Vom Chefredakteur als „irgendwelche britischen Monitore“ angekündigt, stellten sich die auf den Seiten des Vertriebs hifi12a präsentierten Stirling Broadcast SB-88 als Lautsprecher in der BBC-Tradition heraus. Da ich selbst jahrelang eine Spendor SP 1/2E und eine Rogers Studio 1 besessen habe, bin ich natürlich besonders neugierig.
Stirling Broadcast hat früher gebrauchte Rundfunktechnik und eben auch Monitore repariert. Nach dem Produktionsende der LS 3/5a wurden dann noch Ersatzteillagerbestände zu neuen Lautsprechern verbaut. Im Jahr 2001 gab es, nach einem Intermezzo mit wieder aufgelegten KEF-Originalchassis, die erste Eigenentwicklung der 3/5a mit SEAS- und ScanSpeak-Chassis. Die folgenden Eigenentwicklungen LS 3/6 und SB-88 entstanden in enger Zusammenarbeit mit Derek Hughes, dem Sohn des Spendor-Gründers Spencer. Derek Hughes war federführend bei der Entwicklung einiger klassischer Spendor-Modelle und wurde dann selbständig als beratender Entwickler unter Anderem für Harbeth, Graham und eben auch Stirling Broadcast tätig, wo er erst die LS 3/6 designte. Lustigerweise ein Lautsprecher, der von Rogers als Konkurrenz zur BC1 gedacht war, von der BBC aber verschmäht und dann als Export-Monitor und in späteren Versionen als Studio 1 angeboten wurde. Die heutigen Entsprechungen dieser ehrwürdigen Ahnen sind dann Harbeth SHL5+ und Spendor SP 1/2R2.
Ist die LS 3/6 tatsächlich auch als Studio Monitor gedacht, stellt die SB-88 als der kleinere Ableger die „Domestic Version“ für den Heimgebrauch dar. So sehr ich das Konzept und die alten BBC-Monitore mag, kann ich mir kaum vorstellen, dass ein Studio heute noch eine LS 3/6 zum Abhören benutzt. Aber egal.
Ein Wort vorab zu den „BBC-Monitoren“. Nicht alles, was alt und von Rogers, Spendor, KEF oder Harbeth ist, ist auch ein BBC-Monitor. Ende der 60er Jahre wurde innerhalb des BBC Research Department unter anderem mit der Beteiligung von Spencer Hughes (Gründer von Spendor) und Dudley Harwood (Gründer von Harbeth) an der Entwicklung von Gehäusekonzepten und Chassismaterialien für Studiomonitore geforscht. Aus diesen Forschungen leiteten sich dann mehrere Modelle ab, die entsprechend der Spezifikation von mehreren Herstellern in Lizenz gebaut wurden. Wirklich bei der BBC eingesetzt wurden meines Wissens nur die Spendor BC1 (eine Eigenentwicklung von Spendor), die LS 3/5a (in Lizenz von KEF, Spendor, Harbeth, Chartwell und Rogers gebaut) sowie die LS 5/9 (als Radioübertragungsmonitor für hohen Schalldruck) und die LS 5/8 von Rogers. Alle anderen Produkte dieser Hersteller haben vielleicht von den Entwicklungen profitiert, sind aber keine BBC-Monitore. Ganz nebenbei waren die Vorgaben in den Pflichtenheften so strikt, dass nicht einfach Chassis von der Stange genommen werden konnten, allein der Selektionsprozess wäre in der Großserie unrentabel gewesen.
In dieser Tradition fertigen auch heute noch Spendor mit der Classic Serie und Harbeth Lautsprecher. Dazu gekommen ist in letzter Zeit Graham, die natürlich auch eine LS 3/5 von Chartwell im Angebot haben und die LS 5/9 und LS5/8 wieder haben aufleben lassen. Der Markt ist also reichlich bestückt, und der rege Zuspruch zeugt vom ungebrochenen Interesse an den an sich veralteten Konzepten.Die SB-88 findet übrigens ihre neuzeitlichen Entsprechungen – in Bezug auf Abmessungen und Bestückung – am ehesten in der Spendor SP 2/3 R2 und der Harbeth HL Compact 7ES-3.
