Im Oktober letzten Jahres stellte mein Kollege Wojciech Pacuła den Lesern von highfdelity.pl die schlicht „The Big Phono“ genannte MM- und MC-Phonovorstufe der Firma RCM aus Kattowitz vor. Groß ist nicht allein ihre Physis, sondern auch ihr Preis.
RCM Audio ist der Produktionszweig des bekannten polnischen Vertriebs RCM. Sein Inhaber ist Roger Adamek, ein in Polen bekannter Fan und Verbreiter von analogem Audio. RCMs erstes Produkt war der Vollverstärker Bonasus, das nächste war die Phonostufe Sensor Prelude IC, die bis heute High Fidelitys Referenzphonostufe ist.
Der Big Phono Verstärker ist das Spitzenprodukt der Firma RCM Audio. Ihr Angebot umfasst auch zwei preiswertere Phonovorverstärker: den Sensor Mk2 und den RIAA Mk2. Das erste Produkt der Firma, das sich mit der Verstärkung des von einem Phono-Tonabnehmer kommenden Signals beschäftigte, war die Sensor Prelude IC. Obwohl sie in Polen umgerechnet „nur“ etwa 1350 Euro kostete, wurden auch hier einige der gleichen Lösungen verwendet, wie sie auch jetzt in der neuen Phonostufe zu finden sind, die etwa 35.000 Euro kostet.
Beiden gemein ist zuerst einmal eine externe Stromversorgung. Im getesteten Gerät ist es ein riesiges, höllisch schweres Gehäuse mit drei separaten Netzteilen. Zweitens ist es eine aktive Verstärkung des MC-Signal, da RCM Audio Step-Up-Übertrager ablehnt. Roger Adamek, der Chef der Firma, der Schöpfer neuer Produkte, sowie ihr erster und kritischster Hörer, verriet aber kürzlich, dass Thrax Audio gerade einen wirklich einzigartig Übertrager für RCM vorbereite. Er sollte jedoch als Ausnahme angesehen werden. Und schließlich gibt es noch ein drittes gemeinsames Merkmal der RCM-Phonovorverstärker, nämlich die Auswahl der Verstärkungselemente. In der audiophilen Welt, so lautet eines der Axiome, gibt es eine deutliche Abstufung: Ganz oben stünden Röhren respektive Trioden, darunter Transistoren – vorzugsweise Feldeffekt (JFET, MOSFET et cetera) – und bei den billigsten Produkten integrierte Schaltungen.
Diese Ansicht vertritt ausdrücklich die Firma Musical Fidelity, die gerade den Phonovorverstärker Musical Fidelity M6x zum Preis von umgerechnet rund 1850 Euro auf den Markt gebracht hat. Dies ist ein gutes Praxisbeispiel für die Hierarchie, die ich meine. Im Gegensatz zu den teuersten Phonostufen dieses Herstellers, die mit Röhren (Nuvistoren) arbeiten, und den billigeren, die integrierte Schaltungen verwenden, ist die neue M6 mit diskreten Schaltungen ausgestattet. Ich zitiere aus der Pressemitteilung: „Musical Fidelity begründet die Abkehr von der Verwendung von Operationsverstärkern in zweierlei Hinsicht: erstens deren Klangcharakter, der laut den Musical-Fidelity-Ingenieuren nicht den aktuellen Zielen des Unternehmens entspricht, nämlich Geräte anzubieten, die neutral, natürlich, dynamisch und farbig klingen. Zweitens erlaubt es die Entwicklung von Geräten auf der Basis von diskreten Schaltungen, ein viel präziseres und individuelleres Endergebnis zu erzielen.“
Musical Fidelity betont auch, dass die Entwicklung diskreter Schaltungen eine Domäne der größten Hersteller der Branche sei, die es sich leisten könnten, Hunderte von Stunden mit der Auswahl der besten Kombinationen von Komponenten zu verbringen. Das setze eben eine ausreichende Umsatzgröße voraus. Aber Hersteller, die über die entsprechende Größe verfügten, könnten fortschrittliche proprietäre Lösungen zu einem viel besseren Preis anbieten als Hersteller, die sich ausschließlich auf den Bau von Geräten auf Basis von Operationsverstärkern konzentrierten. Ich glaube, dass dieser Ansatz in vielen, vielleicht sogar in der Mehrzahl der Fälle gut funktioniert. Aber nicht in allen.
