Zu viel Schalldruck, zu viele Eindrücke, zu viele Töne. Nach der Rückkehr von einer Musikmesse, ist zur Besinnung für gewöhnliche eine Woche ohne HiFi angesetzt. Aber zu Hause versorgte der Kopfhörerausgang meines Vorverstärkers bereits den neuen Audeze – ausgesprochen Odyssey [odʏˈseː] – SINE Kopfhörer mit elektrischen Impulsen.
Ausnahmsweise übernahm Detroit-Rocker Mitch Ryder während meiner Abwesenheit mit dem Track „Er ist nicht mein Präsident“ den Job der musikalischen Dauerschleife. Seit 1981 beherbergt das ziemlich gut aufgenommene Album Live Talkies den Song. Und so erwartet mich ein gut eingespielter „On-Ear-Hörer“ aus der feinen amerikanischen Kopfhörerschmiede.
Ein Exemplar das mich bereits beim Schälen aus der hübsch aufbereiteten Verpackung angemacht hat. Denn der SINE ist ein gut designter Handschmeichler mit einer wunderbaren Haptik. Zweifellos ein Verdienst des großzügig eingesetzten Leders. Die schwarz durchgefärbte Tierhaut überzieht die Hörmuscheln, wie den stabilen Kopfbügel, der nach dem Aufsetzen einen wohl proportionierte Druck auf meinen europäischen „Medium“ Kopf ausübt. Angenehm schmiegen sich die aus hochwertigen Kunststoff gefertigten Polster auf die Ohrmuschel. Daneben gibt sich die Verarbeitung bis ins Detail keine Blöße. Es scheint sich augenscheinlich gelohnt zu haben, die Produktion im eigenen Land zu halten und mit einem erstklassigen Designpartner, der zur großen BMW Autowelt gehört, zusammen zuarbeiten.
Also keine Zeit der Einkehr, der Hörer wurde fortan zum täglichen Begleiter. Im Einsatz betört sein exzellenter Tragekomfort, zudem werden Umgebungsgeräusche effizient ausgeblendet. Eine Geräuschreduktion, die in beide Richtungen gut funktioniert, denn auch bei Hörsession mit Live-Pegeln werden in Bus und Bahn keine Mitreisenden gequält. Das auf der Waage gut sichtbare „Übergewicht“ schmälert den Eindruck keine Sekunde. Geschuldet ist der Gewichtsaufschlag nicht nur der soliden Verarbeitung, sondern auch dem Prinzip der Schallerzeugung: Der Audeze SINE ist, wie alle Hörer aus dem Haus, ein waschechter Magnetostat und da stecken die Zusatzgewichte quasi schon im Begriff.
Die auch isodynamische genannte Technik ist eng mit der von Elektrostaten verwandt, auch hier wird keine wie auch immer beschaffene Membrane mit einer „schweren“ Schwingspule in Bewegung gesetzt. Es obliegt einzig einer sehr, sehr dünnen und damit extrem leichten leitfähigen Folie, die ankommenden Elektronen in Schall zu verwandeln. Verwindungsstabil kann diese massearme Kunststoffhaut nicht sein. Muss sie aber auch nicht. Mit der Kraft von vor- und rückseitig positionierten Magneten wird die gesamte Fläche zentriert. Bei einem Elektrostaten übernehmen an dieser Stelle unter Spannung gesetzte Statoren die Aufgabe. Wiewohl die im SINE eingesetzten Magnete ein ebenso starkes wie homogenes Feld erzeugen, müssen mehrere von ihnen eingesetzt werden um das gesamte Areal gleichmäßig abzudecken.
