Der Odin ist derzeit das Flaggschiff der luftgelagerten Bergmann-Audio-Tonarme. Firmenchef Johnnie Bergmann konstruierte ihn nicht speziell für einen seiner Plattenspieler, sondern als universell einsetzbaren Arm auch für Laufwerke anderer Hersteller.
Dass ein Exemplar des Odin auf den Weg zu Hifistatement gebracht werden sollte, hatten Johnnie Bergmann, Werner Obst, der Bergmann-Analogtechnik schon beinahe seit der Markteinführung in Deutschland vertreibt, und ich bereits beim Besuch in der Fertigungsstätte im dänischen Hobro verabredet. Dann klappte es aber nicht mehr vor der High End, der zumindest bei mir noch ein wenig Urlaub folgte. Aber auch nach dem Erhalt des Arms ging noch einige Zeit ins Land, bevor ich den ersten Tonabnehmer montieren konnte. Die mitgelieferte Schablone, mit deren Hilfe sich die Position der Gewinde für die beiden M6-Schrauben anzeichnen lässt, war bei dieser frühen Version des Odin noch für Bergmann-Laufwerke oder solche mit einem Plattentellerdurchmesser von 300 Millimetern ausgelegt. Inzwischen arbeitet Johnnie Bergmann an einer universellen Lösung. Ich bekam innerhalb kurzer Zeit eine für den LaGrange modifizierte Version der Schablone. Erst als ich mit dieser eine meiner Wechselbasen für die Montage vorbereiten wollte, fiel mir auf, dass ein auf der für 9-Zoll-Arme vorgesehen Position aufgebauter, nach hinten links ragender Tangential-Tonarm sich mit einem langen, auf der 12-Zoll-Position installierten Arm ins Gehege kommen würde.
Auf einen zweiten Arm wollte ich allerdings nicht verzichten. Schließlich kristallisierten sich zwei Lösungen heraus: Zum einen lässt sich die für extra lange Arm wie den Ortofon 309 konstruierte und für den Test des Einstein Tonarms modifizierte, exzentrisch aufgebaute Basis so zum Teller hin drehen, dass der Odin auf der 12-Zoll-Position montiert und ein kurzer Arm auf der 9-Zoll-Position genutzt werden kann. Möchte man neben dem Odin jedoch einen langen Arm verwenden – momentan begeistert mich die Kombination von Einsteins The Tonearm und dem Transrotor Tamino –, muss man das an einen Bumerang erinnernde Chassis des LaGrande von der Bodenplatte mit der Lagerheizung losschrauben, um 180 Grad drehen und wieder anschrauben. Obwohl dazu auch die Anschlüsse für die Heizung ab- und wieder anzulöten sind, habe ich mich für diese Variante entschieden. Vorsichtshalber hatte ich aber beide erwähnten Tonarmenbasen bei AMG in der Oberpfalz mit den nötigen Gewinden versehen lassen.
Wie ich schon im Bericht über den Besuch bei Johnnie Bergmann und Eva Seiberg wohl mehrfach erwähnte, kann ich nur schwer verstehen, dass Bergmann Audio den großartigen Sleipner – für mich immer noch einer der besten zwei, drei Plattenspieler, die ich je in meinen Hörraum standen – nicht weiter produziert. Damit fiel leider auch das bisherige Tonarm-Topmodell aus dem Programm. An dessen Stelle soll nur der neue „Reference-Tonearm“, wie Johnnie B. ihn nennt, treten. Im Unterschied zum Sleipner-Arm soll der Odin – wie erwähnt – auch mit Laufwerken anderer Hersteller kompatibel und daher auch ohne Bergmann-Laufwerk erhältlich sein. In diesem Fall liegt sein Preis aber ein gutes Stück höher, da der Odin dann ja nicht mit der Druckluft des Laufwerkes versorgte werden kann, sondern mit einem eigenen Kompressor geliefert werden muss.
Wie Johnnie B. in einer E-mail mitteilte, ging es ihm beim Odin darum, die Stabilität und Festigkeit des Luftlager- sowie des Tonarmrohres weiter zu verbessern. Daher entschied er sich, das Lagerrohr mit den Luftaustrittsöffnungen nicht wie sonst bei seinen Konstruktionen üblich nur auf einer, sondern auf beiden Seiten zu verankern. Auch die Struktur des Tonarmrohrs wurde optimiert: Die Kombination zweier Carbon-Rohre mit einer dazwischen liegenden Dämpfungsschicht soll eine hohe Steifigkeit mit perfekter Resonanzkontrolle verbinden. Das Headshell wird nun aus einem Alublock heraus gefräst und mit dem Carbon-Rohr verklebt. Auch die Verbindung zwischen dem Tonarmrohr und seiner auf dem Luftpolster schwebenden Lagerbuchse soll nun noch stabiler sein als bei allen bisherigen Bergmann-Modellen.
