Was für eine hübsche Geschichte: Zwei hifi-begeisterte Sandkastenfreunde beschließen, den ultimativen Lautsprecher zu entwickeln – mit dem Fokus auf guten Klang. Optik egal, dafür sollen sie natürlich das beste Preisleistungsverhältnis überhaupt haben und alles andere in Grund und Boden spielen. Klar.
Der eine ist Mads Buchardt, Musiker und ehemaliger Inhaber eines Instrumentengeschäfts in der Nähe von Århus, der andere Kaspar Raun, ein Ingenieur, der früher Entwickler bei Dynaudio und anderen Hifi-Herstellern war und heute für Primare arbeitet. Zusammen gründeten sie 2008 RABU Acoustics (RAun & BUchardt), einen DIY-Hifi-Shop. Die Entwicklung der heutigen Buchardt Audio S300 MKII startete bereits 2011. Während Kaspar Raun seine Entwicklerkarriere begann, baute Mads Burchardt die Firma weiter aus, die heute auch den Vertrieb von SB Acoustics Chassis inne hat. 2013 gründete er Buchardt Audio, und die ersten Lautsprecher – die S200 und S300 – erschienen, die sich in Skandinavien bald großer Beliebtheit erfreuten. Die S300 MKII ist das momentane Topprodukt im Angebot. Kunststück, es ist das einzige. Mads Burchardt kündigte in unserem Mail–Wechsel aber bereits weitere passive und aktive Lautsprecher an.
Um preislich die ehrgeizigen Ideen realisieren zu können, wird konsequent auf den Direktvertrieb gesetzt. Gebaut und montiert werden die Lautsprecher in Indonesien bei demselben Unternehmen, das auch die Chassis herstellt. Der Versand an den Endkunden erfolgt weltweit aus Dänemark. 30 Tage Testzeit werden den Kunden eingeräumt. Der so erreichte Endpreis von 1343,35 Euro – der Tagespreis variiert mit dem Umrechnungskurs – für das Paar in Nussbaum soll auf diesem Weg bis zu 70% günstiger sein, als das, was Mitbewerber für ein derartiges Produkt aufrufen. Man wird sehen.
Die eingesetzten Chassis sind in Kooperation mit SB-Acoustics entstanden. Die Membran des 15 Zentimeter messenden Tiefmitteltöners besteht aus einer Mischung aus Polypropylen und einem nicht näher spezifizierten Mineralstoff. Der Materialmix soll die Tieftonfähigkeiten des Kunststoffs mit den Mitteltonqualitäten von Papiermembranen verbinden. Der 26-Millimeter-Hochtöner ist dann als klassische Kalotte mit Weichgewebemembran aufgebaut und verzichtet auf das heute weit verbreitete kühlende Ferrofluid im Magnetspalt. Wer seine Lautsprecher ein paar Jahre länger betreiben möchte, wird dies wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Ist die Pampe im Laufe der Zeit nämlich verdunstet, ändern sich die Parameter, der Urzustand ist nicht mehr so trivial herzustellen, und Ersatz oft teuer oder gar nicht mehr zu bekommen. Dass hinter der Chassis-Entwicklung Ulrik Smith steht, der einst bei Scan Speak die Revelator-Reihe verantwortete, macht die Sache nicht uninteressanter.
Die Buchardt Audio S300 MKII kommen in einem stabilen Karton stehend, eingewickelt in eine dünne Schaumstofffolie und zwar so, dass man weder sehen kann, ob Abdeckungen drauf sind, noch wo die einzelnen Chassis angebracht sind. Sagen wir es mal so, der Hochtöner hat‘s überlebt… Das Ergebnis jahrelanger Entwicklung ist genau genommen ein Zwei-Wege Bassreflex-Lautsprecher ausgeführt als Kasten mit hinten liegender Strömungsöffnung. Es gibt ihn in drei Ausführungen, nämlich in Schleiflack weiß und schwarz und mit Nussbaumfurnier, also echtem Holz. Exotisch! Zumindest das Versprechen, dem Gehäuse nur die notwendigste Aufmerksamkeit zu widmen, haben die Entwickler erreicht. Gefaste Kanten? Brauchen wir nicht. Sich verjüngende Mehrschichtgehäuse? Auch nicht. Stabilisierung? Ach wo. Vielleicht ein besonderes Material? MDF tut‘s auch!