The Big Phono
Integrierte Schaltungen sind das Herzstück aller RCM-Phonovorverstärker. Ohne sie näher zu kennen, hätte ich das nie gesagt, denn es würde mir schwer fallen, die Art der Verstärkerelemente zu benennen, die in ihnen arbeiten. Vergleicht man etwa den Sensor mit vielen anderen, meist viel teureren Geräten, würde ich sagen, dass er voller und gleichzeitig detailfreudiger klingt als diese. Das Modell Big Phono ist eine logische Weiterentwicklung all dieser Lösungen und arbeitet ebenfalls mit integrierten Schaltungen. Die Entwicklung dauerte vier Jahre, und ich konnte einige Prototypen während der Audio Video Shows sehen und hören. Jakub – oder soll ich sagen: Herr Jacub Cieślińsky – damals noch Student, heute Angestellter von Delfi, war für das Layout und die Programmierung der Logikschaltungen verantwortlich; ich darf daran erinnern, dass der Sensor von Robert Rolof entworfen wurde. Das Gehäuse des Big Phono wird von Thrax Audio hergestellt. Sie fertigen Gehäuse für viele High-End-Hersteller aus Europa und den USA. Die präzise bestückte Leiterplatte wird von Techno-Service zugeliefert. Wojtek Hrabia entwarf das mechanische Design und ist für den größten Teil der äußeren Gestaltung verantwortlich. Die Big Phono ist das Werk eines Kollektivs, aber sein Koordinator und Urheber der meisten Lösungen war Roger Adamek.
The Big Phono ist ein Phono-Vorverstärker, der sowohl MM- als auch MC-Tonabnehmer unterstützt und zwei Cinch-Eingänge und zwei Ausgänge bietet: einen unsymmetrischen Cinch- und einen symmetrischen XLR-Eingang. Jeder Eingang hat eine separat einstellbare Impedanz: Die ausgewählte wird auf einem großen OLED-Display mit bernsteinfarbener Anzeige dargestellt. Es stehen acht Impedanzwerte zur Auswahl, von 20 Ohm bis 47 Kiloohm, und sieben Verstärkungspositionen, von 0,3 bis 5 Millivolt. Die Änderungen können entweder mit den Tasten an der Vorderseite oder mit der programmierbaren Apple-Fernbedienung vorgenommen werden.
Die Entzerungskurve
Sie haben es wahrscheinlich schon bemerkt, aber eines der „heißen“ Features vieler Phonovorverstärker in den letzten Jahren ist die Möglichkeit, die Entzerrungskurve zu ändern. In den 1940er und 1950er Jahren verwendete jede Schallplatten-Marke ihre eigene Kurve. Einer der ersten Hersteller, der diese Funktion anbot, war Zanden mit dem Modell 1200; heute finden wir sie sogar in preiswerten Vorverstärkern. Deshalb habe ich Roger Adamek gefragt, warum RCM keine unterschiedlichen Entzerrungskurven in The Big Phono eingebaut habe: „Man findet keine Information über eine Entzerrung, die für eine bestimmte Veröffentlichung auf LPs verwendet wurde, also weiß man eigentlich nicht, ob es RIAA war oder nicht. Es ist sehr schwierig, solche Informationen zu finden, und der Versuch, das nach Gehör festzustellen, ist wie die Verwendung einer Klangregelung. Außerdem ist die Kurve seit 50 Jahren die gleiche – es ist die RIAA. Warum also bieten andere Firmen unterschiedliche Verstärkungskurven an? Das ist doch nur ein billiger Marketing-Gag ...“
Die Schaltung
Die Vorverstärkung erfolgt in vier Stufen, in denen viele ICs arbeiten. Es handelt sich um rauscharme Operationsverstärker von Texas Instruments, die mit geringer Verstärkung arbeiten. Dank dieser Schaltungsauslegung arbeiten sie völlig stressfrei. Die RIAA-Entzerrung wird passiv realisiert, und nach der Korrektur gibt es weitere Verstärkungsstufen. Die gesamte Schaltung ist auf Leiterplatten aus einem dicken FR4-Laminat aufgebaut, und die Leiterbahnen bestehen aus einer dickeren Kupferschicht als üblich, die vergoldet wurde. Die Platinen sind doppelseitig bestückt und verfügen über eine Schirmung. Es wurden sowohl Bauteile zur Oberflächenmontage (SMD) als auch solche zur Durchsteckmontage verwendet. Wie Roger Adamek sagte, sind dies die besten industriellen Bauteile, die man bekommen kann, unabhängig vom Preis. Die Leiterplatten werden von Marek Piotrowski im Haus mit Bauteilen bestückt. Er ist auch für die Montage der Geräte verantwortlich.
