Der NightOwl ist nicht einfach die geschlossene Variante des an dieser Stelle vor knapp anderthalb Jahren vorgestellten NightHawk, Audioquests erstem Kopfhörer in der ebenso langen wie erfolgreichen Firmengeschichte. Das halb-offene Gegenstück zum NightOwl ist der NightHawk Carbon.
Momentan gibt es also drei leicht unterschiedliche Modelle – Restbestände des NightHawk, den NightHawk Carbon und den NightOwl Carbon – im Programm des einstigen Kabelherstellers, der inzwischen auch mobile Wandler/Kopfhörerverstärker-Kombinationen wie die DragonFlys, die Niagara-Stromversorgungs-Linie und den Jitterbug, ein Filter zur Verbesserung der Audioeigenschaften bei USB-Verbindungen, in seinem Portfolio hat. Wie bei Audioquest üblich versicherte man sich auch für den Einstieg ins Kopfhörer-Business eines auf dem neuen Gebiet ausgewiesenen Spezialisten, in diesem Fall Skylar Gray, der dann mit dem NightHawk auch gleich für Furore sorgte. Das lag zum einem daran, dass er eine 50-Millimeter-Bio-Zellulose-Membran mit einer Gummisicke für eine kolbenförmige Bewegung konstruierte, die Spule auf einen Träger wickeln ließ und sich die relativ kurze Spule in einem langen Magnetspalt bewegt. Auch bei der Gestaltung der Geometrie des Treiberkorbs orientierte sich Skylar Gray eher an sehr guten Lautsprecherchassis als an den üblichen Kopfhörertreibern und sorgte für eine strömungsgünstige, vollkommen symmetrische Belüftung ohne harte Kanten. Kurz gesagt, ging es vor allem darum, Quellen von möglichen Verzerrungen zu eliminieren.
Wer die Vorteile der genannten Konstruktionsmerkmale und ihre klanglichen Auswirkungen genauer beschrieben haben möchte, sei auf den Test des NightHawk verwiesen, wo ich die technischen Besonderheiten von Audioquests Kopfhörer ausführlich dargestellt habe. Zum anderen erregte der NightHawk Aufsehen, weil sich Skylar Gray damit vom Kopfhörer-Mainstream entfernte, indem er sich beim Frequenzgang nicht an den üblichen Frei- und Diffusfeld-Entzerrungen orientierte: Diese seinen lediglich für industrielle Anwendungen und für den Gehörschutz sinnvoll, nicht aber für den Musikgenuss. Die genannten Entzerrungen hätten eine Überbetonung des Hochtonbereichs zur Folge und führten daher viel früher zu Ermüdungserscheinungen beim Hören. Im Vergleich zu den üblichen Kopfhörer-Abstimmungen mag die tonale Auslegung des Audioquest ein wenig gewöhnungsbedürftig sein, aber bei der längeren Beschäftigung mit dem NightHawk habe ich trotz einer gewissen Zurückhaltung im Hochtonbereich weder in puncto Spielfreude, Luftigkeit oder Auflösung das geringste vermisst – dafür aber einen griffigen, plastischen Raum, den Klangfarben-starken Bassbereich und eine enorm entspannte Wiedergabe genossen.
Das Gehäusematerial ist bei allen Audioquest-Modellen dasselbe: Sogenanntes „Liquid Wood“ oder flüssiges Holz. Der Vorteils des verflüssigten Naturstoffes liegt darin, dass er bessere akustische Eigenschaften haben soll als Holz oder Plastik und im Spritzguss-Verfahren in nahezu jede gewünschte Form gebracht werden kann. Beim NightHawk Carbon und NightOwl Carbon erhalten die Spritzgussteile eine an Carbon erinnernde Oberfläche, während die des ersten NightHawk das Ausgangsmaterial des Liquid Wood erkennen ließ. Auch wenn der NightOwl den geschlossenen Kopfhörern zugerechnet wird, ist der Raum hinter der Membrane nicht luftdicht versiegelt: Eine kreisförmige Öffnung im Gehäuse innerhalb des Rings der Aufhängung soll einen Druckausgleich ermöglichen und verhindern, dass der von der Membrane nach hinten abgestrahlte Schall Resonanzen oder Verzerrungen erzeugt. Audioquest nennt die Öffnung übrigens „airflow resistive port“.