Geradezu ein Markenzeichen der Lautsprecher in der BBC-Tradition ist natürlich der Bruch mit allen heute gängigen Entwicklungsgrundsätzen: Ein großer Kasten, der auf einen Ständer gehört. Keine abgerundeten Ecken am Gehäuse, sondern auch noch vorstehende umlaufende Kanten. Die Öffnung des Bassreflexrohres vorne und selbstverständlich ein ganz dünnes (Birken)Sperrholzgehäuse, dass innen mit einer Lage Bitumen, im Fall der Stirling Broadcast SB-88 mit einer speziellen Gummimischung ausgekleidet ist. Dieses SOLL schwingen und nur so viel dämpfen wie nötig. Nach Meinung der Entwickler dämpfen dickere Gehäuse nicht mehr, sondern bringen Vibrationen nur in ungewünschte Bereiche, nämlich in den Mittel- und Hochtonbereich. Die Dämpfungsabstimmung geschieht in Abhängigkeit von Gehäusegröße/-material – das Furnier nicht vergessen – und den Eigenschaften der Tieftonmembran. Knifflig, zeitintensiv und wohl nicht mal eben reproduzierbar. Innerhalb des Gehäuses sind vorne und hinten Kanthölzer eingesetzt, um die Front und Rückseite aus 15 Millimeter Birkensperrholz aufzunehmen und letztendlich auch um dem Gebilde überhaupt die nötige strukturelle Festigkeit zu verleihen. Hier gibt es einen Bruch mit der Tradition zu vermelden. Normalerweise wurde entweder die Front- oder die Rückseite geschraubt, damit man die Lautsprecher im Servicefall schnell und einfach reparieren konnte. Für den Heimgebrauch reicht, wie bei der SB-88, ein Verleimen. Auch ist der Tiefmitteltöner bei der SB-88 nicht von hinten verschraubt wie bei der LS 3/6 und früheren klassischen Monitoren. Der Verzicht auf Wartungsfreundlichkeit hat allerdings bis auf die niedrigeren Produktionskosten keinen weiteren Einfluss auf die akustischen Eigenschaften.
Typisch die hohe Trennfrequenz. Erst bei drei Kilohertz übergibt der bei SEAS als OEM produzierte 20-er -Tiefmitteltöner mit einer Membran aus Polypropylen und inverser Sicke an den Hochtöner. Auch dies gegen die reine Lehre, bündelt ein Konuschassis in Abhängigkeit des Durchmessers zu hohen Frequenzen hin doch stark, was an sich Gift für die Abstrahlung unter Winkeln und das Bündelungsmaß ist. Dahinter steckt die Überzeugung, dass der gesamte Grund- und Mitteltonbereich von einem Chassis übertragen werden soll, um größtmögliche Konsistenz und Natürlichkeit in der Wiedergabe zu gewährleisten. Abstriche in Pegelfestigkeit und Basstiefe wurden damals als nachgeordnet betrachtet und in Kauf genommen. Darüber kommt eine 26-Millimeter-Weichgewebekalotte mit Metalldiffusor, auch von SEAS, zum Einsatz.
Auf das in meinen Augen unnötige Bi-Wiring-Terminal wurde nicht verzichtet. Da die Aufnahmebohrungen der Polklemmen für die Lautsprecherkabel nur sehr klein sind und von den Brücken komplett ausgefüllt werden, ist man auf Bananenstecker angewiesen. In dieser Ausführung vielleicht nicht die praxisgerechteste Lösung, die man sich so denken kann. Die Lautsprecher sind ausgezeichnet verarbeitet, sowohl Furnier als auch die Senkung der Chassis in der Front zeugen von Manufakturqualität. Dafür kommen einem die Lautsprecher aber leicht vor, was auf die Gehäusekonstruktion zurückzuführen ist.
Die Stirling Broadcast ist für den Betrieb mit Abdeckungen entwickelt worden. Und tatsächlich hängen diese so dermaßen fest, dass man Angst um das Furnier des Gehäuses bekommt, wenn man die Abdeckungen raushebelt. Am besten, man entscheidet sich dauerhaft für eine Variante und fasst die Dinger nicht mehr an. Als Ständer kann man, wenn man im klassischen Kontext bleiben möchte, leichte Vierkant-Stahlrohr-Konstruktionen nehmen oder die vom Vertrieb angebotenen Rollenständer, die sich an den in den Studios gebräuchlichen Untersetzern orientieren. Dort Mittel zum Zweck, um die Lautsprecher mal eben aus dem Weg fahren zu können, vermitteln die neuen Kreationen auch im Wohnzimmer einen wertigen und durchaus auch praktischen Eindruck. Die Rollen kann man übrigens feststellen, um ein versehentliches Verschieben der Lautsprecher zu verhindern.