In einem zweiten, fast identischen Gehäuse ohne Display befindet sich das Netzteil. Dieses Gehäuse ist noch schwerer als das für die eigentliche Verstärkerschaltung. Das Netzteil basiert auf zwei sehr großen 200-Watt-Transformatoren mit EI-Blechen. Sie versorgen den linken und rechten Kanal getrennt: Der Big Phono ist eine Dual-Mono-Konstruktion. Das dritte Netzteil ist für Logik- und Displayschaltungen vorgesehen. Das symmetrische Netzteil verfügt über eine 12-stufige Stabilisierung. Die Spannungsstabilisierungs-Schaltungen werden durch zwei große, mit dem Gehäuse verschraubte Kupferplatten gekühlt. Das Netzteil wird über drei Kabel mit mehrpoligen Neutrik-Steckern mit dem Vorverstärker verbunden.
Das Gehäuse wurde aus Aluminiumelementen gefertigt, die an der Schnittstelle gefräst wurden und perfekt zusammenpassten. Die optische Gestaltung des Gerätes ist schlich, aber – so scheint es mir – zeitlos. Ich denke, dass man es mit Produkten von Rega vergleichen könnte, wo das Gehäuse ebenfalls aus zwei identischen Elementen – oben und unten – besteht. Hinzufügen möchte ich noch, dass auch die Cinch-Buchsen der getesteten Phonostufe hervorragend sind: Es sind japanische Spitzenprodukte von Furutech mit rhodinierten Kontakten. Furutech liefert auch den IEC-Stromanschluss und eine Sicherung zu. Die XLR-Stecker – auch die mehrpoligen – stammen von Neutrik.
Der Klang
Der Big Phono Vorverstärker wurde auf dem Finite Elemente Master Pagode Edition Rack platziert: Die Verstärkersektion steht auf einer separaten Ebene und das Netzteil auf der Oberseite des Ayon Audio Spheris III Line-Vorverstärkers – es war sonst einfach nicht genug Platz dafür… Der Test wurde als A/B/A- und B/A/B-Vergleich durchgeführt, wobei A und B bekannt waren. Als Referenzpunkt diente meine RCM Audio Sensor Prelude IC. Es handelt sich um ein preiswertes Gerät, das ich 2007 gekauft habe und das mich seither begleitet und das ich bei jedem Tonabnehmer-, Plattenspieler- und Phonovorstufen-Test verwendet habe – und das seit jetzt 12 Jahren!
Ich habe damit Plattenspieler wie den J. Sikora Reference, den Transrotor Argos, den SME 20/3, den Avid Acutus Reference, den Kuzma XL 2, den Krono Pro Limited Produktion MKII, den Ten ToGra Oscar, den Benny Audio Immersion und den Scheu Analog Premier Mk2 getestet – und vor allem die ganze Familie der TechDAS-Produkte einschließlich des Air Force One. Beim Test des The Big Phono habe ich den Thrax-Audio-Yatrus-Plattenspieler mit Etsuro-Urushi-Bordeaux-Tonabnehmer und dem Schroeder-CB-Tonarm verwendet.