Statt der zwei längeren Kabel beim NightHawk liegt den Carbon-Modellen nun ein einziges kürzeres bei, das mit einem Mikrofon und einem Taster zur Steuerung von iPhone und Co ausgerüstet ist. Laut Richard Drees, Audioquests Vertriebschef für Deutschland, soll das Kabel nicht nur beim mobilen Einsatz mehr Vorteile bieten, sondern klanglich auch noch besser sein als die dem NightHawk beigepackten. Als „Zuhause-Hörer“ mit einem Kopfhörerverstärker im Hifi-Rack würde ich mir aber dennoch ein zweites, längeres Kabel im Lieferumfang des NightOwl Carbon wünschen – was, wie ich gern zugebe, wohl ein wenig unverschämt ist. Denn für den im Vergleich zum NightHawk um 100 Euro höheren Preis bekommt man beim NightOwl nicht nur das Kabel mit Mikro und Fernbedienungstaste, sondern auch noch einen zweiten Satz Ohrpolster: Der Satz aus sogenanntem „Proteinleder“ – einem trotz des Namens veganen Produkts – soll die Klangbalance ein wenig in Richtung „mehr Höhenpräsenz“ trimmen, der aus Alcantara den Fokus etwas mehr auf den Bassbereich lenken.
Auch wenn Audioquest mit dem neuen Kabel eher die Musikfreunde im Blick zu haben scheint, die auch unterwegs nicht auf Wohlklang verzichten wollen, nimmt der NightOwl Carbon zuerst mit meiner Verstärkerreferenz Bryston BHA-1 Kontakt auf, und zwar mit den Proteinleder-Pads bestückt: Von der Festplatte des Melco N1ZH60 fließen die Daten von Van Morrisons „Whatever Happpend To PJ Proby?“, für mich einer der schönsten Songs von Down The Road und ein guter Indikator für jede noch so kleine Übertreibung im Präsenzbereich. Wie erwartet wird Van Morrisons extrem dynamischer Gesang über den Audioquest auch bei höherem Pegeln niemals unangenehm oder gar aufdringlich – mit dem Audeze EL-8 Titanium gehe ich den Song mit lieber mit etwas niedrigerem Pegel an. Ich wechsele also wieder zum NightOwl, drehen den Pegelregler ein paar Grad nach rechts und präge mir den Klang durch bei ein, zwei Wiederholungen ein. Dann tausche ich die Ohrpolster. Die aus Alcantara nehmen ein wenig Hochton-Glanz und lassen den Tieftonbereich noch eine Spur wuchtiger wirken, aber der war ja auch schon zuvor eine der Schokoladenseiten des Audioquests. Da brauche ich des Guten nicht noch mehr, vor allem, wenn ich dafür auf ein wenig Strahlkraft verzichten muss. Aber das ist nicht der Grund dafür, dass ich sofort wieder auf die Polster aus Proteinleder zurückwechsele: Diese bringen den Groove des Stückes einfach besser zur Geltung. Die Musiker scheinen hier deutlich motivierter, so macht das Ganze einfach mehr Spaß. In Sachen Earpads steht die Entscheidung für mich fest: Die minimal heller klingenden und rhythmisch packenderen aus Proteinleder bleiben während der weiteren Beschäftigung am NightOwl.