Alle diese Maßnahmen führen, so Johnnie B., zu einem satteren und dynamischeren Klang als dem des minimal feingeistigeren des Magne-Tonarms. In Sachen dreidimensionaler Abbildung soll der Odin dem Magne aber keinesfalls nachstehen – was wir aber nicht einfach so ungeprüft hinnehmen: Mit Werner Obst ist bereits der Test eines Galder-Laufwerks, auf dem bis zu vier Arme montiert werden können, mit Magne- und Odin-Arm für die nicht allzu ferne Zukunft fest verabredet. Der Odin ist mit sehr flexibler Kupferlitze durchgängig, das heißt von den Clips für die Tonabnehmer-Pins bis zur DIN-Anschlussbuchse auf der Rückseite des Arms, verkabelt. Das Gegengewicht ist durch drei Gummi-Einlagen vom Armrohr entkoppelt. Der Schlauch für die Druckluftversorgung erlaubt es, den Kompressor einige Meter weit vom Arm entfernt aufzustellen und arbeitete so extrem leise, dass er zu keiner Zeit störend in Erscheinung trat.
Sind die beiden Gewinde für die Montage erst einmal im vorgegebenen Abstand auf einem Armboard oder einer Basis fertiggestellt, geht der Aufbau des Odin relativ leicht von der Hand. Zuerst wird die „Level Board“ genannte Aluminium-Platte mit Bohrungen, Gewinden, einer Vertiefung für eine Stahlstange und einer Stahlkugel mit dem Untergrund verschraubt. Danach wird die Stahlstange in ihre Position gelegt und anschließend der Tonarm aufgesetzt und mit zwei Schrauben gesichert. Dank der Langlöcher in der Grundplatte des Tonarms lässt sich dieser von der Stahlstange geführt in Längsrichtung verschieben. So kann später die Nadel des Tonabnehmers mithilfe der Schablone auf die Gerade zur tangentialen Abtastung justiert werden. Da die Stahlstange dicker ist, als die Führungen in Level Board und Grundplatte des Arms tief sind, lässt sich die Grundplatte minimal um die Stange kippen und damit der gesamte Arm in der Horizontalen ausrichten. Sobald der Tonabnehmer im Headshell montiert, die Auflagekraft eingestellt und die Höhe des Lagerrohrs mit den Luftaustrittsöffnungen justiert wurde, braucht man den Arm gegenüber dem dem Level Board nur noch so weit verschieben, dass der Tonarm keinen Überhang hat. Beim Festziehen der Schrauben der Grundplatte ist jedoch darauf zu achten, dass Arm wieder exakt horizontal steht. Aber das hört sich komplizierter an als es in Realität ist. Der Arm ist gut durchdacht, so dass schon der Aufbau Freude macht.
Als erstes montiere ich das Lyra Etna (hier ein Link zu ) in den Odin, vorrangig, um die Tonarmverkabelung einzuspielen. Da es beim Clearaudio/Souther und selbst bei Kuzmas Airline immer mal wieder vorkam, dass die Nadel die Rille verließ, griff ich nicht zu irgendwelchen audiophilen Schätzen, sondern zu lange nicht gehörten Scheiben, die einfach Spaß versprachen wie etwa I Giganti Del Jazz 13 mit Milt Buckner. Diese LP des italienischen Billig-Labels ist musikalisch und klanglich ein Glücksfall – was man leider nicht von allen Scheiben der Serie sagen kann. Bei der magischen 13 jedenfalls scheinen Milt Buckner an der Hammond, Buddy Tate am Tenorsax und Wallace Bishop am Schlagzeug um die Wette zu grooven, immer wieder mal verbal vom Organisten angefeuert. Auf „When I'm Blue“ ist der Rhythmus trotz des mittleren Tempos einfach unwiderstehlich, die Hammond wimmert, flüstert, schreit und klackert, und die fette Bass-Drum stünde auch mancher High-End-Produktion gut zu Gesicht. Bei „You Have Changed“ umschmeichelt das Tenorsax mit seinem satten, warmen Ton den Zuhörer – zum Dahinschmelzen!