Ich teilte die Hörsession in drei Teile auf: Das ist meine Art, ein getestetes Gerät intensiv kennenzulernen. Im Falle von Produkten, die mit Plattenspielern zu tun haben, bedeutet das, dass ich drei Alben suche und kombiniere, die ein gemeinsames Label oder dieselben Produzenten haben, ähnlich veröffentlicht, aufgenommen wurden et cetera. Sie bieten mir Variationen zu einem bestimmten Thema – ähnlich, wiederholbar und doch unterschiedlich. So kann ich auch kleine Änderungen beurteilen und wie das Produkt darauf reagiert. Bei diesem Test hatte ich über 20 solcher Sätze. Hier eine Auswahl der für den Test verwendeten Alben:
Original Veröffentlichungen
The Modern Jazz Quartet, Fontessa, Atlantic Records AS 128 019 (1956)
Julie London, Julie Is Her Name, Vol. 1, Liberty Records LPR 3006 (1955)
The Dukes of Dixieland, The Dukes of Dixieland, Audio Fidelity AFSD 9004, (1957)
Mobile Fidelity Reissues
Frank Sinatra, Swingin’ Session!!!, Capitol Records/Mobile Fidelity MFSL 1-407 (1961/2012)
Dire Straits, Brothers in Arms, Vertigo/Mobile Fidelity Sound Lab MFSL-2-441 (1985/2014)
Dead Can Dance, Into The Labyrinth, 4AD/Mobile Fidelity MoFi-2-001 (1993/2010
Japanische Reissues
Count Basie And His Orchestra + Neal Hefti , Basie, Roulette/Nippon Columbia YW-7508-RO, (1958/1978)
Sonny Clark Trio, Sonny Clark Trio, Time Records/Teichiku Records ULS-1801-V, (1960/?)
Falla, The Three Cornered Hat, Decca/Esoteric ESLP-10003, (1961/2008)
Der Vergleich eines Phonovorverstärkers, der zur Zeit seiner Premiere vor zwölf Jahren etwa 1.350 Euro kostete – die Version Sensor mk2 kostet derzeit das Doppelte – mit einem Gerät, das rund 35.000 Euro kostet, mag absurd erscheinen. Und so mag es auch scheinen, einen Phonovorverstärker mit integrierten Schaltkreisen zu bauen und ihn dann mit einem Preis von 35.000 auszuzeichnen. Aber nicht für mich! Das gilt sowohl in Bezug auf den Vergleich als auch in Bezug auf den Preis.
Es ist so, dass ich, während ich mit der kleinen Sensor-Prelude-IC-Phonostufe die besten und teuersten Tonabnehmer der Welt, die besten und teuersten Plattenspieler der Welt hörte und ihn mit teuren und sehr teuren Phonovorverstärkern verglich, nie das Gefühl hatte, dass mir etwas fehlte oder dass ihm etwas im Klang fehlte. Er war und ist ein komplettes Gerät, das einen „erfüllten“ Klang bietet. Ich kenne seine Nachteile in- und auswendig, ich weiß, wo Budget- und Größenbeschränkungen das Endergebnis beeinflusst haben. Aber das spielte für mich keine Rolle. Denn der Sensor Prelude IC bietet etwas, was mir bisher kein anderer Phonovorverstärker gegeben hat: einen unglaublichen Energiefluss. Ich schrieb darüber anlässlich der Besprechung des Closer-Acoustics-300B-Provocateur-Verstärkers, der vom gleichen Mann – Robert Rolof – entwickelt wurde. Dieser Energiefluss ist ein Element, das jeder Musiker, jeder Tontechniker im Klang sucht, und der fast immer verloren geht, teils in der Nachbearbeitung, teils bei der Musikreproduktion zu Hause.
