filternetzwerk dürften eher vom Triodenmodus profitieren, schwierigere Kandidaten mit geringerem Wirkungsgrad und der Erfordernis eines höheren Dämpfungsfaktors eher vom Ultralinearbetrieb.


Im Weiteren hörte ich daher ausschließlich im Triodenbetrieb. Eine meiner Lieblingsscheiben aus den 1980er-Jahren ist The Queen Is Dead von The Smiths, Rough Trade Records/Sire Record, 1986. Ein Meilenstein des Indie-Rock mit Klassikern wie „Bigmouth Strikes Again“ oder „Some Girls Are Bigger Than Others“. Morrisseys charakteristische Stimme kam feindynamisch sehr gut zur Geltung. Insgesamt spielte der kleine Cayin wie aus einem Guss, ohne bestimmte Instrumente oder Frequenzbereiche besonders hervorzuheben. Wenn ich es wollte, konnte ich in die Musik „hineinhören“ und ohne Probleme bestimmten Instrumenten oder feinen Untermelodien folgen. Aber der Vollverstärker präsentierte mir niemals auf nervige Art und Weise etwaige Details auf dem Präsentierteller, er ist also ein „Integrierter“ im besten Sinne.

Das atmosphärisch dichte Album The Joshua Tree von U2, Island Records, 1987, kam natürlich auch wieder auf den Plattenteller. Stücke wie „Red Hill Mining Town“, „One Tree Hill“ oder „Mothers of the Disappeared“ gab der Cayin sehr spannend wieder. Ich konnte gut in die teilweise düstere Grundstimmung des Albums eintauchen, sehr präzise und mit schönen Klangfarben folgte der Cayin allen Melodienbögen. Auch Timing und Rhythmusgefühl stimmten.

STATEMENT

Der Cayin MT-35MK2 BT ist ein toller Allround-Verstärker ohne Schwächen. Gemessen am Preis dürfte es wenig Konkurrenten am Markt geben, die ein derart attraktives Gesamtpaket aus Fertigungs- und Klangqualität bieten können. Ein gelungener Einstiegs-Röhrenverstärker, der mit seiner Bluetooth-Schnittstelle über ein zusätzliches Feature verfügt, um die junge Generation an die Welt der Röhrentechnik heranzuführen.
Gehört mit
Plattenspieler Rega Planar 8
Tonabnehmer Clearaudio Charisma V2
Phono-Vorstufe EAR Yoshino 834P
Digitalquelle Apple iPhone 11 Pro
Lautsprecher Diverse DIY Vollbereichsbreitbänder: Open Baffle (Ciare CH250), Transmissionline (Seas FA22RCZ & Seas Exotic F8), Tapered Quarter Wave Tube (Tang Band W8-1772), Backloaded Horn (Fostex FE206En)
Zubehör Reson LSK Lautsprecherkabel, StraightWire Symphony II NF-Kabel, Netzleiste AudioQuest PowerQuest 3
Möbel DIY, Rega Wandhalterung für Rega Planar 8
Herstellerangaben
Cayin MT-35MK2 Bluetooth
Geräteart Vollverstärker
Netzspannung 230V AC/50Hz
Frequenzbereich 8Hz bis 55kHz (+/-3dB)
Klirrfaktor (THD) 1% (1kHz)
Fremdspannungsabstand 89dB
Eingänge 3 x Line, 1 x Bluetooth
Eingangsimpedanz 100kOhm
Eingangsempfindlichkeit 300mV
Impedanz Lautsprecherausgänge 4 Ohm, 8 Ohm
Ausgangsleistung 2 x 35 Watt (Ultralinear)
2 x 18 Watt (Triode)
Röhrenbestückung 1 x 12AX7/ECC83, 2 x 12AU7/ECC82, 4 x EL34
Ausstattung Integriertes Bias-Messinstrument
Schaltung Class A/B
Prozessor CSR8670
DAC Chipsatz ES9018K2M SABRE32
Bluetooth-Standards UAT, LDAC, AAC, SBC
Bluetooth-Version V5.0
Reichweite 10 Meter
Gehäusefarbe Anthrazit Metallic
Frontblende Silber
Abmessungen (B x T x H) 326 mm x 272 mm x 184 mm
Gewicht 13,5kg
Maximale Leistungsaufnahme 270VA
Preis 1.700 Euro

Vertrieb
Cayin Audio Distribution GmbH
Anschrift An der Kreuzheck 8
61479 Glashütten-Schloßborn
Telefon +49 6174 9554412
Fax +49 6174 9554424
E-Mail info@cayin.com
Web www.cayin.de

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