Ok, bleiben wir sachlich. Die Verarbeitung ist in Ordnung, die Chassis sauber eingelassen. Die Polklemmen für das Kabel sind hochwertig stabil und – endlich mal – als Single-Wiring-Terminal ausgeführt. Trotzdem ist es bemerkenswert, wenn heutzutage jemand so eine „plumpe“ Kiste neu auf den Markt bringt. Allenthalben ist zu lesen, wie groß doch der Einfluss von Gehäuseform und -beschaffenheit ist. Nicht angefaste Kanten sind ein No-Go. Diese Erkenntnisse führen dazu, dass heutige Lautsprecher eben all die Fehler vermeiden, die solchen Kästen prinzipiell innewohnen und diese per se eben keine Chance gegen die modernen Konstrukte haben. Man wird sehen.
Vor der Kür kommt die Pflicht oder so. Laut Empfehlung sollen die S300 MKII am besten, also mindestens, 50 Stunden eingespielt werden. Jetzt weiß ich auch, wo die 30-tägige Testphase herkommt. Man darf sie nicht so lange behalten, sondern man muss! Leider hat Mads Buchardt nicht übertrieben, und nach dem ersten Reinhören mit unterbelichtetem Bass, dichten Mitten und pappigen Impulsen ermutige ich meine Kinder, doch die nächsten Tage alles, was sie wollen und so laut sie wollen, über Papas Anlage zu spielen. Dem Wahnsinn nahe verbringe ich die Nachmittage trotz noch kühler Temperaturen gern draußen. 20 Mal Afesa mit Fabellieder & Afrikanischer Trommelschule sind irgendwann zu viel – obwohl an sich entzückend, besonders wenn die Kinder dazu singen, auf der Djembe spielen und tanzen. Wenn sie nicht da sind, läuft alles Mögliche im Hintergrund vor sich hin. Auch nach einer Woche des Einspielens, schon in der eigentlichen Testphase, entwickelten sich die Lautsprecher noch weiter. Ich überspringe jetzt mal die einzelnen Evolutionsschritte und berichte einfach vom vorläufigen Endergebnis.
Von der Aufstellung her sind die Buchardt Audio S300 MKII unproblematisch, und man kann sie, wenn man einen Achtungsabstand zur Rückwand und den Ecken beachtet, einfach so ins Zimmer werfen, das klappt schon. Mit anderen Worten ist das horizontale Rundstrahlverhalten ausgezeichnet, vertikal sollte man mit dem Kopf schon ungefähr auf Höhe der Hochtöner sitzen. Trotzdem gibt es natürlich eine für mich optimale Position: So weit wie möglich auseinander, ganz leicht eingewinkelt. Was als erstes verblüfft, ist das Zurücktreten der Lautsprecher hinter die Musik. Die Kästen auf den Ständern in meinem Zimmer scheinen am Gehörten unbeteiligt. Natürlich sind sie das nicht, aber die Präsentation ist völlig losgelöst und baut sich bruchlos in Tiefe, Breite und Höhe vor einem auf.
Bei Lautsprechern dieser Größe wird ja gern getrickst. Leichte Höhenanhebung für die Brillianz und Analytik, kräftiger Oberbass, um Volumen zu suggerieren. Die S300 MKII machen nichts dergleichen. Sehr ausgeglichen und neutral, aufs erste Hören fast zurückhaltend im Hochtonbereich – ein Trugschluss – und leicht füllig liegen sie tonal völlig anders. Schon an diesem Punkt ist klar, dass die Erwartungshaltung ob der physikalischen Größe des Lautsprechers korrigiert werden muss. Der klingt wie ein Großer – unabhängig davon, welche Art Musik an ihn verfüttert wird. Musik wird mit großer Selbstverständlichkeit in den Raum gestellt, und die Buchardt bringen das Kunststück fertig, völlig homogen mit tollem Timing sehr detailreich zu spielen, ohne auch nur ansatzweise analytisch zu sein. Klingt etwas paradox, und das habe ich in der Kombination so auch noch nie erlebt. Ein bisschen wie ein Monitor, der aber nie auf den Keks geht.