Und obwohl ich die neueste Phonostufe von Robert Rolof, das Flō-Modell, noch nicht gehört habe, dachte ich, dass es dabei bleiben würde und ich alle nachfolgenden neuen Geräte dieser Art durch das Prisma des kleinen, relativ einfachen, auf integrierten Schaltkreisen basierenden RCM-Audio-Entzerrervorstärkers beurteilen würde. Aber ich hörte The Big Phono und meine Perspektive änderte sich. Vielleicht nicht vollständig, aber genug, dass ich die klassischen Worte wiederholen kann: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt“ …
Die Top-Phonostufe von RCM Audio macht eben nicht einfach alles besser – ja, das tut sie wohl auch –, sondern von allem macht sie einfach „mehr“. „Besser“ würde einen Mangel suggerieren, etwas Minderwertiges, und ich habe gerade eben wahrheitsgetreu gesagt, dass ich beim kleinen RCM Audio nichts vermisst habe. Mit „mehr“ meine ich, dass The Big Phono auf spezielle Art alle Aspekte des Klangs ergänzt und komplettiert. Ich will weder behaupten, dass es nichts gibt, was noch verbessert werden könnte, noch dass die RCM Audio ein perfektes Gerät ist. Ich sage nur, dass alles, was die Big Phono macht, so überzeugend ist, dass man gar nicht erst an den Punkt kommt, an dem man anfängt, nach Fehlern zu suchen – man taucht einfach in die Musik ein.
Tonal ist The Big Phono ein unglaublich ausgewogenes Gerät. Eine große Überraschung war für mich der Vergleich mit dem Sensor, bei dem ich zum ersten Mal hörte, dass die kleine Phonostufe einen betonten Tiefmitteltonbereich hat, der seine Darstellung groß und massiv macht. Wenn sie in einer Anlage hell und „leicht“ klingt, bedeutet das, dass diese Anlage Probleme mit diesen Frequenzbereichen hat und eine große Menge an Informationen, vor allem in Bezug auf Dynamik und Energie, zu aggressiv überträgt. Das passiert oft, so dass Designer von billigeren Geräten lieber Informationen ausblenden, mit denen ein solches Produkt nichts anzufangen weiß. Das ist nur eine der Strategien.
Ich weiß nicht, ob Sie sich an meinen Test des Ayon Audio CD-35 HF Edition SACD-Players erinnern, in dem ich schrieb, dass er weder wie eine „digitale“ noch eine „analogen“ Quelle klingt, wobei ich letztere als „Schallplattenklang“ verstand. Dies ist ein Player, der eher wie ein analoges Tonband klingt. Heute ist diese Unterscheidung Vinyl vs. Tonband klar, weil das Hören von Tonbänder vor allem auf Shows populäre geworden ist, aber damals dachte ich, ich redete gegen die Wand und dass „analog“ für die meisten Musikliebhaber und Audiodesigner allein „Plattenspieler“ bedeutet.
Ich komme auf diese einzigartige Erfahrung zurück, weil ich das gleiche Gefühl hatte, etwas Bahnbrechendes zu erleben, als ich den neuen RCM Audio Vorverstärker hörte. Obwohl im Zusammenhang mit einem Plattenspieler die Aussage, dass er nicht wie „Vinyl“, sondern eher wie „Tape“ klingt, deplatziert erscheinen mag, glaube ich, dass wir uns heute alle auf einem ganz anderen Wissensstand und in einem anderen mentalen Zustand befinden als noch vor ein paar Jahren. Ich denke, Sie wissen, wovon ich spreche: Es ist ein extrem runder, gedeckter Sound. Das bedeutet, dass wir beim Hören von Musik nicht darauf achten, ob die hohen Töne klar sind, ob es viele davon gibt et cetera. Denn es sind ja nicht nur hohe Töne, sondern etwa Schlagzeugbecken und dann hohe Töne – ja, das war zumindest mein Gedankengang. Mit dem Big Phono war das Rauschen inklusive Knistern weniger vordergründig, obwohl ich mich beim Sensor nie darüber beschwert habe. Und doch kann man mit The Big Phono unglaublich gut hören, was auf der Scheibe aufgenommen ist: Zum Beispiel, wenn „Fontessa“ auf dem Album des Modern Jazz Quartet beginnt und nach einem Moment der Stille ein hohes Rauschen und Brummen zu hören ist – Elemente, die noch aus dem Aufnahmestudio von Atlantic Records stammen. Sehr ähnlich ist es, wenn das Album von Count Basie beim Titel „Basie“ mit einem recht hohen Rauschen beginnt.