Bei Pop oder Rock – Genres, die ich selten, aber wenn, dann meist über Kopfhörer genieße – empfinde ich die Tonalität des NightOwl als sehr angenehm. Hier fehlt mir nicht das mindeste. Der Audioquest findet eine hervorragende Balance zwischen musikalischer Spannung und klanglicher Entspanntheit, aber das könnte bei einem Stück, das wie Arild Andersens „If You Look“ auch von der Farbigkeit funkelnder Percussioninstrumente lebt, anders sein: Deshalb höre den Song erst über den Titanium und anschließend über den NightOwl. Auch nach diesem Vergleich fehlt mit beim Audioquest nicht das mindeste. Im Gegenteil. Er fasziniert mit einer ausgesprochen filigranen und luftigen Darstellung – frei von aller Effekthascherei. Leider hat es mit der Lieferung eines „alten“ NightHawk nicht mehr geklappt, so dass ich ihn nicht direkt mit dem NightOwl vergleichen kann. Aber wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht täuscht, stellt sich die Abstimmung des geschlossenen Modells hier noch gelungener dar als die der halboffenen Variante.
Die Empfindlichkeit des NightOwl reicht natürlich völlig aus, um auch mit einen iPhone laut genug zu musizieren. Aber wenn einen Kopfhörer dieser Qualität über dem beliegenden Adapter mit dem Smartphone verbunden ist, hört man nur, wie schlecht dessen Wandler und Verstärker sind. Erst mit einem DragonFly im Signalweg kommt man wieder in den Genuss des ebenso voluminösen wie konturierten Basses, der feinen Durchzeichnung und der enormen Spielfreude des NightOwl. So macht auch Musikhören unterwegs Spaß!
STATEMENT
Selbst wenn Sie mit der Abstimmung des NightHawk nicht hundertprozentig glücklich werden konnten, sollten Sie den NightOwl unbedingt einmal hören. Hier ist Skylar Gray die Balance zwischen Dynamik, Bassdruck, Offenheit, Durchzeichnung und entspannter Tonalität ganz hervorragend und für meinen Geschmack bei Verwendung der Ohrpolster aus Proteinleder noch ein Stückchen besser als beim NightHawk. Der NightOwl Carbon ein ganz hervorragender Kopfhörer – und das bei geschlossener Bauform. So etwas findet man wirklich nicht oft!
Gehört mit
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NAS | Melco HA-N1ZH60 |
Wireless Streaming Bridge | Auralic Aries (Femto) mit SBooster BOTW P&P Eco und Sbooster Ultra |
D/A-Wandler | Chord DAVE, Mojo |
Kopfhörerverstärker | Bryston BHA-1 |
Kopfhörer | Audeze LCD-X, EL-8 Titanium |
Kabel | SwissCable, Göbel Audio, HMS Gran Finale Jubilee, Audioplan Powercord S, Audioquest Diamond |
Zubehör | PS Audio Power Plant Premier, Sun Leiste, Audioplan Powerstar, HMS-Wandsteckdosen, Acoustic System Resonatoren, Artesania Audio Exoteryx, Harmonix Real Focus |
Herstellerangaben
Audioquest NightOwl Carbon
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Technische Daten Kopfhörer | |
Impedanz | 25 Ω |
Empfindlichkeit | 99 dB SPL / mW |
Belastbarkeit | 1,5 W |
Treiber | 50 mm dynamisch, Biozellulose-Konusmembran, 1,2-Tesla-Split-Gap-Antrieb |
Ohrpolster | ein Satz aus Proteinleder mit verbesserter Isolierung und leicht erhöhter Höhentransparenz, ein Satz aus Alcantara für größeren Komfort und leicht verringerten Bassdruck |
Gewicht | 346 g |
Preis | 700 Euro |
Technische Daten Kabel |
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Länge | 1,3m |
Leiter | langkristallines Kupfer |
Ummantelung | mikrofoniefrei, knickgeschützt |
Stecker | 3,5mm Stereo auf Dual 2,5mm Mono, direktversilbertes Tellurium-Kupfer |
Besonderheiten | Mikro und Smartphone-Steuerung, verbesserte Zugentlastung |
Vertrieb
AudioQuest BV
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