Der Monitor kommt mir auch bei klassischer Musik in den Sinn. Im weiten Saal Streicherteppiche mit wunderschönem Glanz im Anstrich, sehr glaubhafte Blech- und Holzbläser und Kontrabässe mit sanfter Gewalt. Die Ortbarkeit ist sehr gut und bleibt bis zu hohen Lautstärken stabil. Aufgrund der schon erwähnten Fülle ist da nicht besonders viel Luft um einzelne Instrumente – aber die gibt es im Konzertsaal ja auch nicht. Dabei sind die S300 MKII trotzdem sehr genau. Philippe Herreweghe spielt gern große Werke mit kleiner Besetzung ein. Bei der Psalme von Felix Mendelssohn Bartholdy hört man die kleine Besetzung sehr genau wie auf einem Studiomonitor. Da aber gleichzeitig die Aufnahme nicht seziert wird, klingt das trotzdem sehr harmonisch und integriert. Dabei unterschlagen die Buchardt Audio auch nicht den Druck der Stimmen, die von anderen Lautsprechern gern gezähmt werden. Stimmen im Allgemeinen haben nicht nur den Oberton, sondern auch einen darunterliegenden Brustkorb. Obwohl alle Nuancen hörbar sind, werden sie sehr realistisch als Ganzes belassen. Dabei spielen die Buchardt Audio enorm sauber und auch im Hochtonbereich sehr gut aufgelöst, allerdings tonal minimal auf der dunklen Seite von neutral.
Die Abbildungsgröße der Lautsprecher wächst übrigens mit der Lautstärke. Knapp über Zimmerlautstärke wird es realistisch, auch im Bass. Dieser ist auch so eine Sache. Abgesehen davon, dass die Lautsprecher prinzipbedingt bei ganz – wirklich ganz - hohen Pegeln an ihre Grenzen kommen und man auch keine Tanzsäle damit beschallen kann, ist das sehr beeindruckend. Sehr tief und dabei immer noch farbig und mit hohem Informationsgehalt kann das bei elektronischen Bässen regelrecht massiv werden. Man bekommt diese Performance nicht mit dem Anblick der Lautsprecher unter einen Hut.
Dabei agieren die Buchardt Audio S300 MKII aus einer großen Ruhe und Lockerheit heraus. Vielleicht kennen Sie das von analogen Masselaufwerken. Einige sind so fett, dass sie eine Grabesruhe verbreiten und sonst nicht viel passiert. Es gibt aber auch welche, die aus ihrer Souveränität heraus Fluss, Geschwindigkeit und Rhythmus entwickeln. So in etwa muss man sich das bei den Buchardt vorstellen.
Dazu kommt ein großartiges Differenzierungsvermögen, ohne jemals plakativ zu wirken. Wird ein Vibraphon (Elbtonal Percusssion, Milt Jackson) gespielt, bekommen die einzelnen Anschläge ihre eigene Bedeutung, ohne deswegen in den Vordergrund zu treten. Congas oder Djembes sind feindynamisch sehr gut abgestuft, das Timing ist hervorragend. Dies passiert so alles nebenbei, bleibt aber jederzeit nachvollziehbar und geht bei steigender Komplexität nicht unter. Kleine Synthesizer-Spielereien im Hintergrund sind gar nicht so belanglos, sondern laufen im Kreis, auf und ab oder sind doch einfach nur ein Loop, bei dem man Anfang und Ende klar benennen kann. Oder an diesen Bass da („50 Words for Snow“ von eben diesem Album von Kate Bush), den ich schon so lange kenne, ist doch tatsächlich ans Ende des Anschlags eine ganz leise Melodieschleife rangebastelt worden. Das prominente Schlagzeug und die Percussion sind hervorragend nachzuvollziehen: Unterschiedlich starke und schnelle Anschläge in der Begleitung lassen sich nebenbei problemlos verfolgen. Nur ist das eben nicht so, dass man da ständig hinhören muss, es ist einfach da und treibt den Rhythmus voran. Mit anderen Worten, die Buchardt Audio S300 MKII gehen richtig ab, machen Spaß und haben einen hohen Fußwippfaktor. Sehr spannend.