Lohn des Aufwandes ist im Idealfall ein verzerrungsarmer Antrieb, der eine blitzschnelle Musikreproduktion beherrscht, wird doch die gesamte schallerzeugende Oberfläche präzise zu kolbenförmigen Bewegungen angeregt. Und die Chancen stehen gut, dass auch der SINE die theoretischen Vorteile in eine erstklassige Darbietung umsetzen kann, bewiesen doch die von uns bereits getesteten Familienmitgliedern den virtuosen Umgang mit der Technik. Kein zufälliges Ergebnis, haben sich doch die Firmengründer Sankar Thiagasamudram und Alexander Rosson seit nunmehr fast zwanzig Jahren dieser Art der Schallwandlung verschrieben. Im Verbund mit dem Magentostaten-Guru Dragoslav Colich und dem Ingenieur Pete Uka, der als Mitgift Materialien aus der NASA-Forschungsabteilung einbrachte, gelang 2009 mit dem LCD-1 der erste Coup. Aktuell umfasst das Portfolio fast ein dutzend Hörer. Neben dem Flaggschiff LCD-4 sowie den cool gestylten EL-8 Titanium, stechen besonders die In-Ear-Hörer aus der iSINE Serie, als erste Magnetostaten ihrer Art, hervor. Und dann weist die Preisliste noch „The King“ aus. Ganz unbescheiden, aber nicht zu Unrecht, reklamiert einer der beiden verfügbaren Kopfhörerverstärker damit seinen Anspruch auf den Headamp-Thron.
Neben der Liebe zu den hauchzarten Folien, gibt es eine weitere Konstante im Schaffen des Unternehmens. Die Hörer dürfen gerne mit mobilen Geräten genutzt werden, und wenn sie aus dem nahen Cupertino kommen, um so besser. Sympathien, die von Apple erwidert werden, gehört der SINE mit seinen Brüdern doch zu den Auserwählten, die im Apple-Store angeboten werden. Allerdings in der optional verfügbaren Ausführung mit einem Cipher-Lightning-Kabel, eine Schnittstelle die allen iPhone®-/iPod®-/iPad®-Nutzern bestens vertraut ist, denn so kommuniziert der portable Mac-Kosmos mit der Außenwelt.
Im aktuellen iPhone® 7 wird ihr konsequenterweise auch die Rolle des Kopfhöreranschluss zugewiesen, die bewährte 3,5mm Klinken-Buchse ist Geschichte. Nun schlägt das Audeze Lightning-Kabel nicht nur eine schnöde elektrische Brücke zwischen zwei Kontakten. Eingefügt in Mitten des Kabelstranges sind ein D/A-Wandler nebst Verstärker und weil noch ein wenig Platz im Gehäuse ist, werden zudem Bedienelemente sowie ein Mikrofon integriert. Mit Letztgenannten hört Siri aufs Wort und einem Einsatz als High-End-Telefon-Headset steht auch nichts im Wege.
Wer möchte, kann sich als Ergänzung die Audeze-App aus dem Store herunterladen. Zehn verschiedene Frequenzbereiche können nach dem Aufspielen in engen Grenzen beeinflußt sowie gespeichert werden. Mit dem Adjektiv „optional“ deutete ich vor ca. 150 Worten zudem eine Alternative zur Lightning-Variante an. Mit einem Nachlass von fünfzig Euro kann der Audeze SINE gleichermaßen mit einem verbindungsfreudigen Standardkabel bezogen werden, an dessen verstärkerseitigen Ende ein Klinkenstecker Kontakt sucht. Strippe und Hörmuschel werden, wie auch bei den Lightning-Variante, mit kanalgetrennten vergoldeten 3,5-Millimeter-Klinkensteckern gekoppelt. Ein Wechsel der Zuleitung ist damit, ganz gleich welche Ausführung zu Beginn präferiert wurde, möglich.