Die Aufstellung ist relativ einfach. Bei einem Mindestabstand von 80 Zentimetern von Seiten- und Rückwand und einer Basisbreite von ungefähr drei Metern winkelt man die Stirling Broadcast so ein, dass sie am Kopf des Hörers außen vorbeistrahlen. Bei einem Hörabstand von zweieinhalb bis dreieinhalb Metern rastet die Wiedergabe ein, der Sweet-Spot ist dabei auf einen relativ kleinen Rahmen begrenzt. Es lohnt sich, etwas mehr Zeit mit der Suche nach der perfekten Positionierung im Raum zu verbringen. Ist diese gefunden, verschwinden die Lautsprecher akustisch komplett. Und wie klingt diese Mischung aus Old-School-Konstruktion mit modernen Zutaten nun? Wer die alten Monitore dieser Bauart kennt, fühlt sich gleich wie zu Hause. Völlig klar, offen und neutral wird der Mitteltonbereich aufgefächert, kleinste Details völlig selbstverständlich in den musikalischen Kontext eingebettet. Die Ortbarkeit ist hervorragend, die Stabilität der Abbildung auch. Mit einer Lässigkeit werden auch übel verzwickt verschachtelte Klangstrukturen entschlüsselt, in ihrer Essenz herausgearbeitet und präsentiert. Und das auch noch in der richtigen Größe. Dazu kommt eine wunderbare Plastizität und genau der richtige Grad an Fülle. Dies können Lautsprecher anderer Bauart zwar auch, aber bei den SB-88 geht das ohne jede Betonung oder auch nur einen Anflug von Lästigkeit. Im Vergleich zu ihren Ahnen braucht sie für dieses Kunststück auch nicht die Analytik der alten Rogers Studio 1 oder den betonten Mitteltonbereich der Spendor BC1. Man merkt einfach, dass moderne Chassis aus einem alten Konzept doch noch etwas herausholen können.
Beeindruckend ist die Ruhe und Souveränität, die die Lautsprecher ausstrahlen, wenn sie den Raum komplett mit Musik befüllen. Ist die Lautstärke noch im vertretbaren Rahmen und das Programmmaterial besteht nicht aus Bässen, die sonst ein Subsonicfilter ausradieren würde, klingen sie einfach nur „echt“. Das bedeutet nicht zwangsläufig richtig – was immer das ist –, aber vermittelt diesen authentischen Eindruck eines Liveauftrittes. Hier liegt auch die besondere Stärke bei der Wiedergabe live aufgenommener Musik, am besten akustischer Natur. Klavier und Solostimmen sind ein Hochgenuss. Der musikalische Fluss wohl nur schwer zu toppen. Auch kleine bis mittelgroße Jazzensembles, gezupfte Bässe jeder Art und Chöre werden eindringlich authentisch wiedergegeben, dabei mit viel Luft und realistischer Größe. Stimmen würde ich manchmal einen Schuss mehr Artikulation und Pep wünschen, was bei präsent aufgenommenem Gesang auch ein Segen sein kann. Ein ausgesprochenes Gefühl für Feindynamik und Nuancen machen gute Aufnahmen zu einem Erlebnis. Auch schlechte Aufnahmen werden über die SB-88 durchaus genießbar, der verzeihende Charakter kommt hier zum Tragen zusammen mit den zwar sehr gut aufgelösten, aber auch leicht gerundeten Höhen. Diese strahlen zwar ganz wunderbar, aber niemals vorlaut oder anstrengend. Zackig und schnell ist die Stirling Broadcast tatsächlich nicht, und auch Grobdynamikattacken mag sie nicht ganz so gern. Ein Orchester oder eine Bigband mit voller Wucht kann sie allein bauartbedingt nicht in die heimischen vier Wände stellen.
Der Übergang zum Hochtöner ist übrigens so völlig bruchlos, als wenn es sich um einen einzigen Töner handeln würde. Räumlich tendiert die SB-88 zur Genauigkeit und entspricht hier eher der Spendor-Tradition, die sich von der BC1 bis zu den heutigen Classic-Modellen durchzieht. Es ginge durchaus noch etwas weiträumiger. Liebhaber älterer Rogers-Lautsprecher werden vielleicht diese riesige akustische Kuppel über den Lautsprechern vermissen. Im Zweifelsfall liegt die Stirling hier allerdings richtiger.