Einen Härtetest mussten sie auch überstehen. Mein Bruder war zu Besuch. Er liebt Orgelmusik und verfügt über einen Fundus an Originalaufnahmen bestimmter Orgeln, die er auch selbst gehört hat. Und er hat immer einen Stapel CDs dabei, wenn er kommt. Normalerweise will er mir dann immer etwas „zeigen“, und ich bin nun mal kein so großer Fan dieses Instruments. Diesmal war alles ganz einfach. Er saß stundenlang vor der Anlage, hörte Solo-Orgelwerke von Praetorius, Weckmann und anderen, und ich hatte meine Ruhe. Hinterher berichtete er, dass er die Instrumente jeweils genau erkannt hatte, so die Orgel in der Abtei Himmerod mit ihrem Klangcharakter und den sechs Sekunden Nachhall.
Was aber immer wieder schwer zu beschreiben ist, ist, wenn ein Lautsprecher punktgenau spielt. Beispiel: Ein Orchester steigert sich ganz langsam bis zu einem Crescendo. Wenn kurz davor die Spannung kaum erträglich ist und dann der dynamische Höhepunkt geradezu erlösend einsetzt und explodiert. Bei den Buchardt scheint dieser Ausbruch am einzig möglichen Zeitpunkt zu kommen. Sie transportieren nicht nur die innere Spannung, sondern auch die große Erlösung. Sehr faszinierend, wenn ein Lautsprecher dies hinbekommt. Geht aber auch ganz banal, wenn Stimmen welcher Art immer so einsetzen, dass man nur denkt: „Ja klar, wie denn sonst?“
So viel Licht, kein Schatten? Na ja, in mittelgroßen Räumen wenig. Manchmal würde man sich die grobdynamische Keule etwas brachialer wünschen. Freunde betont fetziger Wiedergabe und Liebhaber von analytischer Wiedergabe werden vielleicht etwas Präsenz vermissen, aber sonst? Kleine Kisten ganz groß. Ich mag die klassische Optik ja sowieso und jetzt um so mehr. So bekommt die Geschichte aus Dänemark ihr Happy-End, und ich bin um die Erkenntnis reicher, dass sich jahrelange liebevolle Entwicklung auszahlt und gegen vermeintlich moderne technische Konzepte durchsetzen kann. Wer also einen Lautsprecher dieser Größe, gleich welcher Preisklasse sucht, möge sich die Buchardt Audio S300 zur Probe in die eigenen vier Wände holen. Aber Einspielen nicht vergessen!
STATEMENT
Optisch klassisch bis unauffällig spielen die Buchardt S300 MkII unglaublich differenziert und bassstark auf. Völlig ausgeglichen, rhythmisch zwingend aus großer Ruhe heraus unterstreichen sie ihren Anspruch, klanglich das Machbare in ihrer Preisklasse neu zu definieren. Mission erfüllt!
Gehört mit
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Analoglaufwerk | Technics SL-151/II, Technics SL-Q2 |
Tonarme | Roksan Tabriz |
Tonabnehmer | Audio Technica AT-33 PTG/II, Technics EPC-205 MkIII |
Phonopre | ifi iPhono |
PC | Acer Espire, I3 CPU 1.70 GHz, 8 GB RAM |
Software | Foobar2000 |
CD-Laufwerk | Denon DCD-1290 |
Wandler | Phonosophie DAC1 |
Verstärker | Creek 5350 SE, Topping TP60 |
Lautsprecher | Spendor A5, Heißmann Acoustics Cinetor |
Kabel | TaraLabs, RG142, Vovox, Sommer, Oehlbach, Baumarkt, Funk-Tonstudiotechnik, Supra Cable, Audioquest |
Herstellerangaben
Buchardt Audio S300 MKII
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Frequenzgang | 33Hz – 30kHz +/- 3 dB |
Mittlere Impedanz | 4 Ohm |
Wirkungsgrad | 88 dB |
Empfohlene Leistung | 40-200 W |
Abmessungen (H/T/B) | 370/190/330 mm |
Garantie | 5 Jahre |
Paarpreis | 1.343,35 Euro |
Hersteller/Vertrieb
Buchardt-Audio ApS
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Anschrift | 44C Skolegade 8600 Silkeborg Dänemark |
Telefon | +45 26748680 |
Web | www.buchardt-audio.com |
buchardtaudio@gmail.com |