Und weil's so schön war, bleibe ich gleich bei Milt Buckner: Auf Rockin' Hammond, einem 1956 für Capitol aufgenommenen Album, ist der Organist auf einigen Stücken gleichzeitig auf Hammond und Flügel zu hören, und der Toningenieur spielt auch mal ein bisschen mit dem Hall. Bei „The Beast“ und dem „One O'Clock Jump“ kommt der Sound des Flügels ähnlich hart und direkt wie Jahrzehnte später bei den berühmt-berüchtigten, von „Tee“ Fujii produzierten Three-Blind-Mice-Aufnahmen rüber. Die Musik ist nicht unbedingt innovativ, swingt aber mit Macht und macht einfach nur gute Laune. Dazu tragen auch das satt goldene Strahlen der Farben, die stabile Abbildung der Instrumente, die Offenheit der Wiedergabe und das weitgehende Fehlen technischer Artefakte im Klangbild bei. Dass das Etna vehement zu Sache geht und in puncto Drive nichts anbrennen lässt, ist bekannt und wird auch vom Odin bestätigt. Aber so geschmeidig und warm wie bei diesen beiden Scheiben hatte ich das Lyra nicht in Erinnerung.
Wie auch schon der Sleipner-Arm lässt sich auch der Odin durch nichts aus der Ruhe bringen: weder durch Staublagerungen noch durch Scheiben mit exzentrischem Mittelloch – von mir einmal abgesehen: Bei einem Track verlor die Abbildung plötzlich an Stabilität, die Nadel sprang eine Umdrehung zurück. Der Grund war, wie gesagt, ich – oder ein wenig freundlicher formuliert: mein Bedienungsfehler. Ich hatte den Lift, der nicht über einen Hebel, sondern über einen Drehknopf betätigt wird, nur soweit herunter gedreht, dass die Nadel mit der Rille in Kontakt kam, nicht aber bis zum unteren Anschlag. Nachdem ich es mir angewöhnt hatte, den Lift vollständig abzusenken, gab es keine besonderen Vorkommnisse mehr.
Nach der dreitägigen Einspielphase musste der Arm dann den LaGrange in Richtung Fotostudio verlassen. Da die Position der Basis auf dem Laufwerk durch die beiden Gewinde zur Montage des Level Boards definiert ist, muss ich beim erneuten Aufbau des Arms Nadelposition, Auflagekraft – das Gewicht wurde für eine Foto entfernt – und horizontale Ausrichtung neu einstellen. Da habe ich mich dann entschlossen, gleich einen neuen Tonabnehmer einzubauen und zwar das Lyra Titan i, das ich beim Test des Keces Ephono „wiederentdeckt“ hatte und das vor etwas mehr als fünf Jahren so gut mit dem Sleipner harmonierte. Der Odin legte die Unterschiede zwischen den beiden Lyras schnell offen: Das Etna ist noch einen Tick sauberer, offener und auch noch ein wenig agiler, rhythmisch anspringender. Obwohl es mich in dieser Disziplin im Odin positiv überraschte, reicht es aber doch nicht ganz an die Klangfarbenfülle des Titan i heran. Toll, wie deutlich der Odin die Unterschiede zwischen den Lyras zur Geltung bringt – und dass er beide zu klanglichen Spitzenleistungen treibt, ohne selbst in Erscheinung zu treten!
Nicht dass ich es bei der Schwärmerei über Klangfarben vergesse: Die einschlägigen Testscheiben zeigen, dass der Odin auch ich Sachen Raumdarstellung keine Wünsche offen lässt. Hier ist er den besten Drehtonarmen mindestens ebenbürtig, kommt aber, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, an die fantastische Leistung des Sleipner in dieser Disziplin nicht heran. Aber der Odin ist ja – anders als der Sleipner-Arm damals – nicht auf einem Laufwerk mit Luftlager montiert. Da bin ich schon auf den Bergmann Audio Gander gespannt.