So standen die Teilnehmer des ersten SINE Hörvergleichs fest: Standard gegen Cipher-Lightning, ausgetragen an einem iPhone® mit Kopfhörerbuchse. Dank der nePlayer-App konnte ich in den eigenen vier Wänden munter durch meine Musikbibliothek surfen, dabei spielte es keine Rolle ob das Stück als FLAC, WAV oder AIFF abgelegt war. Mithilfe der drei Tasten im Lightning Kabel ließ sich die App problemlos steuern, die gleichen Erfahrung machte Dirk Sommer mit dem Onkyo-HP-Player Programm. Im Wettstreit selber war der Sieger schnell gefunden. In keinem Kriterium konnten die iPhone®--Bordmittel der Audeze Alternative Paroli bieten. Die realisierbare Lautstärke liegt höher, der Bass ist druckvoller, die Auflösung und mithin die Räumlichkeit gewinnen deutlich. Der Aufpreis ist für die, die noch wählen können, sehr gut angelegtes Geld,und die Besitzer eines aktuellen iPhones® haben keinen Grund, den Verlust des Kopfhörerausgangs zu bedauern. Sobald die Wandlung und Verstärkung der digitalen Signale dem Chiper-Lightning-Kabel anvertraut wird, entstehen aus Apples Mobilien ernstzunehmende Musikmaschinen. Fallen zudem noch die Formatgrenzen, die iTunes zieht, sinkt das Verlangen nach einem zusätzlichen Nur-Audio-Player vernehmlich.
Ein iPhone® reicht dann auch nicht mehr aus, um den SINE Hörer richtig auf den Zahn zu fühlen. Der netzverkabelte Kopfhörerverstärker muss ran. Die amerikanischen Singer-Songwriterin und Politaktivistin Ani DiFranco gab mit dem Titel „Napoleon“ den Opener. Di Franco war einer der maßgeblichen Initiatorinnen, die aus einer ehemaligen Kirche ein Kulturzentrum entstehen ließen. Während des Eröffnungfest s2008 entstand das Album Live at Babeville, entsprechend euphorisch die Stimmung im Saal – unzählige Zwischenrufe und Freudensbekundungen legen davon Zeugnis ab. Audezes SINE artikuliert jeden Einzelnen davon, und wenn sich Ani zu Beginn des Refrains unvermittelt beim Publikum bedankt, so ist die Empfängerin des Lobes bekannt, sang doch eine Dame im Parkett kraftvoll die Textzeile vor. Diese Detailfreude und Klarheit wird aber nicht mit einer ungebührlichen Präsenz erkauft. Im Gegenteil, betont neutral und mit dem richtigen Schwung erreicht der Vortrag die Hörnerven.
Für einen Flächenstrahler ist die Königsdisziplin die wohldosierte exakte Wiedergabe der tiefen Frequenzen. Holen wir doch zur Überprüfung einen Klassiker aus dem Datenbestand. Oskar Peterson lässt sich bei „You look good to me“ von Ray Brown trefflich am Akustikbass begleiten. Zuerst gestrichen und nach ein paar Takten gezupft, regt das große Instrument die hauchdünne Folie im Hörer an. Ohne Blähungen wird der mächtige Holzkörper mit seinen schwingenden Saiten so lebensecht reproduziert, dass die Synapsen in der Denkzentrale die Wahrnehmung um die dunkle Farbe des Holzes und dessen typischen Geruch ergänzen. Daneben klappt das Zusammenspiel zwischen Oskar am Klavier und Ed an der Schießbude vortrefflich. Warm und natürlich mit genau der richtigen Tonalität gehen die drei ihrer Arbeit nach.
Auch wenn die Welt im Moment so garnicht besinnlich ist, Weihnachten steht unübersehbar vor der Tür. Heuer haben wir den obligatorischen Konzerttermin mit dem Weihnachts-Oratorium von Bach verpasst, nun muss die Konserve aushelfen. Rene Jacobs fügte im Jahr 2004 den unzähligen Einspielungen eine fulminante hinzu. Dorothea Röschmann und Andreas Scholl als Solisten werden stimmlich vom Rias Kammerchor unterstützt. Die Tontechniker lieferten, wie aus dem Hause Harmonie Mundi gewohnt, ganze Arbeit ab. Eine Aufnahme farbenprächtig in den Mitten, dazu fein verästelt im Hochton und dennoch voller Saft und Kraft. „Jauchzet, Frohlocket, Auf, Preiset Die Tage“ ist folgerichtig kein elegisch vorgetragener Choral sondern musikalische Lebensfreude: Emotionen die mühelos durch die kleinen Wandler vermittelt werden. Obschon im Hochton nicht spitzfindig, artikulieren sich die Stimmen fest umrissen, die Streicher perlen mit dem richtigen Glanz. Wobei sich das Spektakel in einem etwas kompakteren Spielraum abspielt, eine ausufernde Räumlichkeit ist bei solch Gehörgang nahen Schallerzeugern auch nicht zu erwarten.