Das Rauschen selbst ist eine Verzerrung, ein Fehler, aber wir haben uns daran gewöhnt, weil es – immerhin – nicht so störend ist wie Verzerrungen anderer Art. Mit dem getesteten Vorverstärker war diese Unterscheidung so klar wie fast nie zuvor – vielleicht wie wenn wir, ich muss es wiederholen, ein analoges Band hören. Es ist also ein extrem runder, gedeckter Klang mit einer unglaublichen Menge an Informationen im Hochtonbereich. Sie sind glatt und seidig. Im Vergleich dazu klingt der Sensor roher, auf eine weniger realistische Weise. Dank der überragenden Energie gestaltet er die gesamte Wiedergabe auf eine einzigartige Weise, aber es fehlt ihm an Raffinesse.
In dieser Hinsicht ist The Big Phono fantastisch: Er bietet einen verfeinerter Vollbereichsklang. Der Bass reicht sehr tief und hat eine tolle Artikulation, obwohl er wärmer wirkt als beim Sensor. Jedenfalls könnte man den gesamten Klang als „warm“ bezeichnen, wenn da nicht die Tatsache wäre, dass nichts künstlich aufgewärmt wird. Diese Wahrnehmung resultiert aus der Tatsache, dass wir ein besseres Verständnis für die Präsentation haben. Er eignet sich also sowohl für Direct-to-Disc-Platten als auch für Scheiben, die von Anfang bis Ende im Studio produziert wurden, mit vielen Spuren, digitalem Aufnahmeverfahren und so weiter.
Erstere klingen sehr natürlich, ihre Energie ist herausragend, aber sie sind auch nicht trocken, was oft der Fall ist, wenn sie von Audiosystemen reproduziert werden. Sie wirken in gewisser Weise besser produziert, voller, einfach besser. Letztere wiederum sind weniger „technisch“. Sie klingen wärmer und runder. Bei beiden Arten von Aufnahmen werden Details hervorragend vermittelt, aber sie stehen nie im Mittelpunkt, sondern sind immer ein Teil von etwas Größerem. Außerdem wird die Aufmerksamkeit, wie gesagt, nicht auf Details gelenkt. Eine Folge davon ist, dass hier irgendwie das Knistern und Rauschen weniger hörbar ist als bei anderen Phonostufen, und die Höhen sind offener.
Wonach suchen wir also? Es hängt von unserem Zuhören ab, aber noch mehr von unseren Erwartungen. In meinem Fall ging es, glaube ich, um Engagement. Wenn ich mir eine Live-Aufnahme anhörte, war ich in das Ereignis eingetaucht – völlig unabhängig von den technischen Aspekten. Wenn ich mir „live-im-Studio“-Aufnahmen anhörte, also fast alle Jazz-Aufnahmen aus den 50er Jahren, hörte ich Perfektion, obwohl viele dieser Bänder vor der Veröffentlichung bearbeitet wurden, einige davon wirklich grausam. Gil Evans war ein besonderes Beispiel dafür: Fragmente anderer Takes wurden eingefügt, Gesangspartien wurden eingefügt, Elemente wurden herausgeschnitten et cetera. Aber diese Bearbeitungen dienten dazu, die Qualität des Stücks zu erhöhen - und so habe ich sie auch wahrgenommen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas hinzufügen, mit dem ich diese Rezension auch beginnen könnte: The Big Phono baut phänomenal die Körper der Instrumente, ihre Dreidimensionalität und Texturen auf – wenn sie nah sind. Im Vordergrund, sind sie groß und voll, weiter in den tieferen Ebenen kleiner, aber auch nie klein. Wenn sie eher „porös“ sind, werden sie als solche dargestellt, aber wenn sie glatt sind, dann kann man sie ultra-glatt hören. Dieses Niveau der Raffinesse findet man bei den besten analogen Bandgeräten und den besten digitalen DSD-Aufnahmen. The Big Phono ist Weltklasse.