Da das Titan i wieder in den Breuer-Arm auf dem Brinkmann Avance in Wohnzimmer zurück soll, der Odin bis zum Eintreffen des Gander aber in meinem Hörraum bleiben dürfte, komme ich wohl nicht umhin, einen weiteren Tonabnehmer in den Bergmann-Arm einzubauen: Es kann ja nicht schaden, sich bei diesem Test nicht ausschließlich auf Erfahrungen mit Lyra-Systemen zu verlassen. Das Brinkmann EMT ti ist etwas schwerer als das Lyra, baut höher und hat eine höhere Ausgangsspannung, unterscheidet sich also grundlegend vom Titan i – und harmoniert trotzdem hervorragend mit dem Odin. Hier ist nicht der geringste Anflug von Nervosität zu entdecken, der bei schlechten Aufnahmen hin und wieder in einem Brinkmann-, Breuer- oder kurzen AMG-Arm auftreten kann. Dennoch nimmt der Odin der EMT-Variante nichts ihrer rhythmischen Attraktivität. Auch der Bass kommt mit ordentlich Schub. Das Klangbild wirkt aber stabiler und einen Hauch aufgeräumter als gewohnt.
Ich würde mich nie dazu versteigen zu behaupten, ich könnte die über den Plattenradius durch den wechselnden Fehlspurwinkel schwankenden Verzerrungen hören. Nein, ich bin immer noch der Überzeugung, dass es keinen Sinn macht, Konstruktionsmerkmale einer Komponente mit ihrem Klang in Beziehung zu setzen. Aber der Odin macht eine Menge sehr richtig, indem er der Musik fast kein technisch bedingten Artefakte hinzufügt. Und dabei ist die tangentiale Abtastung, der recht lange Tonarm, die nicht umbeträchtliche effektive Masse von 14 Gramm und die Sorgfalt, mit der Johnnie Bergmann bei seiner Kreation auf eine strikte Resonanzkontrolle achtet, gewiss sehr hilfreich.
STATEMENT
Der Odin tritt klanglich so gut wie nicht in Erscheinung, er fügt der Musik keine eigene Färbung hinzu und lässt die Charaktere unterschiedlicher Tonabnehmer klar zutage treten. Dabei besitzt er eine Souveränität, die an schwerere Japanische Analog-Klassiker erinnert. Bergmanns „Reference Tonearm“ ist hervorragend verarbeitet und von jedem halbwegs erfahrenen Analog-Fan spätestens beim zweiten Tonabnehmerwechsel problemlos einzustellen. Mit dem Odin hat Johnnie B. einen universell einsetzbaren, tangential abtastenden Tonarm geschaffen, der ohne Allüren daher kommt und absolut alltagstauglich ist. Trotz seiner rundum funktionalen Gestaltung: Klanglich ist der Odin ein Hochkaräter!
Gehört mit
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Plattenspieler | Brinkmann LaGrange mit Röhrennetzteil |
Tonarm | Einstein The Tonearm 12 |
Tonabnehmer | Lyra Etna und Titan i, Brinkmann EMT ti, Transrotor Tamino |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (sym) |
Vorverstärker | Einstein The Preamp |
Endstufe | Einstein The Poweramp |
Lautsprecher | Kaiser Acoustics Kawero! Classic |
Kabel | Precision Interface Technology, Swiss Cables Reference Plus, Goebel High End Lacorde, |
Zubehör | PS Audio Power Regenerator P5, Clearaudio Matrix, Sun Leiste, Audioplan Powerstar, HMS-Wandsteckdosen, Acapella Basen, Acoustic System Füße und Resonatoren, Finite Elemente Pagode Master Reference Heavy Duty und Cerabase, Harmonix Real Focus und Room Tuning Disks, Audio Exklusiv Silentplugs |
Herstellerangaben
Bergmann Audio Odin
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Tonarm | |
Prinzip | Tangential-Tonarm mit Luftlager |
Armrohr | Aluminium und Carbon, innenbedämpft |
Gegengewicht | entkoppelt |
Einstellungen | Vertikaler Abtastwinkel, Überhang, Azimut, Auflagekraft |
Verkabelung | hochwertige Kupferlitze |
Clips | Gold-beschichtetes Kupfer |
Anschluss | DIN |
Effektive Masse | 14g |
Gewicht | 1.180g inklusive Montageplatte |
Montageplatte | Aluminium |
Abmessungen (H/B/T) | 70/265/290mm |
Kompressor |
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Besonderheiten | sehr leiser, sauberer, trockener und gleichmäßiger Luftfluss, austauschbarer Staubfilter |
Abmessungen (H/B/T) | 135/155/330mm (H x W x L) |
Gewicht | 5,7kg |
Preis |
8.000 Euro |
Vertrieb
WOD-Audio - Werner Obst Datentechnik
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