Wieder einmal setzt die usbekische Sängerin Sevara Nazarkhan den Schlusspunkt. Vorzüglich produziert webt sie auf dem Album Sen eine traditionelle Instrumentierung in einen elektronisch Klangteppich ein. Bei „Kunlarim Sensiz“ geht dann auch noch richtig die Post ab. Sitar, Flöte, Händeklatschen und ihre weiche Stimme werden kontrastiert von kraftvollen Impulsen aus dem Synthesizer. Der SINE schnürt aus diesen Zutaten ein eindringliches Ganzes. Präzise mit dem rechten Maß schieben die Bässe, dynamisch die Schläge auf den Schlaginstrumenten, elektronische Schnipsel bereichern sphärisch die oberen Lagen, mittendrin Sevara mit ihrer zauber- wie körperhaften Stimme. Auch ein beherzter Dreh am Poti ändert daran nichts. Alles da, alles ohne Kompression, Verzerrung oder Schärfe. Spätestens nach dieser Einspielung wird verständlich, warum Musiker im Aufnahmestudio Audeze Kopfhörer einsetzen. Exemplarisch sei Neil Young genannt, sein Nebenberuf: Kämpfer für den guten Ton.
STATEMENT
Audezes SINE ist ein erstklassig konstruierter und produzierter Beau. Anfassen und Hören befriedigt die Sinne zutiefst. Seine neutrale, aber alles andere als langweilige, Abstimmung macht ihn zu einem feinen Werkzeug für Viel- und Langhörer. Geht er eine Ehe mit einem mobilen Mac ein, so ist die Kombination mit dem hauseigenen Lightning-Kabel Pflicht. Entschieden mehr Leidenschaft und Authentizität in der Performance lassen iPhone® & Co. zu echten Musikboxen mutieren.
Gehört mit
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Mobile Quellen | iPhone® mit nePlayer / FIIO X3 |
Computer Audio | NAS-Laufwerk Qnap HS 210, Minim Server, Router Speedport W 724 V |
Streaming Server | Minimserver |
Steuerung | Lumin für Apple iPad, Linn Kazoo |
Netzwerkspieler, Vorverstärker | Linn Majik DS-I |
Kopfhörer-Vergleich | Sennheiser HD 800 |
Netzaufbereitung | Furman Elite-16 Power Factor E i |
Kabel | Monster Cable LAN, Linn NF, Naim Audio Lautsprecherkabel, Netzleiste Music Line |
Möbel | Phonosophie Tripod |
Herstellerangaben
Audeze SINE On-Ear
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Typ | Audiophiler On-Ear Kopfhörer |
Prinzip | Magnetostatischer Treiber |
Frequenzband | 10 Hz - 50.000 Hz |
Schalldruck max. | > 120dB |
Klirrfaktor | <1 % bei 100 dB, über das gesamte Frequenzband |
Belastbarkeit | 6 W |
Empfohlene Leistung | 500mW - 1W |
Anschlussstecker Verstärker | Stereo-Klinke 3,5 mm vergoldet |
Anschlussstecker Hörer | Gewinkelte Stereo-Klinke 3,5 mm vergoldet |
Impedanz | 20 Ohm |
Gewicht | ca. 230 Gramm inkl. Kabel |
Kabel- / Länge | Verbindungskabel ca. 250 cm |
Lieferumfang | Transportbeutel, Mehrsprachige / Deutsche Bedienungsanleitung, 3,5 mm auf 6,3 mm Adapter vergoldet |
Preis | 550 Euro Standardkabel, 600 Euro mit Lightning-Kabel |
Vertrieb
audioNEXT GmbH
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Anschrift | Isenbergstraße 20 45130 Essen |
Telefon | 0201 5073950 |
info@audionext.de | |
Web | www.audionext.de |