Zusammenfassung
Ich kreise um die klassischen audiophilen Kategorien und betone sie nicht zu sehr, denn The Big Phono spielt auf dem absolut höchsten Niveau: Seine Wiedergabe ist ultra-sanft, ultra-voll und ultra-auflösend. Aber diese Begriffe sind ja nicht das, was man hört, sie sind nur Worte. Real, wahr, aber sekundär und daher irgendwie weniger wichtig. Mit der getesteten Phonostufe befinden wir uns in einer neuen „Realität“, in der all das verschwindet. Die Darstellung vor uns ist groß, der Raum weit ausgedehnt und perfekt organisiert, aber weder Instrumente, Stimmen noch die Klangbühne werden voneinander separiert oder hervorgehoben.
Und doch... Wenn wir die Musik über The Big Phono hören, erreichen wir einen Ort auf unserer Reise, an dem wir zur Ruhe kommen können. Sicherlich wird es noch etwas Besseres und noch Mitreißenderes geben, denn das liegt in der Natur der audiophilen Sache. Aber nicht jetzt, nicht hier. Denn, wie singt Sinatra:
When you're smiling
When you're smiling
The whole world smiles with you
When you're laughing
When you're laughing
The sun comes shining through
Joe Goodwin/Larry Shay/Mark Fisher „When You’re Smiling“ , von: Frank Sinatra, Swingin’ Session!!!, Capitol Records (1961)
Deshalb erhält The Big Phono unsere höchste Auszeichnung, den GOLD FINGERPRINT, die in den 16 Jahren des Bestehens unseres Magazins nur eine Handvoll Produkte erhalten haben; es ist ein Zeichen unserer Wertschätzung für pure Perfektion. Gratulation!
Gehört mit
|
|
---|---|
Lautsprecher | Harbeth M40.1 |
Lautsprecherständer | Acoustic Revive |
Vorverstärker | Ayon Audio Spheris III Linestage |
SACD-Player | Ayon Audio CD-35 HF Edition |
Endstufe | Soulution 710 |
Kabel | Siltech Triple Crown (1m, NF), Acoustic Revive RCA-1.0 Absolute-FM, Siltech Triple Crown (2,5m, LS), Siltech Triple Crown Power (2m), Acrolink Mexcel 7N-PC9500, Acoustic Revive RTP-4eu Ultimate |
Zubehör | Finite Elemente Pagode Edition, Spec Real-Sound Processor RSP-AZ9EX (prototype), Asura Quality Recovery System Level 1, Acoustic Revive RPC-1 und RAS-14 Triple-C, Verictum Block, Acoustic Revive RAF-48H, Pro Audio Bono Ceramic 7SN, Franc Audio Accesories Ceramic Classic, TU-666M „BeauTone“ Million Maestro 20th Anniversary Edition |
Herstellerangaben
RCM The Big Phono
|
|
---|---|
Eingangsempfindlichkeit | 0,3 - 5mV (in 7 Stufen schaltbar) |
Verstärkung | 52 - 74dB (für nominell 2V rms Ausgangsspannung) |
Eingangsimpedanz | 20Ω – 4 kΩ (in 8 Stufen) |
Eingangkapazität | 100pF |
Totale harmonische Verzerrungen | <0.01% |
Fremdspannungsabstand | 89dB (bei geringster Verstärkung) |
Abweichung von der RIAA | ±0,1dB (20Hz - 20kHz) |
Ausgangsimpedanz | 70Ω |
Nominelle Ausgangsspannung | 2V rms |
Maximale Ausgangsspannung | 9V rms |
Abmessungen (B/T/H) | jeweils 430/410/145 mm für Phonostufe und Netzteil |
Gewicht | 25kg (Phonostufe) und 32kg (Netzteil) |
Leistungsaufnahme | 250 W |