Besonders deutlich zu den alten Modellen ist der Unterschied im Bassbereich. Ohne jeden Oberbassbauch oder sonst welche Betonung spielt die Stirling Broadcast einen sehr sauberen, informativen Bass, der auch vor härterer Gangart nicht zurückschreckt und trotzdem noch Farbe hat. Überhaupt zeigt Derek Hughes mit dieser Abstimmung, dass Bassreflexlautsprecher auch trocken und präzise, fast wie geschlossene Konzepte klingen können. Reinen Rock- und Pophörern mag das vielleicht etwas zu wenig „saftig“ vorkommen. Zwischen dieser Performance und dem früheren undefinierten Bass einer alten Spendor oder der üblichen Betonung bei einer Rogers liegen Welten – was nicht bedeutet, dass man mit den alten Konzepten nicht immer noch ganz hervorragend Musik hören könnte. Trotzdem ist die SB-88 über alles wesentlich sauberer als die alten Modelle.
Der Vergleich zu meiner modernen Spendor A5 geht leider übel für mein Arbeitsgerät aus, so lange man leise hört. Die Neukonstruktion hat eine Senke im Grundtonbereich, und so hat man das Gefühl, dass die Hälfte an Mitteltoninformation fehlt. Sie kann etwas lauter, der Oberbass klingt praller, dafür ist die Abbildung kleiner. Ok, ganz so schlimm ist es nicht. Wenn man erst mal lauter macht, egalisiert sich das alles wieder etwas. Der Eindruck aber bleibt, dass die A5 einen Raum „baut“ und die SB-88 Instrumente in einen Raum, über den sie viel zu erzählen hat, stell,.
Nur Licht? Kommt drauf an. Wer öfter gern mal lauter hört und das auch mit elektronisch erzeugten Klängen, liegt hier nicht unbedingt richtig. Sie kann zwar laut, aber bunkerbrechende Pegel sind nicht drin. Irgendwann wird das mitschwingende Gehäuse einfach zu laut, die Räumlichkeit schmilzt, und so richtig locker ist es dann auch irgendwann nicht mehr. Das sind allerdings dann schon Pegel, die im normalen Mitwohnalltag als nicht mehr tolerierbar gelten. Im Normalbetrieb spielt die SB-88 dagegen völlig integriert.
Die Stirling SB-88 sind für mich die traditionellsten der modernen BBC-Monitor-Inkarnationen. Durch den Einsatz moderner Chassis verfeinert, penibel abgestimmt und behutsam im Konzept weiterentwickelt, bringen sie das Kunststück fertig, besser als ihre Vorfahren zu klingen, ohne dabei den Charakter der Originale zu verraten.
STATEMENT
Die Stirling SB-88 sind unglaublich integriert und flüssig spielende Lautsprecher mit klangfarbenstarker und intensiver Mitteltonwiedergabe. Dabei sauber und neutral mit einem Maß an Echtheit und Souveränität, der Größe und Preisklasse vergessen macht.
Gehört mit
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Analoglaufwerk | Technics SL-151/II |
Tonarm | Roksan Tabriz |
Tonabnehmer | Audio Technica AT-33 PTG/II, Ortofon OM 30 Super |
Phonopre | ifi iPhono |
PC | Acer Espire, I3 CPU 1.70 GHz, 8 GB RAM |
Software | Foobar2000 |
CD-Laufwerk | Denon DCD-1290 |
Wandler | Teac UD-501, Henry Audio USB DAC 128 mkII |
Verstärker | Creek 5350 SE, Unison Unico, Muse 20X |
Lautsprecher | Spendor A5, Heißmann Acoustics Cinetor |
Kabel | TaraLabs, RG142, Vovox, Sommer, Oehlbach, Baumarkt, Funk-Tonstudiotechnik, Supra Cable, Audioquest |
Herstellerangaben
Stirling Broadcast SB-88
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Belastbarkeit | 90 Watt, 150 Watts kurzzeitig, IEC268 |
Max. Schaldruck | 107dB, Paar @ 2 Meter |
Wirkungsgrad | 87dB für 1 Watt (2.83V) @ 1 Meter |
Frequenzgang | 48Hz - 18kHz +/-3dB (auf HF Achse @ 1 Meter) |
Übergangsfrequenz | 3 kHz |
Impedanz | 8 Ohm nominal |
Abmessungen (BxHxT) | 270 x 500 x 300 (mm) |
Gewicht | 14,4 kg/St. |
Paarpreis | 3200 Euro 500 Euro (Lautsprecher-Rollen-Stativ) |
Vertrieb
hifi12a KG
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Anschrift | Am Herrengarten 12 A D-49504 Lotte-Wersen |
Telefon | +49 5404 9175899 |
Fax | +49 5404 918870 |
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